Jüdischer Feiertag

Wie Israelis Pessach feiern

Jüdische Frauen backen zum jüdischen Pessachfest das traditionelle "Maza" Brot.
Jüdische Frauen backen zum Pessachfest das traditionelle "Maza" Brot. © imago stock&people
Von Gerald Beyrodt  · 27.03.2015
Das Pessachfest liegt zwar in derselben Zeit wie das christliche Osterfest, aber die Art das Fest zu feiern, erinnert eher an Weihnachten: viel Familie, viel Essen, viel freie Zeit. Gerne auch ein Familienkrach.
Wenn Zvi Ben-Ami dieser Tage mit seiner Gitarre zur Arbeit geht, dann stimmt der 61- jährige Musiktherapeut häufig Pessachlieder an. Mit demenzkranken Senioren, die sich an fast nichts mehr erinnern können, singt er Melodien zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten.
"Weil das für sie sehr wichtig ist. Und sie bekommen irgendwie ein Gefühl, auch wenn sie es vergessen, dass bald Pessach kommt."
Zvi spricht Deutsch, weil seine Mutter aus Wien stammte. Die alten Menschen haben die Pessachlieder so oft in ihrer Kindheit und auch später gesungen, dass sie immer noch in ihren Knochen stecken. Zvi selbst macht sich nicht viel aus Pessach. Doch für die meisten Israelis ist das Fest sehr wichtig. Nach ihren Vorbereitungen gefragt, sagt eine ältere Dame in der Fußgängerzone:
"Natürlich putze ich das ganze Haus. Wir koschern alles."
Der biblische Hintergrund
Die Bibel und die jüdische Traditionsliteratur schreiben nämlich vor, dass man an Pessach alles aus dem Haus verbannt, was mit Brot oder Nudeln zu tun hat. Man soll nichts Gesäuertes essen, keinen Chametz. Der biblische Hintergrund: Als die Israeliten aus Ägypten flüchteten hatten sie keine Zeit für Brot, das gehen musste. Auch in einer säkularen Stadt wie Tel Aviv schließen während der Pessachtage die Bäckereien. Stattdessen kann man überall Maza kaufen: sehr trockenes ungesäuertes Brot, fast ohne Geschmack. Doch viele essen während der Pessachtage trotzdem reguläres Brot, etwa der Hebräisch-Lehrer Ouzi Rotem.
"Am ersten Abend von Pessach, dem Sederabend essen wir keinen Chametz, aber danach schon. Meine ganze Familie isst Chametz. Wir haben kein Problem, wir wohnen hier in der Nähe von Jaffa. Wir können schnell rüberlaufen und unser Brot beim arabischen Bäcker kaufen. Andere frieren sich ihr Brot ein. Außerdem kommt man auch mal eine Woche ohne Chametz aus."
Das versucht zum Beispiel die Tourismusfachfrau Tali Chalfon mit ihrem Mann und ihren drei Kindern.
"Mein Mann legt mehr Wert auf die Gebote als ich. Seit wir zusammen sind, bringe ich an Pessach keinen Chametz ins Haus. Aber ich schmeiße nichts weg, was wir im Haus haben, Pasta und so weiter."
Das allerdings wäre vorgeschrieben und ist in orthodoxen Familien auch üblich.
30 bis 40 Verwandte werden sich im Haus von Talis einfinden: Onkel und Tanten die Cousinen und die Cousins, Neffen und Nichten. Bislang hat Talis Mutter für alle gekocht. Jetzt ist sie schon älter – da sollen alle Verwandten etwas mitbringen.
"Viele sieht man ja sonst nicht, weil sie arbeiten. Es ist wirklich schön, die ganze Familie zu treffen. Pessach ist ein wichtiges Fest, da hat man eine ganze Woche Zeit. Man kann Ausflüge machen. Das Wetter ist zur Pessachzeit gut. Man hat Zeit für die Kinder, und man kann sich mit der Familie zu unterhalten."
Seder nennt sich der erste Abend des Festes. Das bedeutet: Ordnung. Denn die Familien-Liturgie läuft nach einer festen Ordnung ab. Der Abend beginnt mit vier Fragen, die das jüngste Kind stellt oder die die Kinder auch singen können.
Die Nacht der Nächte
Die wichtigste Frage: Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten? Talis Kinder haben alle schon im Kindergarten gelernt, wie man die Fragen stellt. Danach folgt die Erzählung vom Auszug aus Ägypten, die Haggada. Da die Haggada sehr lang ist, lesen die meisten säkularen Israelis nur Teile davon. Viele hören nach dem Essen auf. Ouzi Rotems Familie verzichtet auch auf Passagen, die nicht mehr zeitgemäß seien.
"Wir lassen oft die Stellen weg, die sich gegen die anderen Völker, gegen die Nicht-Juden richten. Und die Stelle mit den zehn Plagen das lesen wir, aber nicht allzu lange."
Familie, Feiern, Ferien – für Ouzi Rotem tun sich da Parallelen zum christlichen Weihnachtsfest auf.
"Das kann auf jeden Fall passieren. Wie an Weihnachten kann es am Sederabend viele komplizierte Familienkonflikte geben."
Wer nicht in der Familie feiern möchte, kann auf andere Angebote zurückgreifen. Es gibt alternative und pazifistische Seder, patriotische, feministische und schwullesbische Feiern. Wohltätige Organisationen bieten Sederfeiern für Bedürftige an. Wer nicht kochen möchte, kann zu horrenden Preisen ins Restaurant gehen. Doch egal wie man den Sederabend begeht, für die meisten Israelis ist das Essen wichtig, so auch für Tali:
"Im Judentum gibt es immer viel zu essen, die ganze Zeit, an fast allen Feiertagen. Das bedeutet, dass man zusammen ist, dass man füreinander sorgt, eben miteinander isst. Hinterher ist eine Diät angesagt."
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