Jenny Valentine: "Durchs Feuer"

Brennende Lügengebäude

Ein unachtsamer Moment im Umgang mit Feuer kann schwerste Verletzungen nach sich ziehen
Iris ist Pyromanin. © imago/McPhoto
Von Sylvia Schwab · 25.05.2016
Die 16-jährige Iris ist Pyromanin. Ihr letztes Feuer zündet sie für ihren sterbenden Vater, den sie gerade erst kennen lernen konnte. Ein rasanter Jugendroman um ein Mädchen, das mit allen Mitteln um Wahrheit und gegen eine egomanische Mutter kämpft.
Iris ist Pyromanin. Am Beginn des Romans zündet sie ihr "bestes und letztes" Feuer. Für ihren Vater, den ihre Mutter ihr jahrelang vorenthalten hat und den Iris, kaum hat sie ihn gefunden, wieder verliert. Ernest stirbt an Krebs. Dieses letzte Feuer zeigt – wie alle vorherigen - wieviel Wut, Kraft und Eigenwille in der Sechzehnjährigen steckten.
Im Gegenteil zu ihrer egozentrischen Mutter Hannah, die viel auf Styling und Geld gibt, und dem Stiefvater Lowell, einem schnöseligen Schönling, ist Iris optisch eher unscheinbar. Dafür seziert sie mit scharfem Blick das oberflächliche Leben ihrer Mutter und deren Mann, in dem es zwischen kurzfristigen Erfolgen als Model und Schauspieler, Partys, Drinks und schönem Schein keinen Platz für Wahrheit gibt.
Als das glamouröse Paar (mal wieder) finanziell am Ende ist und Iris' Mutter erfährt, dass Iris' reicher Vater im Sterben liegt, versucht sie, Geld aus dem Drama zu schlagen. Damit aber fliegt ihr ganzes Lügengebäude auf: Anders als behauptet, hat Ernest seine Tochter nicht verlassen, sondern Hannah hat Iris entführt. Ernest hatte sie seitdem gesucht. Erfolglos!
Beim Wiedersehen bleibt den beiden nur noch wenig Zeit miteinander, aber sie nutzen sie. Am Ende steht ein Fanal, nicht nur ein Feuer, sondern auch ein völlig überraschender Coup des Verstorbenen, der Iris vom Regiment der Mutter befreit.

Rasant geschriebener Jugendroman

Jenny Valentines "Durchs Feuer" ist mehr als ein rasant geschriebener Jugendroman. Der Autorin geht es ums "Ganze": Um ein junges Mädchen, das mit seinen Mitteln - dem Feuer - gegen die Lebenslügen der Mutter ankämpft.
Aber auch um Iris' Liebe zum schrägen Thorston, den sie verliert, weil sie seine Liebeserklärung missversteht und ihn panisch zurückstieß. Und natürlich um Iris' späte, intensive Liebe zu ihrem Vater, den sie erst kennen lernen darf, als er schon im Sterben liegt.
Dass die Konstellation der Hauptakteure - die Pyromane Iris, das Ekelpaket von Mutter, der alberne Stiefvater, der liebevoll-geniale Thorston und der sterbende Vater - ein bisschen klischeehaft wirkt, ist schade. Fein differenziert sind Jenny Valentines Figuren wirklich nicht. Was wiederum damit zusammenhängt, dass Iris ihre Geschichte selbst erzählt, sie so erzählt, wie sie nun mal ist: frech, direkt, bissig – dabei voller Sensibilität für den sterbenden Vater.

Überraschende Einsichten

Rührseligkeit und Pathos liegen ihr fern. Dafür verfügt sie über eine gute Portion Humor. Und so entstehen dann doch eine Menge erstaunlicher Sprachbilder wie überraschender Einsichten, die wie schöne Kieselsteine im Text aufblitzen.
"Manchmal ist es die Unmöglichkeit von etwas, die es unwiderstehlich macht", begreift Iris, als ihr Vater stirbt. ("Es ist was es ist, sagt die Liebe", hat Erich Fried dasselbe formuliert.) Ganz und ungetrübt lieben wir vielleicht nur das, was wir nicht haben können.
Gut, dass dann doch Thorston wieder auftaucht. Damit hat Jenny Valentines Roman über Leben, Liebe, Lüge und Tod zwar kein Happy-End, aber einen sehr versöhnlichen, knallig-heiteren Schluss.

Jenny Valentine: "Durchs Feuer"
aus dem Englischen von Klaus Fritz
dtv, München 2016
222 Seiten, 14,95 Euro
ab 14 Jahren

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