"Jede Menge Unsicherheit bei Investoren" wegen der Energiewende

Stephan Weil im Gespräch mit Nana Brink · 21.03.2013
Vor dem Energiegipfel mit der Kanzlerin hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor der "nächsten Preiswelle für die Verbraucher" gewarnt. Die Bundesregierung habe eineinhalb Jahre nichts getan und versuche nun eine Hauruck-Aktion beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Nana Brink: Wenn am heutigen Donnerstag die Kanzlerin alle 16 Länderchefs und -chefinnen zum Energiegipfel in Berlin empfängt, dann muss man kein Prophet sein, um eines schon vorab zu wissen: Eine Einigung beim Thema Strompreisbremse, wie sie Bundesumweltminister Altmaier will, wird es sicher nicht geben. Bereits am Dienstag haben sich ja die Ministerpräsidenten getroffen und sind ohne Einigung auseinandergegangen. Und am Telefon ist jetzt Stephan Weil, seit einem Monat SPD-Ministerpräsident in Niedersachsen. Einen schönen guten Morgen, Herr Weil.

Stephan Weil: Guten Morgen.

Brink: Sie haben vehement für eine Senkung der Stromsteuer um 25 Prozent plädiert. Sind Sie sich da eigentlich alle einig, alle rot-grün und grün-rot regierten Länder?

Weil: Wir werden uns immer einiger. Ich glaube, es wird deutlich, dass in dieser verfahrenen Lage, in der wir uns bei den Energiepreisen befinden, tatsächlich das der beste Weg ist. Alle wollen ja dasselbe. Wir wollen, dass jetzt nicht im Herbst die nächste Preiswelle über die Verbraucher rollt. Und wenn die Bundesregierung sagt, wir wollen die Verbraucher um 1,8 Milliarden Euro entlasten, dann sage ich: Gute Sache, der Weg, den wir vorschlagen, ist allerdings viel klüger als der, den die Regierung vorschlägt.

Brink: Darauf möchte ich gleich zu sprechen kommen. Trotzdem, von einer Einigung ist man ja doch noch weit entfernt, das müssen ja selbst Sie zugeben jetzt. Zumindest auch in Ihren eigenen Reihen.

Weil: Ich möchte ganz gerne abwarten. In den Kreisen der rot-grünen Länder, da verdichtet es sich tatsächlich, dass man eben einen Akzent auf das Thema Steuern legen muss. Das ist ja auch ein unmittelbarer Reflex auf die wirklich harsche und auch berechtigte Kritik, die die Bundesregierung mit ihren Vorschlägen hervorgerufen hat, wo es ja auf einen Schlag gelungen ist, gleich drei Gruppen in Angst und Schrecken zu versetzen: Diejenigen, die bis jetzt in die erneuerbaren Energien investiert hatten und die fürchten, es würde rückwirkend in ihre Rechtsposition eingegriffen, diejenigen, die erwägen, in erneuerbaren Energien zu investieren und sich fragen, wie verlässlich sind denn die Rahmenbedingungen, und schließlich und nicht zuletzt – das macht mir übrigens mit am meisten Sorgen – die Industrie, die sich fragt: Was heißt das eigentlich an künftigen Belastungen für uns? Für die Stahlindustrie, um nur ein konkretes Beispiel zu nennen, ist das ein geradezu existenzielles Thema.

Brink: Bundesumweltminister Altmaier will ja den Strompreisanstieg begrenzen, dafür die Umlage für erneuerbaren Energien, die jeder Stromkunde zahlt, deckeln und gleichzeitig die Ausnahmen für die Industrie reduzieren. Das ist sein Plan. Ein Plan, der müsste Ihnen als Sozialdemokrat doch eigentlich in die Hände spielen?

Weil: Wenn wir es vielleicht ein wenig voneinander unterscheiden: Es ist in der Tat richtig, im Moment werden einfach viel zu viele Unternehmen entlastet bei den Strompreisen. Mir kann doch kein Mensch erklären, warum Rechenzentren von Sparkassen entlastet werden müssen. Das ist aber eine Aufgabe der Bundesregierung, jetzt mal zu erklären, nach welchen Kriterien welche Unternehmen künftig nicht mehr entlastet werden sollen. Das hat die Bundesregierung bis jetzt nicht gesagt, mit dem Ergebnis, dass nun alle in größter Sorge sind. Mich erreichen tatsächlich täglich Schreiben von wirklich wichtigen und sehr seriösen Unternehmen, die sagen: Wir fürchten das Schlimmste.

Diese Unsicherheit muss weg. Der andere Punkt ist die Frage, wie geht es eigentlich mit den erneuerbaren Energien weiter? Das ist nun wirklich ein kompliziertes Thema, und nachdem die Bundesregierung leider anderthalb Jahre lang nichts getan hat, um zu einer echten Reform dieses Gesetzes über erneuerbare Energien zu kommen, versucht sie es jetzt mit einer Hauruck-Aktion. Und damit wiederum sorgt sie für jede Menge Unsicherheit bei Investoren. Und wenn die Energiewende gelingen soll, dann werden viele Investoren viel Geld investieren müssen.

