Jüdische Gebote

Du sollst die Umwelt schützen

Ein Sofer schreibt die letzten Zeilen für eine neue Torarolle in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Halle/Saale.
Wer die Umwelt schützen will, braucht die richtige Einstellung. © picture-alliance / dpa / Jan Woitas
Von Philip Benjamin Maier · 07.11.2014
Vom sinnlosen Energieverbrauch bis zur schamlosen Ausbeutung der Natur: Die Umwelt geht zugrunde, Verbote allein können sie auch nicht retten. Wichtig ist die richtige Geisteshaltung - zu der auch das Judentum führen kann.
Die Torah versucht unsere innere Einstellung zu ändern. Die Essenz der heiligen Schrift ist im Prinzip das Streben nach gesellschaftlicher Harmonie, in der jeder auf den Anderen Rücksicht nimmt.
"Bevölkert die Erde und macht sie euch Untertan" - so steht es geschrieben. Doch sollte der Mensch reinen Profit aus der Erde ziehen? Was bezweckte G'tt mit diesem Satz?
Im Midrasch geben die Weisen folgende Antwort:
"Als G'tt den ersten Menschen erschuf, zeigte Er ihm alle Bäume des Garten Edens uns sagte: 'Sieh mein Werk, wie schön und einzigartig. Zerstöre und missbrauche Meine Welt nicht, denn wenn du sie zerstörst, wird niemand nach dir sein, der sie wieder herrichten kann.'"
Umweltfreundliche Auslegungen
Es ist also die Pflicht des Menschen, die Umwelt - also G'ttes Werk - angebracht zu behandeln. Tatenlos der Umweltzerstörung zuzuschauen ist also außer Frage. Doch welches Handwerkszeug gibt uns das jüdische Gesetz, aktiven Umweltschutz jenseits von Greenpeace & Co. zu betreiben? Es gibt einige Mitzvoth, also Gebote, die bei genauer Betrachtung, sehr umweltfreundlich sind.
Über allem steht der Anspruch, man solle "heilig" sein, auf Hebräisch "kadosch". Wörtlich übersetzt: Einem Ideal gewidmet. Beispielsweise werden jährlich alleine in der EU so viele Tonnen genießbare Lebensmittel zerstört, wie es bräuchte, um alle Hungernden der Welt dreimal zu ernähren. Gleichzeitig verbraucht die Produktion von anschließend verbrannter Nahrung Unmengen an Energie, was unsere natürlichen Ressourcen weiter schmälert und die Erde weiter ausbeutet. Zudem werden oft Lebensmittel benötigt, um andere Lebensmittel herzustellen. Für ein Kilo Rindfleisch muss man 16 Kilo Getreide verfüttern. Dieses Getreide wiederum fehlt den Hungernden der Welt - ein Teufelskreis.
All das ist bekannt. Doch kaum einer ändert seine Einstellung. Der Kern des Problems ist eine egoistische Sicht auf die Welt. Außer man ist "heilig" und einem Ideal gewidmet: Das jüdische Gesetz verlangt Genügsamkeit und Verzicht von Luxus und Überfluss. Dies ist einerseits sozialverträglich, andererseits umweltfreundlich.
Keine Wasserverschmutzung, kein unangebrachtes Feuer
Viele kleinere jüdische Gesetze ergeben auf diese Weise das große Ganze, die Anleitung zum heilig sein. So soll man zum Beispiel nicht einen Brunnen austrocknen, wenn einem bekannt ist, dass ein anderer ihn für seine Wasserversorgung benötigt oder soll die Verschmutzung der Luft durch unangebrachtes Feuer unterlassen, weil es anderen schaden könnte. Ebenso sind bestimmte Entfernungen einiger Industriezweige zu Wohngebieten vorgeschrieben, will sie Menschen schaden oder belästigen könnten, so zum Beispiel Schlachtbetriebe, Gerbereien, oder große Schornsteine wegen der Rauchentwicklung.
Diese Beispiele sind nur ein Bruchteil dessen, was die Halacha in mehreren hundert Paragraphen in Bezug auf die Achtsamkeit gegenüber seinen Mitmenschen und somit der Umwelt festlegt.
Doch wie können uns solche Gesetzgebungen zu besseren, gar heiligen Menschen machen? Die Torah versucht, den Grund allen Übels, nämlich den Egoismus, auszumerzen. Und zwar, indem jeder Einzelne nichts weiter sein soll als ein Diener G'ttes. Ein solcher Diener wird die Natur nur insoweit nutzen, wie es nötig ist, um seiner Arbeit nachzugehen - aber auch nicht mehr. Lebensmittel- und Energieverschwendung sowie Umweltverschmutzung könnten somit der Vergangenheit angehören.