Jubiläum

Keine Liebe auf den ersten Blick

Margarethe Wohlan (links) im Gespräch mit Astrid Kuhlmey (Zeitzeugin DS Kultur) und Ulf Dammann (Zeitzeuge RIAS)
Margarethe Wohlan (links) im Gespräch mit Astrid Kuhlmey (Zeitzeugin DS Kultur) und Ulf Dammann (Zeitzeuge RIAS) © Deutschlandradio - Bettina Straub
Eine Sendung von Margarete Wohlan · 01.01.2014
Der erste Sendetag des gemeinsamen nationalen Hörfunkprogramms aus Ost und West begann am 1. Januar 1994 um Mitternacht mit der Ansage: "Sie hören Deutschlandradio Berlin – das Beste von zwei Programmen RIAS und DS Kultur, gemeinsam auf einer Welle." Astrid Kuhlmey (ursprünglich DS Kultur, Ost) und Ulf Dammann (ursprünglich Rias, West) erinnern sich in der Sendung an die ersten Tage des Deutschlandradios.
Diesem Jubiläum widmet Deutschlandradio Kultur einen Sendeschwerpunkt - beginnend mit der Archivsendung am Neujahrsmorgen.
In den Stunden des Silvesterabends 1993 wurde wehmütig Abschied genommen - der RIAS präsentierte die Stationen seiner Geschichte, von der Gründung des Senders bis zum Fall der Mauer.
Deutschlandsender Kultur (DS-Kultur) konnte nicht auf so eine lange Geschichte zurückblicken. Gegründet am 16. Juni 1990 aus den Programmen Radio DDR II und Deutschlandsender war nach dreieinhalb Jahren bereits Schluss.
Dennoch war die Rückschau nicht weniger emotional. Die Highlights aus dem letzten Sendetag der beiden Sender und Ausschnitte aus dem ersten Sendetag des gemeinsamen Senders werden in der Archivstunde ergänzt durch Erinnerungen von damaligen Mitarbeitern aus Ost und West. Und es wird klar: Es war keine Liebe auf den ersten Blick, denn dazu waren die Abschiede am Tag zuvor auf beiden Sendern zu wehmütig und emotional.
Blick aus dem Kontrollraum bei der Aufzeichnung der Sendung
Blick aus dem Kontrollraum bei der Aufzeichnung der Sendung© Deutschlandradio - Bettina Straub
"Ganz viele unbestimmbare Gefühle"
"Verständlicherweise haben sich da erst mal auch Ängste gezeigt gegeneinander", sagt Astrid Kuhlmey, die von DS Kultur zum damaligen Deutschlandradio Berlin kam. Man habe nicht gewusst, "was hat der andere mal gemacht, wie gut ist der andere", erinnert sie sich. "Da kamen ganz viele so unbestimmbare Gefühle hoch." Doch Redakteure wie Ulf Damann, der für RIAS gearbeitet hatte, hätten die neuen Kollegen unterstützt und damit "Türen geöffnet". Zumal die Redakteure teilweise durch Austauschprogramme den jeweils anderen Sender und die Mitarbeiter dort bereits kennengelernt hätten.
So arbeitete Ulf Damann 1992/1993 für zwei oder drei Wochen bei DS-Kultur. So habe er neben den Menschen auch die kleinen Unterschiede im Produktionsbetrieb kennengelernt. "Wie man zum Beispiel - nicht wie bei uns - nach einem Versprecher bei einer Aufanhmne einfach weiter macht. Da wurde das Band zurückgespult bei DS-Kultur und dann musste man wieder ansetzen." So sollte Material gespart werden.
Auch Astrid Kuhlmey arbeitete in der Zeit vor der Fusion der beiden Sender beim RIAS. Ein besonderes Moment war für sie dabei der Umstand, dass der RIAS in der DDR "ganz prononciert" als "der Sender des Klassenfeindes" gegolten habe. "Da hat man die Antennen zwangsweise umgedreht, damit man den RIAS nicht empfangen konnte, im Osten", erinnert sie sich. "Und auf einmal hier in dieses Haus hineinzugehen - ich habe innerlich manchmal fast stramm gestanden. Es habe "schon richtig symbolischen Charakter" gehabt, dass sie als "Ost-Mädchen", wie sie sich damals empfunden habe, in "diesen großen Rias" ging und dann Mitarbeiterin in diesem Haus geworden sei.
"Die aus dem Osten überrollen uns"
Die Fusion der beiden Sender sorgte auch auf Seite der RIAS-Mitarbeiter für Schwierigkeiten. "Im RIAS gab es eine tiefe Spaltung", erklärt Ulf Damann. Es habe Kollegen gegeben, die "so weiter machen wollten, wie bisher, die auch mit den Kollegen aus dem Osten nichts zu tun haben wollten". Sie hätten jedoch ihren Kampf letztlich verloren. Eine andere Gruppe sei unentschlossen gewesen und voller Angst: "Gestandene Kollegen und Kolleginnen hatten plötzlich furchtbare Angst. Da kommen die aus dem Osten, die überrollen uns doch, wir haben gar keine Chance gegen die." Das sei jedoch "völlig unrealistsich gewesen, alleine zahlenmäßig", denn die Mitarbeiter des RIAS seien zahlenmäßig wesentlich mehr gewesen. Schließlich habe es aber auch eine Gruppe gegeben, die der Veränderung positiv gegenüberstand und es "unheimlich spannend" fand, etwas Neues auf die Beine zu stellen: "Raus aus dem Mief West-Berlins zu kommen als RIAS-Redakteur und ein bundesweites Programm zu machen", fasst Ulf Damann zusammen.