"Jeder soll seinen Papst wählen"

Thomas Gschwend im Gespräch mit Nana Brink · 08.03.2013
Das Zentrum für Europäische Sozialforschung in Mannheim hat ein Online-Projekt zur Papst-Wahl gestartet. Die Idee sei, den Einfluss der Wahlsysteme auf die Stimmabgabe zu bemessen, sagt Projektleiter Thomas Gschwend.
Nana Brink: Wenn sich die Kardinäle einig sind, könnte nächsten Montag das Konklave beginnen, also die Wahl des neuen Papstes. 115 Kardinäle wählen den Papst, aber auch Sie können jetzt über das neue katholische Kirchenoberhaupt bestimmen, und zwar online auf der Internet-Seite www.voteforpope.net.

Im Spaß natürlich, aber ganz im Ernst untersucht ein internationales Forschungsteam auf dieser Seite, wie unterschiedliche Wahlsysteme das Wahlergebnis beeinflussen können und dass auch unterschiedliche Kandidaten, zum Beispiel für den Papst, dabei herauskommen können.
Am Telefon ist jetzt Professor Thomas Gschwend, der deutsche Projektleiter vom Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung. Schönen guten Morgen, Herr Gschwend!

Thomas Gschwend: Schönen guten Morgen!

Brink: Sie haben auch schon einen Papst gewählt?

Gschwend: Ja, ich habe auch schon einen Papst gewählt. Jeder soll seinen Papst wählen.

Brink: Jeder soll seinen Papst wählen. Das wollen wir auch gerne tun bei Ihnen auf der Internet-Seite und dann wollen wir erst mal wissen, wie funktioniert denn die Wahl bei Ihnen, bei 'Vote for pope!'?

Gschwend: Unsere Idee ist, dass wir mit so einer populären Wahl, weil jeder interessiert sich ja für die Papstwahl, weltweit wird die sehr genau beobachtet, dass wir da versuchen, die Idee, dass Wahlsysteme wo möglich einen Einfluss haben auf unsere Stimmabgabe, genauer zu bemessen. Die wollen wir da untersuchen.

Also, was wir da machen auf der Website ist, dass wir den Besuchern Informationen geben über verschiedene Wahlsysteme. Die können dann angeklickt werden. Und dann später, wenn es dann um die Online-Abstimmung geht, geht es darum: Nach jedem Wahlrecht, das dann angesagt wird, wird dann eine Abstimmung erfolgen, wo man dann praktisch seinen eigenen Kandidaten dann angeben kann, wen man denn wählen würde.

Brink: Können Sie uns das noch mal ganz praktisch erklären, welches Wahlsystem zu welchem Ergebnis geführt hat, wenn es denn wirklich sozusagen unterschiedliche Stimmverhalten gibt?

Gschwend: Ja. Wir sehen die Papstwahl im wesentlichen wie eine Wahl für ein Staatsoberhaupt, und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, so ein Staatsoberhaupt zu wählen. Man kann so was machen wie in Irland zum Beispiel. Da gibt es ein Wahlsystem, wo man nicht nur eine Stimme angibt, sondern man gibt sozusagen mehrere Rankings an für den einzelnen Kandidaten oder für die anderen Kandidaten.

Oder man macht es so wie in Mexiko zum Beispiel. Da gewinnt einfach der, der am meisten Stimmen bekommt. Oder als drittes Beispiel wie in Frankreich. Da gibt es zwei Runden. Da wird zuerst abgestimmt, und die besten beiden, die dann bei der ersten Runde rauskommen, die kommen in eine Stichwahl.

Brink: …, weil sie dann über 50 Prozent haben müssen?

Gschwend: Genau, um dann letztendlich auch einen Sieger zu bekommen, der über 50 Prozent hat. Nach dieser Regel, wie es in Mexiko im Moment stattfindet, die Präsidentschaftswahl, kann es gut sein, dass man da einen Präsidenten bekommt, der eben gerade nicht von der Mehrheit unterstützt wurde.

Brink: Haben Sie das auch schon mit Namen füllen können? Oder anders gefragt: Wie sieht es denn mittlerweile aus auf Ihrer Website? Welche Kandidaten liegen mit welchen Wahlsystemen da vorne?

