Johann Sebastian Bach

Der Komponist und seine Geliebte

Johann Sebastian Bach oder wie Sebastian Krumbiegel ihn nennt, den "Meister". Als Thomaner hat er die Werke Bachs rauf und runter gesungen und hat die Texte bis heute im Kopf.
Johann Sebastian Bach © Deutschlandradio / Nicolas Hansen
Von Manon Kadoke · 11.11.2014
Obwohl er als Hofkapellmeister in Köthen große Erfolge feierte, wechselte Johann Sebastian Bach auf die schlechter dotierte Stelle des Thomaskantors in Leipzig. Warum, blieb bislang ein Rätsel. Im Roman "Bach" gibt es eine allzu menschliche Erklärung dafür.
1720 stand Johann Sebastian Bach im Dienste des jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, auf der Höhe seines Erfolgs. Doch nur kurze Zeit später gab er seinen hochdotierten Posten als Hofkapellmeister auf und bewarb sich auf die Stelle als Kantor der Thomaskirche in Leipzig.
Ein Schritt, um sich künstlerisch weiterzuentwickeln, wie vielerorts vermutet wird? Der Bachforscher und Buchautor Franz Winter geht davon aus, dass der Grund eher in Bachs Privatleben zu finden ist. Warum sonst hätte er zu dieser Zeit freiwillig auf zwei Drittel seines Einkommens verzichten sollen?
Vieles, was folgt in Winters Roman, ist Fiktion und Spekulation. Spielte wirklich Bachs spätere Frau Anna Magdalena eine entscheidende Rolle im Leben des Komponisten, noch bevor dieser vom plötzlichen Tod seiner ersten Ehefrau Maria Barbara erfuhr? Fakt ist, dass sich Bach und die junge Sängerin zeitgleich in Karlsbad aufhielten und sich dort bereits kennengelernt haben könnten. Franz Winter beschreibt eine mögliche Begegnung der beiden so:
"Noch nie hatte er die Erscheinung des Weiblichen in dieser Weise wahrgenommen, ja auch nur gesehen, bei keiner Frau, bei keiner der Mätressen seiner Fürsten, bei keinem einzigen menschlichen Wesen so wie jetzt in der Gestalt jener berauschend erblühten neunzehn Jahre jungen Frau. Er wusste nichts von der Möglichkeit einer solchen Verkörperung des Lebens und ihrer unerklärbaren magnetischen Anziehungskraft, er wusste mit seinen 35 Jahren alles von der Musik, aber nichts von der Liebe. Liebe! War sie das, die Liebe? War Anna Magdalena Wilcke die Liebe? Seine Liebe?"
Nur gut ein Jahr später heiratete Johann Sebastian Bach die junge Sängerin und widmete ihr zwei Notenbüchlein. Es muss also so etwas wie Liebe im Spiel gewesen sein. Und doch will der leidenschaftliche Liebhaber Bach nicht so recht reinpassen in das bisher vorherrschende Bild des disziplinierten, arbeitsamen Musikers.
Echter Kenner der Epoche
Überzeugender als diese leicht kitschig anmutenden Passagen wirken bei Franz Winter die Abschnitte über den Künstler Bach und sein Arbeitsumfeld, bei denen sich der Autor als echter Kenner der Epoche zu erkennen gibt. Bildhaft, detailliert, wenn auch in gelegentlich etwas zu verschachtelten Sätzen, beschreibt er die alltäglichen Lebensumstände Bachs im frühen 18. Jahrhundert.
Davon nimmt man eindeutig mehr mit als von der spannenden, hochemotionalen, aber faktenmäßig auf etwas dünnen Beinen stehenden Dreiecksgeschichte. Auch wenn Franz Winter sich bewusst für die Romanform entschieden hat - schön wäre es gewesen, wenn er sein umfangreiches Wissen, das er sich in den letzten 25 Jahren angeeignet hat, als Vorwort oder Fußnote mit dem Leser geteilt hätte: Was ist Fakt, und wo fängt die Fiktion an?
Es ist ein spannendes Kapitel im Leben von Johann Sebastian Bach. Für Kenner liefert Franz Winter mit seinem Kurzroman eine neue Perspektive auf Bachs viel diskutierten privaten und beruflichen Neuanfang; für alle anderen ist es ein kurzweiliger, literarisch-musikalischer Ausflug ins frühe 18. Jahrhundert.

Franz Winter: "Bach"
Braumüller-Verlag
132 Seiten, EUR 18,90

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