Jazz

"Mein Gehirn bringt 24 Stunden am Tag Musik hervor"

Der Jazzgitarrist Pat Metheny steht bei einem Auftritt am 4. August 2012 beim Newport Jazz Festival auf der Bühne und spielt Gitarre.
Feiert 60. Geburtstag: Der Jazzgitarrist Pat Metheny - hier bei einem Auftritt am 2012 © AFP / EVA HAMBACH
Von Johannes Kaiser · 12.08.2014
Als Protest gegen ständige Vergleiche mit dem Trompete-spielenden Bruder griff Pat Metheny zur Gitarre - inzwischen ist er einer erfolgreichsten Jazzmusiker unserer Zeit. Er extrahiere, was in seinem Gehirn an Melodien vorbeifließt und verwandle es in Realität, sagt der Musiker. Am 12. August 1954 wurde er in Missouri geboren.
"Mein älterer Bruder Mike brachte, als ich elf war, eine Miles Davis Platte mit nach Hause. Die zu hören änderte für mich alles. Es war, als wenn eine Glühbirne angeknipst würde, sobald ich das gehört hatte: Was ist das denn? Damit betrat ich die Welt des Jazz, wollte einfach alles lernen und wurde wahrscheinlich der jüngste Jazzsnob der Welt. Ich machte mir reinweg gar nichts aus Popmusik, lebte komplett in der Jazzwelt und übte viele Stunden am Tag, um die Sprache des Jazz zu finden."
In einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Großvater, Vater und älterer Bruder Trompeter waren, stand für Pat Metheny frühzeitig fest, dass er Musiker werden wollte. Zwar lernte auch er Trompete spielen, aber als Protest gegen ständige Vergleiche mit dem größeren Bruder griff er zur Gitarre. Schon bald war er ein so guter Gitarrist, dass er mit allen Jazzmusikern, die durch Kansas City kamen, auf der Bühne stand. Nach der Schule ging er dann an die Universität von Miami, um Musik zu studieren.
"Eine bestimmte Form melodischer Unvermeidbarkeit"
Doch er hatte bereits so viel gelernt, dass man ihn rasch vom Studenten zum Dozenten beförderte. Dort entdeckte ihn der Vibrafonist Gary Burton und holte ihn sich in seine Band. Pat Metheny schwärmt noch heute von dieser Gruppe. Gut drei Jahre sammelte er Erfahrungen, bevor er eine Band gründete, um seine eigene Musik spielen zu können. Seitdem kennt seine Karriere eigentlich nur Höhepunkte. Doch er ist nie abgehoben, hat keine Starallüren. Ein Vollblutmusiker, der allein seiner musikalischen Intuition folgt:

"Ich denke, die Qualität, nach der ich suche und die besten Stücke kommen dem ziemlich nahe, ist eine bestimmte Form melodischer Unvermeidbarkeit, wenn man in einer Melodie an einen Punkt kommt, an dem alle Noten nur eben diese sein können, man nichts mehr an der Struktur des Liedes ändern kann. Es ist für mich viel einfacher geworden, Ideen umzusetzen und zwar mithilfe von Computern, aber das hat überhaupt nichts daran geändert, dass man immer noch eine Melodie, eine Harmonie und einen Rhythmus finden muss, die den Maßstäben der großen Musik der letzten paarhundert Jahren standhalte. Und das ist schwer und es wird für mich nicht etwa einfacher, sondern nur schwerer, denn meine Maßstäbe dessen, was akzeptabel ist, steigen mit den Jahren ständig an."
Stets offen für Klangexperimente
Um gut improvisieren zu können, braucht man gute Mitspieler. Pat Metheny hat stets nach jungen Talenten Ausschau gehalten und sie in seine Band geholt. Entscheidend ist ihre Fähigkeit zu improvisieren, denn das ist für den Gitarristen die Seele des Jazz:
"So viel ich auch über kompositorische Elemente grüble, so dienen sie doch alle nur dazu, eine Umgebung zu schaffen, die Improvisation stimuliert. Und natürlich bin ich neugierig auf die Klangfarben, die Form, die unendlichen Möglichkeiten, Konditionen zu schaffen, die einen Improvisator inspirieren können. Aber alles dreht sich nur um die Vorstellung, dass Improvisation die zentrale Aufgabe ist."

Auch wenn man den Gitarrenklang Pat Methenys sofort erkennt, so war und ist er doch stets offen für Klangexperimente, hat sich ungewöhnliche Gitarren bauen lassen und sogar ein allein von ihm zu bedienendes Orchester geschaffen. Musik ist sein Leben, keine Frage:

"Mein Gehirn bringt im Prinzip 24 Stunden am Tag Musik hervor. Bei jeder Melodie, die jemals dabei herauskommt, nehme ich einfach nur auf, was in der Sekunde da vorbeifließt, und extrahiere es - hoffentlich ohne es zu zerstören - und verwandle es in Realität."