"Jerichow"

07.01.2009
"Jerichow" spielt in der Prignitz. Der aus der Türkei stammende Ali (Hilmi Sözer) ist dort Herr der Imbissbuden. Mit seinem Geld hat er das Herz seiner attraktiven Frau Laura (Nina Hoss) gewonnen. Doch als er sich auch die Freundschaft von Thomas (Benno Fürmann) erkaufen will, kommt es anders. Aus Laura und Thomas wird ein Paar.
Deutschland 2008, Regie: Christian Petzold, Hauptdarsteller: Nina Hoss, Benno Fürmann, Hilmi Sözer, ab zwölf Jahren

Zu Beginn schwenkt die Kamera aus einem Autofenster heraus auf einen jener gleichförmigen Nutzwälder, die man zuhauf im deutschen Osten findet. Christian Petzold ist ein Meister im Nachstellen von Realitäten. Er fängt die Wirklichkeit nicht ein, sondern er lässt sie mit jedem Bild neu entstehen.

In "Jerichow" ist diese Wirklichkeit irgendwo in der Prignitz angesiedelt, zwischen kargen Baumstämmen, Imbissbuden, Kleingewerbegebieten und Durchfahrtsstraßen. Auf ihren Wegen, die von Parkplätzen und Raststätten, zu zwei Häusern und zurückführen, verfolgt Petzold das Schicksal von Ali, seiner Frau Laura und Thomas.

Der aus der Türkei stammende Ali (Hilmi Sözer) ist der Herr der Prignitzer Imbissbuden, die er jeden Tag abfährt, deren Angestellte er argwöhnisch beobachtet und dabei jeden Cent der Einnahmen kontrolliert.

Einmal, wenn die Kamera durch seine modern eingerichtete Luxusküche gleitet, spürt man, dass sich hier jemand ein Leben gekauft hat. Und eine Frau. Wenn Ali Laura (Nina Hoss) eine Locke aus dem Gesicht streicht, dann mag die Art und Weise etwas offen Besitzergreifendes haben. Aber in der Geste steckt auch die ganze Tragik eines Daseins, das im Ökonomischen gefangen ist. Die Freundschaft zu Thomas (Benno Fürmann) will sich Ali ebenfalls erkaufen. Nachdem er durch besoffenes Fahren seinen Führerschein verloren hat, stellt er den Arbeitslosen als Fahrer ein. Offenbar möchte er ihn zum Verbündeten und Vertrauten machen, vielleicht auch zum Freund. Thomas' Erscheinen bringt jedoch das finanzielle und emotionale Arrangement zwischen Laura und ihrem Mann aus dem Gleichgewicht. Laura und Thomas verlieben sich ineinander.

Die Handlung von "Jerichow" erinnert an Viscontis Klassiker "L'ossesione". Großes, tragisches Kino trifft auf deutsche Realität: Wie verändert der Kapitalismus einen Landstrich, was macht er mit den Menschen? In fast jeder Szene des Films ist Geld zu sehen. Es wechselt den Besitzer, es wird gezählt und abgerechnet. "Jerichow" handelt von der Macht der Verhältnisse und von der Macht des Geldes. Von der totalen Ökonomisierung der Gefühle und Beziehungen.

Filmhomepage "Jerichow"