Brink: Aber sind denn viele Investoren nicht auch verunsichert nach Ihrer Methode? Weil Sie wollen ja auch nicht sozusagen an dem Preis, sondern an der Steuer drehen.

Weil: Ja, das ist, glaube ich, etwas, was Investoren richtig finden. Denn das lässt die Marktverhältnisse unberührt, es reduziert nicht das Vertrauen in die Rahmenbedingungen des Staates, und im Übrigen, da wird nicht gerne drüber geredet von dem Finanzminister, aber das ist eben so: Bis jetzt hat der Staat bei jeder Strompreiserhöhung gleich mitverdient über die Mehrwertsteuer. Und das ist nun nicht Sinn der EEG-Umlage, dass damit auch der Staatsaushalt weiter verbessert werden soll. Und mein Vorschlag ist an dieser Stelle, das zurückzugeben, was der Staat gewissermaßen als Trittbrettfahrer der erneuerbaren Energien zusätzlich eingenommen hat.

Brink: Aber wie sieht Ihr Vorschlag genau aus?

Weil: Der ist eigentlich sehr einfach. Und die einfachen Vorschläge sind ja nicht selten eigentlich die besten. Es gibt einen Anteil von etwa 25 Prozent erneuerbarer Energien am Strom. Wenn wir sagen, diese Art von Stromerzeugung wird freigestellt von der Stromsteuer, dann sinkt die Stromsteuer um etwa ein Viertel. Und das sind – übrigens etwas mehr, aber ziemlich genau – die 1,8 Milliarden Euro, die auch die Bundesregierung zur Entlastung der Verbraucher erzielen will. Und deswegen sage ich: Das Ziel, das teile ich, ich habe den besseren Vorschlag, wie man das Ziel erreichen kann!

Brink: Wenn Ihr Vorschlag so gut ist, warum sagt dann zum Beispiel Torsten Albig – und ich komme jetzt noch mal auf die Einigkeit zurück innerhalb auch der rot-grün regierten Länder, das ist der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein –, er ist gar nicht grundsätzlich gegen eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes? Also, er sagt ja, wir können ruhig an dem Strompreis drehen, wir müssen uns gar nicht mit der Steuer beschäftigen.

Weil: Das teile ich ganz und gar. Ich glaube auch, dass das Gesetz über die erneuerbaren Energien reformiert werden muss. Das war sehr gut zur Einführung der neuen Energieerzeugung, um das überhaupt erst einmal verbreiten zu können. Aber jetzt sind wir bei einem Anteil von 25 Prozent und nach und nach werden die Erneuerbaren in den Markt integriert werden müssen. Nur, das kann man nicht mit einer Hauruck-Aktion machen. Das kann man nicht machen, indem man einfach den Schalter umlegt, sondern dafür muss man wiederum verlässliche Übergangskorridore schaffen. Und nachdem die Bundesregierung leider – ich sagte es – anderthalb Jahre nichts gemacht hat in der Hinsicht, ist es unrealistisch anzunehmen, das werde ausgerechnet jetzt, ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen, gelingen.

Brink: Gut, aber da sind wir ja schon mitten im Wahlkampf, und zum 1. August sollte ja eigentlich eine Strompreisbremse in Kraft treten.

Weil: Ja.

Brink: Was passiert denn jetzt?

Weil: Also, ich hoffe, dass wir uns verständigen können. Ich teile ja ausdrücklich das Ziel, dass wir die Strompreise begrenzen müssen. Ich bin auch der Auffassung, diese 1,8 Milliarden Euro, die Herr Altmaier vorgegeben hat, das ist eine richtige Größenordnung. Mein Vorschlag ist, sehr schnell und präzise zu handeln und das Ziel auch pünktlich zum Herbst zu erreichen.

Brink: Also, es geht nur um den Weg, es geht nicht um die Tatsache an sich?

Weil: So ist es. Und die Bundesregierung hat einen Weg vorgelegt, der führt tatsächlich zu vielen, vielen Schäden. Wir schlagen einen Weg vor, der schnell ist, der pragmatisch geht und der funktioniert.

Brink: Also, ein Einlenken Ihrerseits ist nicht zu erwarten?

Weil: Ach, wissen Sie, wenn jetzt die Bundesregierung auf einmal einen besseren Vorschlag bringen würde, würde ich sofort mit mir reden lassen.

Brink: Was wäre denn der bessere Vorschlag?

Weil: Na, also, einen besseren als den, den ich Ihnen gerade dargestellt habe, kenne ich nicht. Aber wenn es ihn gäbe, ich wäre ja sofort gesprächsbereit! Ich kann Ihnen nur sagen, der Vorschlag, den die Bundesregierung bis jetzt auf den Tisch gelegt hat, der richtet mehr Schaden an, als dass er nutzt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Stephan Weil, SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Niedersachsen
Stephan Weil© picture alliance / dpa / Holger Hollemann
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