Juan Gabriel Vásquez: "Die Reputation"

Der Karikaturist, der einen Politiker zu Fall bringt

Juan Gabriel Vásquez
Der kolumbianische Schriftsteller Juan Gabriel Vásquez © Tobias Wenzel
Von Katharina Döbler · 29.04.2016
Der Kolumbianer Juan Gabriel Vásquez ist einer der großen Autoren Lateinamerikas. In seinem Roman "Die Reputation" erzählt er vom erfolgreichem Karikaturisten Mallarino, der das Leben eines Politikers ruiniert. Schuldig fühlt er sich dafür nicht.
Der kolumbianische Autor Juan Gabriel Vásquez ist einer der wirklich großen Erzähler Lateinamerikas. Das Kolumbien, das er in seinen Romanen beschrieben hat, liegt jedoch weit entfernt von dem flirrenden, phantastischen Aracataca, das man vom alten Großmeister García Márques kennt. Vasquez’ Welt ist nüchtern, ohne jede magischer Exotik, und auf ihre armselige Art wirkt sie überaus vertraut: mit ihrem Geruch nach Diesel, Gully und Parfüm, ihrem Regen und ihren Restaurants, den tonangebenden Mediencliquen, den braven Katholiken und zankenden Paaren. Kurz: Dort herrscht eine überwältigende Alltäglichkeit.

Bogotá, die Stadt hoch in den Bergen

Ort der Handlung ist meistens Bogotá, die Stadt hoch in den Bergen, in der das Sonnenlicht extreme Kontraste setzt. Und auch dieser, eher kurze Roman erzählt von dunklen Ecken und vom Licht.
Der erfolgreiche Zeichner Mallarino, der mit seinen politischen Karikaturen eine Art kolumbianische Institution geworden ist, ein öffentliches Gewissen, ein unerbittlicher Ankläger, begegnet am Tag seiner größten Ehrung einer jungen Frau, die an eine alte, längst vergessene Geschichte rührt.
Dreißig Jahre zuvor nämlich hat Mallarino einen Politiker zu Fall gebracht, indem er ihn des sexuellen Missbrauchs anklagte – dezent natürlich, nur eine Karikatur, eine unmissverständliche Andeutung, mehr nicht. Der Mann verlor Amt und Ansehen, schließlich beging er Selbstmord. Mallarino erklärte, nicht schuldig zu sein.

Ein Essay, der als Erzählung daherkommt

Anders als die meisten anderen Romane von Vásquez, die vor allem größere historische Linien an den Biografien seiner Figuren sichtbar machen, dreht sich dieser um eine klare ethische Frage und funktioniert fast wie ein Essay, der als Erzählung daherkommt.
Die Selbstgerechtigkeit eines Anklägers wird hier mit sensiblem Besteck seziert, die öffentliche Persona vorsichtig von dem Wesen, das dahinter steckt, geschieden. Und am Ende zeigt sich das moralische Gewissen der Nation in menschlicher Nacktheit: auf der gleichen Stufe wie der mutmaßliche Kinderschänder von einst.
Die Macht von Medien ist, wie Vásquez in seinem bedächtig klaren Erzählen langsam herausarbeitet, die Macht von Menschen, die diese Macht genießen, gebrauchen und missbrauchen.

Juan Gabriel Vásquez: "Die Reputation"
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Schöffling & Co, Frankfurt a. M. 2016
185 Seiten, 19,95 Euro

Mehr zum Thema