Jazzpianist Achim Kaufmann

Von der Inspiration des musikalischen Moments

Von Jan Tengeler · 29.06.2015
Achim Kaufmann ist einer der interessantesten deutschen Jazzpianisten: Sein Spiel wechselt zwischen freier Improvisation, Neuer Musik und europäischer Klassik. Jetzt ist seine neue CD "Later" erschienen - mit Eigenkompositionen und Interpretationen anderer Künstler.
„Es gibt eine Lieblingsaufnahme von Dylan, da trat er solo auf, aber auch mit seiner elektrifizierten Band, er wurde als Judas beschimpft und so weiter. Das ist für mich wie Monk, es ist sehr raw, intensiv, an der Grenze zum Umkippen. Es ist sehr emotional, intensive Live-Musik: Das hat mich genauso beeinflusst wie Jazzaufnahmen. Ich habe versucht, das zu transformieren auf Klavier.“
Was allerdings nicht ganz leicht gewesen sei, erläutert Achim Kaufmann weiter: Nicht nur, weil Dylan ein Folkmusiker ist und kein Jazzer, sondern auch weil die Harmonik auf einem Klavier ganz anders funktioniert als auf der Gitarre. Der in Berlin lebende Musiker bewegt sich auf dem schwer zu definierenden Feld zwischen klassischem Jazzvokabular, Neuer Musik, freier Improvisation und europäischer Klassik. Ein Folksänger passt da eigentlich nicht ins Bild – es sei denn, er erinnert an Thelonius Monk, jenem schrägen Jazzvogel, von dem Kaufmann den passenden Titel ‚Misterioso’ neu interpretiert.

„Da hat es nicht gereicht, einfach ein Lead Sheet zu spielen und das ist das Stück. Dafür ist das Material zu heavy, da ist zuviel drin. Man kann jetzt ja auch nicht einfach Monk kopieren, das geht auch nicht, sondern man muss das für sich erarbeiten, durchs Spielen, man muss das sehr gut kennen. Dann irgendwann hat man es verinnerlicht, dann funktioniert das Stück für einen selbst."
Schwelgen in den Klängen der Vorbilder
Musik verinnerlichen – man kann sich gut vorstellen, wie der introvertierte Achim Kaufmann zu Hause stundenlang in den Klängen seiner Vorbilder schwelgt und sich auch in seinen eigenen Phantasien verliert. Auf seiner Solo CD ‚Later’ versucht er, den Hörer an diesem intimen Prozess teilzuhaben.
„Die Idee war es, eine informelle Situation zu inszenieren. Es ist im Studio künstlich, man ist nicht mit Publikum, sondern man ist allein. Das ist eine trockene Situation. Es ist schwer in einen Fluss reinzukommen. Man muss daran arbeiten, man geht von Spontaneität aus, man versucht sie herzustellen oder die Illusion davon. Es war ein Pool von 50 Kompositionen, die ich spielen wollte, ich wollte den Moment abkürzen in dem man nachdenkt, was spiele ich als nächstes. Was fühlt sich jetzt in diesem Moment an, was kommt jetzt.“
Variationen auf die Musik Hanns Eislers
Was als Nächstes kommt, das lässt sich bei Achim Kaufmann tatsächlich kaum vorhersehen. Es gilt sowohl für seine eigenen Kompositionen, fünf von den 12 Stücken auf seiner neuen CD stammen aus seiner Feder, wie auch für seine Interpretationen anderer Künstler. Neben Jazzklassikern wie Thelonius Monk, Duke Ellington oder auch dem Saxofonisten Michael Moore, fällt dabei ein weiterer Name aus dem Rahmen, nämlich der von Hanns Eisler
„Erstens ist es mir wichtig, nicht nur amerikanische Komponisten zu haben und diese ganze Brecht/Eisler war ein wahnsinniges Gespann. Eisler in der Art, wie er die Texte umgesetzt hat, natürlich auch wegen der Geschichte der beiden, als Exilanten in Hollywood und MacCarthy, das Lied ist im Hollywood Songbook drin. Für mich ist es musikalisch interessant, es ist Widerspruch in der Musik. Sie ist komplex, die ganzen Einflüsse, was da an in den Text reinkommt, die Emotionalität, die Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Es ist dadurch eine aufgeladene Musik, und es sind gute Songs, darum fand ich es passend.“
Die Sprache der Musik
Wie viel denn noch von Bob Dylan oder dem Duo Brecht/Eissler übrig bleibe, wenn der Text wegfällt - das ist eine Frage, die sich Achim Kaufmann auch selbst stellt. Eine klare Antwort kann er indes nicht in Worte fassen - dafür habe er ja die Musik. ‚Stille Wasser sind tief’, dieser Eindruck wird nach einem Gespräch mit dem Pianisten noch verstärkt.
Und so ist die CD ‚Later’ tatsächlich das geworden, was sie auch für Kaufmann im Titel reflektiert: ein spielerischer Umgang mit dem Tonmaterial, das bei aller abgeklärter Kenntnis voll spontaner Emotionalität und atmosphärischer Dichte bleibt.