Josef H. Reichholf: "Mein Leben für die Natur"

Wo das Zebra die Streifen her hat

Drei Zebras grasen im Tierpark in Cottbus.
Zebras interessieren den Naturforscher besonders stark. © picture alliance / dpa / Foto: Bernd Settnik
Von Johannes Kaiser · 29.01.2016
Josef H. Reichholf gilt als Querdenker und Provokateur der Naturschutzszene. In seiner Autobiografie blickt er auf etliche Reisen zurück. Sein Lieblingsthema: die Evolution. So hat er auch eine Erklärung parat, warum Zebras so aussehen wie sie aussehen.
Kiesgruben sind Wunden in der Landschaft und müssen zugeschüttet und begrünt werden, das verlangt der offizielle Naturschutz. Blanker Unsinn sei das, sagt der Münchner Biologe Josef Reichholf. Denn die Kiesgruben sind ein Wunder biologischer Vielfalt. In ihnen finden viele selten gewordene Pflanzen und Insekten eine Heimat. Sie zu erhalten ist perfekter Naturschutz, so Reichholf weiter. Typisch!
Differenzierungen sind nicht seine Stärke
Der Biologe, Ökologe und Evolutionsforscher hat sich seit langem einen Namen als Querdenker und Provokateur der Naturschutzszene gemacht. Oftmals zu recht, denn es ist nicht zuletzt ihm zu verdanken, dass sich im Naturschutz langsam die Erkenntnis "Nichts bleibt, wie es ist" durchsetzt. Natur bedeutet Wandel. Der Autor verweist in seiner Autobiographie immer wieder gerne auf Ergebnisse eigener Forschung, die herkömmlichen Lehrmeinungen wiedersprechen. Dabei attackiert er mehrfach Politik und Parteien als erkenntnisresistent. Insbesondere "Die Grünen" wie auch die Naturschutzverbände beschimpft er als grüne Ideologen. Dass Jäger und Angler selbst in streng geschützte Naturreservate hineindürfen, während Naturfreunden dergleichen strikt verboten ist, beklagt er heftig.
Bei aller berechtigten Kritik sind Reichholfs Vorwürfe oft allzu pauschal. Differenzierungen sind hier nicht seine Stärke, obwohl er sie in seiner Forschung durchaus erfolgreich beherzigt.
Der siebzigjährige Joseph Reichholf ist in seinem langen Forscherleben weit herumgekommen, hat die halbe Welt auf der Suche nach seltenen Pflanzen-, Tier- und Vogelarten durchstreift. Sehr anschaulich und detailliert beschreibt er auf über 600 Seiten in fünf Kapiteln unter anderem die Natur Südamerikas und Afrikas, fragt sich wiederholt, wie sich die enormen Unterschiede zwischen den einstmals miteinander verbundenen Kontinenten erklären lassen. Er geht dazu weit zurück in der Biogeschichte und der Biogeographie.
Lehrstunde in angewandter Evolutionsgeschichte
Ein Beispiel: das Zebra und seine schwarz-weißen Streifen. Reichholf erklärt sie mit der späten Ankunft der Pferde in Afrika. Während die anderen afrikanischen Huftiere gegen die durch die Tsetsefliege übertragenen Krankheiten Immunität entwickelt haben, fand die Evolution für das neuankommende Zebra eine andere Lösung. Die schwarz-weißen Streifen verwirren die Facettenaugen der Tsetsefliege so stark, dass sie kein klares Ziel sehen können.
Und so gleicht Reichholf Autobiographie einer prallen Lehrstunde in angewandte Evolutionsgeschichte und Ökologie. Seine Evolutionstheorien mögen in der Forschergemeinde durchaus auf Widerspruch stoßen, aber sie sind in sich schlüssig, gut begründet und nachvollziehbar. Das macht den persönlichen Rechenschaftsbericht seines Forscherlebens zu einer oftmals verblüffenden Lektüre mit vielen wissenschaftlichen Aha-Erlebnissen. Wer sich für Ökologie, Evolutionsgeschichte, Biologe und Naturschutz interessiert, kann hier noch das Staunen lernen.

Josef H. Reichholf: Mein Leben für die Natur
S. Fischer, Frankfurt/Main 2015
638 Seiten, 23,99 Euro

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