Jean-Philippe Blondel: "Die Liebeserklärung"

Wenn der Hochzeitsfotograf zum Beichtvater wird

Jean-Philippe Blondel: "Die Liebeserklärung"
Die französische Presse bezeichnet die Romane von Jean-Philippe Blondel als "intimistisch". © Zsolnay Verlag; Montage: DKultur
Von Carolin Fischer · 03.04.2017
Der Held im Roman "Die Liebeserklärung" des französischen Schriftstellers Jean-Philippe Blondel jobbt als Hochzeitsfilmer. Er steckt selbst in einer Krise. Während des Drehs entlockt er den Menschen intime Bekenntnisse vor der Kamera.
Die französische Literatur des letzten Jahres hat uns eine ganze Reihe extremer Persönlichkeiten beschert: Sexmaniacs, Depressive, Paranoiker und Tsunami-Überlebende waren darunter. Jean-Philippe Blondel hingegen führt uns mit schöner Regelmäßigkeit in die französische Provinz, zu absoluten "Normalos", deren Leben er überdies in einem entspannten, mitunter fast lakonischen Stil erzählt. So spielt die Bewältigung des Alltags in seinen von der französischen Presse als "intimistisch" bezeichneten Romanen eine nicht unwesentliche Rolle.
Dieser Alltag findet für Corentin, den Protagonisten seines neusten Romans "Die Liebeserklärung" vor allem dann statt, wenn alle anderen sich am Wochenende entspannen -oder sogar "den schönsten Tag des Lebens" verbringen. Denn er jobbt bei seinem Patenonkel als Hochzeitsfilmer. Dieser ausgefalle Beruf ermöglicht es dem Autor, Miniaturen von Menschen in einer völlig geläufigen, aber dennoch außerordentlichen Situation zu zeichnen. Sie alle blieben mehr oder weniger in Klischees befangen, wäre da nicht Corentin, dem es immer wieder gelingt, innerhalb des konventionellen Rahmens der Hochzeitsfeiern die Brautleute auf eine Weise zum Sprechen zu bringen, die plötzlich eine ganz individuelle Facette ihrer Persönlichkeit aufscheinen lässt.

Wechselnde Freundinnen

Gerade dieses "Herauskitzeln" der unbekannten Seiten, des Unausgesprochenen reizen den jungen Mann an seinem Beruf. Denn insgesamt scheint sein Leben in einer Sackgasse zu stecken: Der Job füllt ihn nur saisonal aus, und seine wechselnden Freundinnen beginnen sich schnell zu langweilen, wenn er am Wochenende arbeiten muss. Doch dann gelingt es ihm, sein Projekt zu realisieren: Er bringt verschiedene, ihm nahestehende Menschen vor seine Kamera, damit sie von sich selbst zu sprechen und dort ihre Meinungen, Zweifel und Hoffnungen preisgeben. Diese intimen Bekenntnisse sind kursiv zwischen die Ereignisse auf den verschiedenen Hochzeitsfeiern eingeschoben. Sie bilden einen starken Kontrast zu dem Bild, das Corentin sich von seinen Eltern, dem Patenonkel oder seinem besten Freund gemacht hatte.

Mosaik eines Lebens in der Provinz

Aus vielen Mosaiksteinchen ergibt sich so das Bild eines Lebens in der Provinz, das so gar nichts Besonderes zu bieten scheint und dennoch für jede der Figuren einzigartig ist. Ein Leben, das als solches kleine und mitunter größere Überraschungen bietet - für die Figuren selbst, vor allem aber für Corentin, dem sie sich öffnen. Über seinen Protagonisten gelingt es dem Autor, seine skizzenhaften, aber dennoch präzisen Personenzeichnungen in einem Spannungsbogen miteinander zu verbinden. Die Ausschnitte aus den verschiedenen Lebenswegen seiner Figuren stellt er so prägnant dar, dass sich der Leser in ihnen wiederfinden kann. Im Guten wie im Schlechten.

Jean-Philippe Blondel: "Die Liebeserklärung"
Deutsch von Anne Braun
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017
160 Seiten, 18 Euro

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