Jean Marais

Immer nur amüsiert

Von Björn Stüben · 11.12.2013
Vor 100 Jahren wurde der französische Schauspieler Jean Marais geboren. Als jungen und vor allem gut aussehenden Schauspieler entdeckte ihn Jean Cocteau für den avantgardistischen Film. Später überzeugte Marais in Werken von Luchini Visconti oder Jean Renoir.
Ein blendend aussehender, blonder Orpheus weckt behutsam die angebetete Euridyke. 1949 hatte Jean Cocteau die antike Sage in die Gegenwart verlegt und die Titelrolle seines Films „Orpheus“ mit seinem knapp 25 Jahre jüngeren Lebenspartner Jean Marais besetzt. Kennengelernt hatten sich beide 1937 beim Vorsprechen für Cocteaus Theaterstück Ödipus Rex, mit dem Marais‘ Theater- und Filmkarriere begann. An seinen Partner und Förderer Cocteau erinnerte sich Marais später:
„Als ich ihn kennenlernte, dachte ich zuerst nur an meine Karriere. Aber wer ihn näher kannte, musste ihn einfach lieben. Diejenigen, die ihn verachteten, waren oft nur neidisch, weil er derart intelligent und brillant war.“
Jean Marais, am 11. Dezember 1913 in Cherbourg geboren, versuchte sich Anfang der 30er Jahre als Statist in den ersten französischen Tonfilmen von Marcel L‘Herbier. Seine physische Präsenz beeindruckte, doch an der schwach ausgebildeten Stimme litt er sein Leben lang. So ließ ihn auch Cocteau in Ödipus Rex keinen Text sprechen. 1937 schaffte Marais den Eintritt ins Conservatoire d‘art dramatique, der wichtigsten Pariser Schauspielschule, nicht. Im besetzten Frankreich spielte er 1943 im Film „Der ewige Bann“. Darin hatte Cocteau den „Tristan und Isolde“-Stoff verarbeitet. Eine Schlägerei mit einem einflussreichen, mit den deutschen Besatzern kollaborierenden Filmkritiker, ließ Marais in Schaupielerkreisen zu einer Symbolfigur des Widerstands werden. Nach dem Krieg erntete er zunächst Lorbeeren bei den Filmfestspielen in Cannes für seine Doppelrolle in Cocteaus Märchenfilm „La Belle et la bête“.
Er spielte die hässliche Bestie, die die Nähe zu Belle, der schönen Kaufmannstochter, sucht. Und natürlich auch den attraktiven Prinzen, in den sich die sterbende Bestie am Ende verwandelt. Über die eigene Schönheit sagte Marais einmal:
„Man sagte mir, ich sähe gut aus. Also habe ich mich zuhause direkt vor den Spiegel gestellt. Doch ich konnte nicht begreifen, was an mir schön sein solle. Aber dann dachte ich mir, einverstanden, lassen wir die Leute eben meinen, dass ich gut aussehe.“
Ende der 40er Jahre wurde Marais als bis dato jüngster Schaupieler ins Ensemble der Comédie Francaise aufgenommen.
In Racines „Brittanicus“ spielte er den Kaiser Nero und führte auch selbst Regie. Doch schon bald, nach einem Zerwürfnis mit der Direktion, endete sein Engagement an der Comédie. Mit Beginn der 50er Jahre entfernte sich Marais auch von Cocteau und wirkte jetzt vor allem in Spielfilmen von Luchino Visconti oder Jean Renoir mit. Ein Kassenschlager wurde 1954 sein Graf von Monte Cristo. Als Abenteurer im Mantel-und-Degen-Genre wirkte Marais unglaublich sportlich.
Die Erfolge im Theater bedeuteten Marais aber stets mehr als seine Arbeit mit den wichtigsten Filmregisseuren der Zeit. Mitte der 70er Jahre zog er sich nach Südfrankreich zurück. Nur noch wenige Kinorollen sollten folgen, doch auf der Theaterbühne stand er weiterhin. Als Regisseur inszenierte er in den 80er Jahren vor allem Stücke des 1963 verstorbenen Freundes Cocteau. Über seine Passion als Schauspieler meinte Marais rückblickend:
„Ich hatte einen Beruf, den ich liebte, aber ich habe ihn nie wirklich als Beruf oder gar als Arbeit empfunden. Das ist natürlich eine Schande denjenigen gegenüber, die tagtäglich arbeiten gehen müssen. Ich schäme mich dafür, dass ich nie wirklich gearbeitet, sondern mich eigentlich immer nur amüsiert habe.“
Jean Marais starb am 8. November 1998 in Cannes an der Côte d‘Azur.
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