Joss Stone und ihr neues Album

"Ich war gut darin, wie Aretha Franklin zu singen"

Die britische Soulsängerin Joss Stone
Die britische Soulsängerin Joss Stone © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Eric Leimann · 31.07.2015
Nachdem Joss Stone als 15-Jährige in einer britischen Talentshow das Publikum begeisterte, bekommt sie einen Plattenvertrag. Seither hat sie zwölf Millionen Alben verkauft. Heute betreibt Stone ein eigenes Label. Ihr neues Album heißt "Water For Your Soul".
Achtung, das ist eine Warnung. "Water For Your Soul" ist nichts für Leute, die von Reggae schlechte Laune bekommen, auch das soll es ja geben. Gefühlt 50 Prozent des neuen Albums von Joss Stone sind vom Offbeat jamaikanischer Herkunft infiziert. Auch der Rest ist kein Soul oder R'n'B-Purismus, sondern eher eine bunte, aber gut sortierte Reise um die Welt...
"R'nB, HipHop und Reggae sind unsere Hauptdarsteller. Aber: sie bekommen Besuch von vielen anderen musikalischen Stilen. Wir haben die Flamenco-Gitarre, gespielt von Nitin Sawhney, einem indisch-britischen Produzenten. Er hat mich in viele verschiedene Arten von Musik eingeführt, mir Instrumente gezeigt. Auf dem Album gibt es Tablas und indische Flöten, Percussion aus Afrika, Bläser aus New Orleans, irische Geigen, brasilianische Beats und einen Gospelchor."
Der genannte Nitin Sawhney hat als Produzent deutliche Spuren auf diesem eleganten Sommeralbum hinterlassen. "Water For Your Soul" ist ein gut gelaunter Hybrid zwischen Mainstream-Pop und Weltmusik, ein Album der Neugier. Man hört die Lust der Sängerin und ihres Produzenten, Stile und Klänge auf ungewöhnliche Weise zusammenzubringen. Dass das Ende für den normalen Hörer dennoch nach modernem Pop aus dem Radio klingt, ist eine starke Leistung.
Das Multikulturelle auf Joss Stones neuem Album ist umso überraschender, wenn man erfährt, dass diese Musik komplett auf dem englischen Land, in Devon aufgenommen wurde. Hier lebt Joss Stone seit ihrer Kindheit, hier hat sie ihr Tonstudio...
"Ich mag es dort einfach. Es ist vielleicht die schönste Ecke in ganz Großbritannien. Ich komme von dort, die Leute behandeln ziemlich normal, meine Nachbarn kennen mich seit ich ein kleines Mädchen war. Ich fühle mich sicher dort. Es ist das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Mein Garten ist wichtig für mich. Ich will diesen Ort niemals verlassen, deshalb habe ich das Haus ein bisschen umgebaut, damit es irgendwie meins ist. Aber der Garten, das ist immer noch der Garten meiner Mutter."
Klassisches R'n'B-Stück mit spanischer Gitarre
Bei diesen Worten blickt eine extrem gut gelaunte und entspannt wirkende Joss Stone in einen frühsommerlichen Hamburger Garten. Vogelstimmen dringen durchs geöffnete Fenster und die attraktive Engländerin schafft das seltene Kunststück, in natura noch wesentlich besser auszusehen als auf gestylten Fotoprodukten. Strahlend hat sie gerade zwischen zwei Interviews telefonisch ihren aktuellen Boy Friend in England geweckt. Man darf fast sicher sein, dieser Frau geht es gerade sehr gut.
"Let Me Breathe" singt Joss Stone in diesem eher klassischen R'n'B-Stück mit spanischer Gitarre. Das Atmen, das Frei-sein-wollen, das blumenkindhaft sanft Rebellische liegt ihr in der Natur. Ein Umstand, der sich auf Dauer nicht vertragen wollte mit ihrem früheren Leben als Pop-Produkt. Joss Stone war 16, als sie durch ein Cover-Album mit Soulhits anderer großer Sänger weltbekannt wurde. Als Wunderkind hat sie der britische Plattenriese EMI damals verkauft. Bereits ein Jahr später kam das nächste Werk mit eigenen Stücken und machte Joss Stone zur jüngsten Künstlerin bis dato, die ein Nummer-eins-Album in den britischen Charts hatte. Hat sie, aus heutiger Sicht, ihre Jugend an den Musikindustrie-Zirkus verkauft?
"Ich glaube nicht, dass ich meine Jugend wirklich verloren habe. Ich habe tatsächlich viel über diese Frage nachgedacht. Ich fragte mich: Habe ich genügend Party gemacht? Vielleicht nicht. Vielleicht sollte ich mehr feiern. Aber als junges Mädchen tat ich nichts Besonderes: Ich ging zum Fahrradladen, trank Cider und rauchte Gras. Das war mein Leben - neben der Schule. Hätte ich so weitergemacht und erst später angefangen professionell zu singen, das wäre auch nicht spannender gewesen. Man muss bedenken: Ich lebe in Devon, einer Gegend, in die Touristen kommen - mitten auf dem Land. Also: Habe ich meine Jugend verschwendet? Ich denke, nein."
Spätestens mit ihrem neuem Album, das tolle Grooves hat, elegant arrangiert ist und bei dessen Gesang man erstmals eine gewisse lässige Entspanntheit bei ihr spürt, kann man sagen: Joss Stones neue Musik ist besser als die alte, in der noch etwas angestrengt sportive Soul-Kaskaden gesungen werden mussten. Joss Stone, das Wunderkind, gibt es nicht mehr. Und doch: Sie ist dankbar für jenen Karrierestart, den sie 2003 hatte.
"Ich hatte Glück. Wenn ich nicht so ein bisschen als 'Freak Show' verkauft worden wäre, hätten die Leute vielleicht nichts von meiner Musik wissen wollen. Ich konnte gut Leute nachmachen, die ich mir vorher angehört hatte. Ich war gut darin, so zu singen wie Aretha Franklin. Als ich älter wurde, versuchte ich meinen eigenen Weg zu finden - das war dann nicht mehr so populär. Also! Hätte ich damals nichts diesen merkwürdigen Trick beherrscht, niemand hätte sich für mich interessiert..."
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