Judentum und Umwelt

Fruchtbäume abholzen verboten

Feigen reifen an einem kleinen Feigenbaum (Ficus carica).
"... so sollst du nicht ihre Bäume zerstören, denn du kannst von ihnen essen…", heißt es in der Torah. © picture-alliance / dpa / Beate Schleep
Von Philip Benjamin Maier · 05.12.2014
"Bal Taschchit" heißt ein Talmud-Gesetz, das die Zerstörung und Verschwendung von Lebensmitteln verbietet. Dem widerspricht, dass heutzutage nicht normgerechte oder schlicht überflüssige Lebensmittel in großen Mengen entsorgt werden.
"Wenn du eine Stadt belagerst, um sie zu erobern, so sollst du nicht ihre Bäume zerstören, denn du kannst von ihnen essen…",
besagt eine Stelle in der Torah. Der Talmud sieht dieses als Bal Taschchit bekannte Gesetz als generelles Verbot, essbare Früchte zu zerstören: Wenn man schon in Kriegszeiten, wenn Zerstörung zum Alltag gehört, keine Fruchtbäume abholzen darf, um wie viel mehr muss dies dann zu Friedenszeiten gelten. Und die Weisen gehen wie immer noch einen Schritt weiter: Öl und überhaupt jegliche natürliche Ressource soll nicht nutzlos verschwendet werden. Maimonides definiert ganz klar:
"Ein Jude darf keine Haushaltswaren zertrümmern, Kleidung zerreißen, Gebäude demolieren, einen Brunnen austrocknen oder Lebensmittel zerstören."
Auch heutzutage lehren Rabbiner auf dieser Grundlage, dass keine Nahrungsmittel zerstört, also auch nicht weggeworfen werden dürfen. Beispielsweise ist es in bestimmten Gegenden in Israel üblich, altes, aber noch genießbares Brot, das einem selbst zu hart geworden ist, in Tüten neben den Mülltonnen zu lagern, damit Bedürftige sich davon nehmen können.
Völlerei könnte im Übrigen zwei Verbote überschreiten: Einerseits verschwendet man Lebensmittel (man isst mehr als nötig), andererseits schadet man damit seinem Körper. Manche Rabbiner sehen bereits das Überfüllen des Tellers am Büffet als eine Form des Bal Taschchit.
Zerstörung nur zum Schutz der Umwelt
Doch das Verbot der Verschwendung und Zerstörung hat auch seine Grenzen. Ein Objekt darf zerstört werden, wenn in seiner Zerstörung mehr Nutzen liegt als in seiner Aufrechterhaltung. So darf zum Beispiel auch ein Fruchtbaum abgeholzt werden, wenn er durch eine Krankheit andere Bäume anstecken würde.
Heutzutage verschwenden die Menschen viele natürliche Ressourcen auf vielfältige Weise. Energieverschwendung ist ein klarer Verstoß gegen Bal Taschchit. Ein ebenso großes, wenn auch nicht so populäres Thema, ist die Lebensmittelverschwendung. Laut einer durch die Vereinten Nationen in Auftrag gegebenen Studie wird ein Drittel der für Menschen hergestellten Lebensmittel wieder weggeworfen, also zerstört oder verschwendet. Das sind immerhin 1,3 Milliarden Tonnen jährlich. Während ein geringer Teil bereits verdorben war, wurde der größte Teil entsorgt, weil er nicht normgerecht, nicht hübsch genug oder schlicht überflüssig war.
Durch die Lagerung auf Müllkippen entsteht für die Umwelt schädliches Methan. Bei diesem zeitgenössischen Beispiel wird dreifach gegen die Torah verstoßen: Zunächst zerstören wir Lebensmittel, was an sich ein Verbot ist. Außerdem wird Essen weggeworfen, was andere in der Welt bitter nötig hätten. Schließlich schaden wir mit diesem Verhalten auch der Umwelt und missachten die g’ttliche Natur schamlos.
Rabbi Hirsch, ein deutscher Rabbiner des 19. Jahrhunderts, sieht in dem Bal Taschchit sogar eine ausdrückliche Warnung an den Menschen, seine ihm gegebene Stellung als Herrscher über die Welt auszunutzen, indem er blind oder durchdacht G’ttes Werk zerstört.
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