Judentum

Warum Natalia Rabbinerin werden möchte

Ein jüdisches Gebetsbuch steh vor einer Menora.
Ein jüdisches Gebetsbuch steh vor einer Menora. © picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Rocco Thiede · 24.10.2014
Weltweit gibt es rund 200 Rabbinerinnen – davon 40 in Europa. In Deutschland werden Rabbiner für ganz Europa ausgebildet. Eine von ihnen ist die Studentin Natalia Verzhbovska.
"Naja, mein Name ist nicht einfach aus zu sprechen ... Natalia Verzhbovska, das ist ein polnischer Name. Ich wurde in der Ukraine geboren in Kiew. Und dort wohnt auch ein Teil von meiner Familie: meine Mama mit meinem Bruder und auch dort studiert mein Sohn."
Ich treffe Natalia in Berlin im Abraham Geiger Kolleg. Sie ist 46 Jahre alt und Studentin an der Universität in Potsdam. Natalia Verzhbovska möchte Rabbinerin werden.
Zwei Millionen Euro gibt der deutsche Staat jährlich für die Ausbildung von Rabbinern in der Bundesrepublik aus. Für Natalia ist es bereits ihre zweite Ausbildung. Und sie weiß, dass ihr Berufswunsch für viele Menschen exotisch sein mag:
"Sagen wir so, dass für sehr viele Leute hier in Europa Rabbinerin eine exotische Person ist. Aber für Amerika - und England auch - ist das schon für sehr lange Zeit nicht so. Es gibt sehr viele Rabbinerinnen in der Welt. Sie sind Repräsentanten von nicht orthodoxen Bewegungen im Judentum."
Deutschland war bahnbrechend bei der Frauenordination im Judentum. Die erste weltweit ordentlich ordinierte Rabbinerin kam aus Berlin und hieß Regina Jonas. Am 27. Dezember 1935 erhielt sie ihr Diplom. Aber die besondere Tragik folgte nur neun Jahre später: Regina Jonas wurde am 12. Dezember 1944 - also in diesem Jahr exakt vor 70 Jahren - im KZ Auschwitz ermordet.
"Wir studieren auch jüdischen Rechtsliteratur"
Doch wie war Natalias Weg bis zu ihrem Entschluss noch einmal von vorn an zu fangen, nach Deutschland zu gehen um hier zu studieren und Rabbinerin werden zu wollen?
"Ich bin eine Ehefrau von einem Rabbiner. Ich arbeitete in der Gemeinde als Religionslehrerin und nach fünf, sechs Jahren meiner Arbeit habe ich verstanden, dass es nicht genug für mich ist. Ich wollte eine systematische, akademische Ausbildung bekommen. Wir studieren hier natürlich alle biblische Quellen, religiöse Quellen. Wir studieren auch jüdischen Rechtsliteratur – bedeutet: Mischna, Talmud. In nicht-orthodoxe Bewegungen ist das für Frauen erlaubt."
Und wie reagierte der Ehemann von Natalia, der auch einer jüdischen Gemeinde vorsteht, auf ihren Entschluss?
"Er dient als Rabbiner in Moskau in einer Reform-liberalen Gemeinde. Es gibt eine nette Tradition im Judentum, eine sogenannte Hrawuta, wenn zwei Juden die Quellen zusammen lernen und ein bisschen darüber streiten, dann sage ich machen wir zusammen eine Hrawuta, denn zwei Rabbiner in einer Familie wird eine sehr tolle Team – zusammen arbeiten und zusammen lernen."
"Als Rabbinerin hier in Deutschland"
Natalia ist eine gestanden Frau und hat bereits eine abgeschlossene Ausbildung und einen Beruf ausgeübt:
"Ich studierte Klavier im Konservatorium und arbeitete danach mehr als 15 Jahre als Klavierbegleiterin im Opera Theater in Kiew."
Doch wie verlief Natalias Kindheit, die ja noch zu Sowjetzeiten stattfand?
"Ich bin ganz in einem säkularem Umgebung und in einer ganz säkularem Familie aufgewachsen. Ich glaube, dass ein Treffpunkt für mich war Perestroika in der ehemaligen Sowjetunion. Genau ab dieser Zeit waren so viele Möglichkeiten für die Leute ihren Weg zur Religion zu finden. Alles was ich jetzt habe, das war ein Ergebnis von der Entscheidung die ich damals getroffen habe."
Wenn sie ihr Studium beendet hat, sind ihre Pläne schon klar:
"Hoffentlich, bekomme ich eine Stelle als Rabbinerin hier in Deutschland."
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