Jobsharing

Weniger Arbeit, mehr Freizeit

Ein Mensch springt auf seinen Bürostuhl und Tisch
Arbeit kann einen echt fertig machen. Warum also nicht kürzer treten? © imago / Westend61
Von Maximilian Julius Klein · 17.03.2015
Als Ärztin, Krankenpfleger oder Online-Redakteur kann man problemlos in Teilzeit arbeiten. Aber als Chef eines Unternehmens? Ein Berliner Startup will genau das möglich machen - mit Jobsharing. Ein Arbeits-Tandem sollte allerdings wohl überlegt besetzt werden.
Junge Menschen sitzen vor ihren Computern. Ihre Ohren verstecken sie unter aufgeplusterten Kopfhörern. Die Kaffeemaschine ist groß und sieht teuer aus. Die Milch wird zu Schaum. Licht flutet den Raum. Agentur-Atmosphäre. Ein Startup in Berlin. Aber es sind nicht Apps oder ein neues Telefon, an dem hier gearbeitet wird. Ihr Produkt heißt "Jobsharing".
"Wir ergänzen uns als Team und lernen voneinander."
"Ich suche Arbeit, die in mein Leben passt. Ohne faule Kompromisse."
"Mehr Zeit für meine eigene Projekte."
Die Ästhetik der Webseite: clean. Es kommt einem bekannt vor. Heilsversprechend die Botschaft des Unternehmens. "Eigene Projekte", das hört sich schnell nach Laptop im Café und "was mit Medien machen" an. Jobsharing! Wohlklingender Anglizismus, gerichtet an die Digitalbohème. Doch Jana Tepe, eine der Geschäftsführerinnen von Tandemploy, kontert:
"Das hieß schon immer Jobsharing. Ich glaube aber, dass es seitdem in ganz vielen Firmen gemacht wurde und gar nicht immer so bezeichnet wurde. Also das merken wir ganz viel, wenn wir mit dem Thema rausgehen. Dass wir Leute treffen, die sagen: Ach ja, das mache ich eigentlich schon mit meiner Kollegin. Ich hab so eine Kollegin, mit der ich ganz, ganz eng im Team zusammenarbeite und wir teilen uns das eigentlich auf."
Zwei Frauen teilen sich die Geschäftsführung
Anna Kaiser und Jana Tepe leben vor, wovon sie die Menschen überzeugen wollen. Sie teilen sich den anspruchsvollen Job der Geschäftsführung von Tandemploy. Jeder macht das, was er am besten kann. Für junge Unternehmensgründer sehen beide erstaunlich entspannt aus:
"Man ist produktiver, man ist zu zweit im Team einfach stärker. Man hat doppelte Power, doppeltes Know-how. Und gleichzeitig ergänzt man sich da."
Menschen und Unternehmen zusammenbringen, die dem Thema Teilzeit offen gegenüberstehen, das ist das Ziel von Tandemploy. Arbeitnehmer können sich einen Partner suchen und sich gezielt zu zweit auf eine Stelle bewerben. So ein Arbeits-Tandem sollte allerdings wohl überlegt besetzt werden. Eine doppelte Anzahl von Menschen kann auch eine doppelte Anzahl von Problemen mit sich ziehen. Dennoch: Neu ist das Modell Jobsharing nicht.
"Also Jobsharing gibt's ja schon ganz lange. Das haben wir nicht erfunden. Das gibt es schon seit den 80ern. Dort ist es auch wirklich im Teilzeitgesetz verankert - und das zu Zeiten von Helmut Kohl. Der wollte '83 das Jobsharing-Modell vorantreiben. Es ist überhaupt nichts Neues. Nur es war bisher immer ein Zufallsprodukt."
Fachkräftemangel. Gut ausgebildete Arbeitnehmer finden sich in einer bisher ungeahnt starken Position wieder. Wohlstandsprobleme bringen Wohlstandsgedanken:
"Wir sind jetzt einfach mal in einer Phase, wo wir uns diese Wohlstandsfragen zum ersten Mal stellen können. Ganz klar. Also das war in der Nachkriegszeit nicht, in der ganzen Aufbauzeit nicht. Und jetzt kommen wir in eine Phase, wo es ermöglicht wird - vor allem den Leuten, die natürlich in Vollzeitjobs sitzen und die nicht auf der Straße sind und suchen."
Ein Konzept für die Wohlstandsgesellschaft
Die Gesellschaft wandelt sich und mit ihr die Arbeitswelt. Lange waren es vor allem Frauen, die Teilzeit in Anspruch genommen haben. Nicht selten verbunden mit einem Karriereknick. Doch es kommt Bewegung in festgefahrene Strukturen.
"Wir haben natürlich eine viel höhere Männerquote auf unserer Jobsharing-Plattform als die klassische Teilzeitquote in Deutschland. Die liegt bei unter sieben Prozent. Bei uns sind es 20 bis 30 Prozent. In Hochzeiten waren es sogar 30 bis 40 Prozent Männer, die sich bei uns angemeldet haben - und das ist wirklich ganz toll."
Es klingt verlockend in Zeiten von Stress und zunehmender Dauererreichbarkeit: mehr Zeit, weniger arbeiten.
"Und grundsätzlich denke ich nicht, dass immer mehr Menschen weniger arbeiten wollen, sondern ich glaube, es ist einfach ein Schritt in die Zukunft, um zu gucken: Wie wollen wir leben und arbeiten? Vor allem: Wie soll die Arbeit ins Leben passen und nicht andersherum?"
Mehr Flexibilität wird von den Arbeitgebern erwartet. Auch traditionsreiche Großunternehmen müssen sich auf neue Anforderungen einstellen. Anna Kaiser von Tandemploy erzählt, dass es gerade diese Firmen sind, die Interesse zeigen:
"Wir sind gerade dabei, alle großen Wirtschaftswunder-Firmen für uns zu gewinnen. Also dort ist es auch für unterschiedliche Bereiche spannend. Nicht für jeden Fließbandarbeiter irgendwie, der eigentlich in klassische Teilzeit gehen könnte. Aber wirklich für alle Stellen, die man in Vollzeit ausfüllen muss. Und das sind sehr, sehr viele bei den großen Unternehmen. Und da fehlt ihnen einfach nach wie vor ein flexibles Arbeitsmodell, was greift."
Rente - es wird für viele nur ein Begriff bleiben, kein Zustand werden. Immer schneller kommen Innovationen, Veränderungen und neue Anforderungen:
"Wir müssen einfach gucken, dass wir nachhaltig Unternehmenskultur und Wirtschaftsdenken aufbauen. Und das kann nur passieren, indem wir gucken: Wie haben wir glückliche und vor allem gesunde Mitarbeiter? Die einfach natürlich die wichtigste Ressource sind in unserem ganzen Land. Und auch die Zeit zu nutzen, die wir haben. Und bei jedem Menschen ist natürlich die wichtigste Ressource die Lebenszeit."
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