Nicht immer der gleiche Kandidat liegt vorne
Gschwend: Das Interessante ist, dass tatsächlich nicht immer der gleiche Kandidat vorne liegt. Das sagt ja insbesondere, dass das Wahlrecht tatsächlich einen Einfluss darauf hat. Bei uns ist es so: Einmal in der Woche, jeden Montag um neun Uhr Ortszeit Rom, um das schön zu haben, werden wir jeweils die jeweiligen Ergebnisse bekanntgeben. Bis dort findet dann die Wahl statt jede Woche und dann steigt sozusagen der virtuelle Rauch auf und wir sehen das dann auf der Website.

Wir sind jetzt erst seit einer Woche online. In der letzten Woche gab es ein Kopfrennen. Je nach Wahlsystem war dann der Peter Turkson vorne, das ist der Kandidat aus Ghana, und der Kandidat aus Kanada, Marc Ouellet. Je nach Wahlsystem sind die jeweils vorne.

Brink: Sie haben gesagt, das Wahlrecht ist keine mathematische Petitesse.

Gschwend: Ja.

Brink: Also, wie können Sie dann den Einfluss von unterschiedlichen Wahlsystemen messen?

Gschwend: Wenn Sie jetzt online gehen, dann haben Sie bestimmte Vorstellungen, wer denn Ihrer Meinung nach der kommende Papst werden sollte, und Sie geben Ihre Stimme ab nach insgesamt, glaube ich, fünf verschiedenen Wahlsystem-Regeln.

Manchmal ist es ja eben so, dass man nicht nur den liebsten Kandidaten hat, sondern man muss auch sagen, wenn dieser Kandidat eben keine Chance hat, dann möchte ich den zweitliebsten Kandidaten und so weiter. So wird das zum Beispiel in Irland gemacht. Und dadurch kann es dann zu einer gewissen Variation natürlich kommen zwischen den einzelnen Wahlregeln, die wir da untersuchen.

Brink: Sie haben sich das ja nicht aus Spaß ausgedacht, sondern was steckt hinter der Internet-Seite? Gibt es einen praktischen Nutzen, den Sie dann Regierungen anheim stellen, oder wen beraten Sie da?

Einfluss der Leihstimmen untersucht
Gschwend: Ja, das ist ein internationales Forschungsteam. Wir untersuchen Wahlen in Kanada, in Frankreich, in Spanien, in Deutschland. Da bin ich jetzt verantwortlich dafür. Unsere generelle Frage ist zu schauen, inwiefern das einen Einfluss hat darauf, wie dann politische Akteure sich verhalten, Parteien ihren Wahlkampf beispielsweise organisieren, gibt es Koalitionsaussagen, in manchen Systemen gibt es die, in anderen gibt es die nicht, und welchen Einfluss hat das denn jetzt auf die Wahlentscheidung der Wähler. Jetzt haben wir gerade die Niedersachsen-Wahl angeschaut genauer, die da war, und da ist die Frage: Ist es denn so, ob diese Leihstimmen-Kampagne da einen großen Einfluss gemacht hat oder eben nicht.

Brink: Und hat sie?

Gschwend: Wir haben noch keine Individualdaten, die kommen erst nächste Woche leider. Aber im Moment kann man schon sagen, die Aufregung über die Leihstimmen-Kampagne verstehe ich eigentlich nicht bei der CDU, weil wenn man sich das Endergebnis anguckt: Wenn die sich ein bisschen besser koordiniert hätten mit der FDP, wenn in zwei Wahlkreisen, ich glaube, 300 Stimmen mehr FDPler der CDU ihre Stimme gegeben hätten, dann hätten die ein zusätzliches Direktmandat, und dann wäre es eine schwarz-gelbe Regierung geworden.

Brink: Gehen wir noch mal zurück nach Rom. Gehen Sie denn mit Ihren Erkenntnissen auch in den Vatikan? Da denke ich mir, könnte ein schwerer Kunde sein.

Gschwend: Also, da habe ich jetzt noch keine Kontakte in den Vatikan. Ich glaube, die verschließen sich im Moment noch völlig. Aber ist doch schön, wenn man hier sozusagen dieses aktuelle Ereignis hat. Als wir das Forschungsprojekt angelegt hatten, war das natürlich nicht auf unserem Terminplan. Wir haben einen Terminplan für Landtagswahlen, Europawahlen, Bundestagswahlen, und das in verschiedenen Ländern. Aber dann kam natürlich diese Wahl dazwischen, dann haben wir uns natürlich schnell flexibel entschieden, da auch so was aufzusetzen.

Brink: Thomas Gschwend, der deutsche Projektleiter vom Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Gschwend.

Gschwend: Danke.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.