Journalistin auf der Spur eines Giftgas-Mörders

15.08.2009
Noch bevor die schwedische Journalistin Liza Marklund 1995 ihren ersten Kriminalroman "Olympisches Feuer" zu schreiben begann, war klar, dass eine Frau im Zentrum des Geschehens stehen würde. Die Protagonistin sollte ängstlich, verletzbar, karrierebewusst und intelligent sein. Eine Figur, mit der sich nicht nur die Autorin selbst, sondern auch die Leser und Leserinnen identifizieren konnten.
So kreierte Marklund die junge Reporterin Annika Bengtzon, die - neben Beck oder Wallander als Inbegriff des Kommissars aus dem rauen Norden – schnell zum Leitstern eines engagierten Investigativjournalismus avancierte. Ungewöhnliche Interviewmethoden und Spürsinn für das kriminalistische Ressort machten Annika Bengtzon zur selbstbewussten und attraktiven Mittlerin zwischen (Boulevard-)Presse und staatlichem Polizeiapparat. Körperlich stets etwas angeschlagen und psychisch angespannt, kämpfte sie an allen Fronten ungemein professionell in bislang sieben Romanen. Man muss diese nicht gelesen haben, um Marklunds neuen Roman "Kalter Süden" zu verstehen, für alle Einsteiger wird darin die Lebens- und Arbeitssituation der Reporterin knapp umrissen:

"Ihr Mann hatte sie verlassen und die Kinder waren die Hälfte der Zeit bei ihm, ihr Haus war abgebrannt und die Versicherung wollte nicht zahlen. Sie wohnte in einem Haus der Polizeigewerkschaft […] aus der sie jederzeit wieder rausfliegen konnte."

Handlungs- und Tatort in "Kalter Süden" ist das spanische Marbella. Bengtzon soll für das Stockholmer "Abendblatt" einen tödlichen Giftgasanschlag auf die Familie eines schwedischen Eishockeystars recherchieren. Vor Ort zeigt sich, dass auch bei weiteren Attentaten an der spanischen Südküste mit Gas gearbeitet wird, die Opfer aber niemals getötet werden. Während man ihre prachtvollen Villen und Büros ausräumt und die Täter in den glamourösen Limousinen davonfahren, liegen die Besitzer betäubt daneben. Bald schon betrachtet die spanische Polizei den Fall des Eishockeystars als Unglück und die schwedische Presse will Bengtzon aufgrund unspektakulärer Materiallage von der Berichterstattung abziehen. Doch die Reporterin recherchiert hartnäckig weiter und gerät immer tiefer in die kriminellen Grauzonen des sonnigen Südens: In Costa del Sol wird Haschisch und Kokain in Schwindel erregenden Mengen gehandelt und das nahe gelegene Gibraltar entpuppt sich als gigantische Geldwaschanlage, da seit 1967 dort Unternehmen steuerfrei gegründet werden können.

Marklund ist ein Profi der Recherchekunst. Ihre trickreich erzählten Ereignisse basieren stets auf reichem Faktenmaterial. Zusammen mit einer Vielzahl fiktionaler Elemente konstruiert sie im Roman "Kalter Süden" so erneut ein spannungsreiches Erzählgebäude. Lebensschicksale, über mehrere Generationen zurückverfolgt, sind darin ebenso zu finden wie Kritik am skrupellosen Vorgehen staatlicher Behörden. Im narrativen Scheinwerferlicht aber steht Annika Bengtzon, deren Kampf wieder einmal erfolgreich ist und die am Romanende, beim Ausgraben der vorerst letzten Leiche, deshalb sagen kann, "das überlasse ich der Lokalzeitung".
Besprochen von Carola Wiemers

Liza Marklund: Kalter Süden
Kriminalroman
Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt
Ullstein Berlin 2009
518 Seiten, 19,90 Euro