Jaimeo Brown: "Work Songs"

Musik aus harter Körperarbeit

Sklaven im Jahre 1895 vor ihrer Hütte auf einem Baumwollfeld.
"Worksongs" waren die Lieder der Sklaven. Jaimeo Brown erweist ihnen Referenz. © Imago / UIG
10.02.2016
"Worksongs" – das waren ursprünglich die Lieder, die die Sklaven auf den Baumwollfeldern gesungen haben. Davon ließ sich der amerikanische Schlagzeuger Jaimeo Brown für sein neues Album inspirieren. Dazu sampelte er Arbeiterlieder aus anderen Teilen der Welt.
Für seine neue CD "Work Songs" hat er New Yorker Jazzmusiker Jaimeo Brown in verschiedenen Archiven nach Aufnahmen alter "Arbeiterlieder" gesucht, um sich von ihnen inspirieren zu lassen und sie in seine eigene, zeitgemäße Klangsprache zu bringen.
"Work Songs – Arbeiterlieder – stehen in direkter Verbindung zu den Spirituals, mit denen ich mich auf meiner ersten CD befasst habe. Aber Work Songs sind noch mehr: Sie sind die Grundlage des Blues und im weiteren Sinne die Grundlage all dessen, was wir heute als Black Music wahrnehmen. Es geht um die Kraft der Musik, die es den Sklaven auf den Baumwollfeldern ermöglicht hat, zu überleben. Aber es geht auch um die Verbindung von Arbeit und Musik auf der ganzen Welt."
Den Blues hört man Stücken wie "Mississipi" deutlich an. Weniger deutlich ist dagegen, was an dem Stück eine alte Originalaufnahme ist und was die Musiker um Jaimeo Brown heute dazu aufgenommen haben. Tatsächlich ist es eine der wenigen Songs ganz ohne Sampling, Brown eignet sich hier also nur die Stilistik alter Bluesnummern an. Anders dagegen ist das Vorgehen in dem Stück "Stonemason", das auf Gesängen und dem Klopfen japanischer Steinmetze beruht.
"Es gibt ganz unterschiedliche Typen von Liedern, schließlich gibt es ja auch ganz unterschiedliche Arten von Arbeit. Aber für eine bestimmte Art körperlicher Betätigung ist ein wiederkehrender Rhythmus von entscheidender Bedeutung. Etwa bei den Menschen, die im Eisenbahnbau gearbeitet haben. Sie haben mit einem riesigen Hammer die Eisenschienen befestigt. Das ging am besten mit einem gleichmäßigen, ostinaten Rhythmus, fast wie bei einem Mantra. So etwas interessiert mich als Schlagzeuger natürlich ganz besonders."
Neueste Technik mit größter Spielfreude
Jaimeo Brown ist aber nicht nur Schlagzeuger, sondern auch Klangtüftler und Komponist. Die Samples, egal ob sie aus Japan oder den USA stammen, werden auf unterschiedlichste Weise in das aktuelle Klanggeschehen eingebaut. Manchmal sind sie so geschickt verarbeitet, dass man sie als solche nicht erkennt, dann wiederum bilden sie den Ausgang für eine Improvisation im besten Jazzsinne. Gelegentlich aber wirken sie nur wie eine bloße Klangfolie zeitgemäßer Popmusik-Ästhetik.
Stark sind die Stücke von Brown immer dann, wenn sich seine unterschiedlichen Arbeitsweisen miteinander verschränken, wenn die Samples im Laufe eines Songs verschiedene Formen annehmen und sich umgekehrt auch die neu aufgenommene Musik in unterschiedlicher Weise auf einen historischen Klangschnipsel bezieht.
Respekt gegenüber dem Ursprungsmaterial
Stets ist Brown bemüht, neueste Technik mit größtmöglicher Spielfreude zu verbinden, ohne dabei den Respekt gegenüber dem Ursprungsmaterial zu verlieren. Ganz im Gegenteil: Brown will mit seinem Album "Work Songs" darauf aufmerksam machen, unter welch harten Bedingungen die afro-amerikanischen Musiktraditionen entstanden sind, die so wichtig auch für die junge HipHop-Generation von heute sind.
Dieser intellektuelle Überbau, den Brown auf seiner Webseite und im Booklet zur neuen CD nicht ohne einen gewissen Pathos mitliefert, lässt sich durch die Musik allein allerdings nicht erschließen.
"Das ist ja schwere Kost, die ich hier verarbeite. Aber am Ende des Tages möchte ich ja auch, dass man meine Musik gerne hört. Und ich komme nicht mit dm Zeigefinger oder einer politischen Moralkeule. Die Themen, die ich anspreche, sind anthropologische Konstanten und haben eine allgemeingültige spirituelle Dimension. Natürlich haben sie auch eine politische Komponente, aber das brauche ich ja nicht extra zu erwähnen. Meine Arbeit ist im besten Falle politisch, ohne es ausdrücklich sein zu wollen."

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