Jahresausblick in den Ländern

Die Bayern feiern ihr Bier und in Mainz gibt's ein Frauen-Duell

Maß Bier in Bayern
Bayern feiert dieses Jahr 500 Jahre Reinheitsgebot. © picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Von Michael Watzke und Anke Petermann  · 04.01.2016
Was sind die Bayern nicht Stolz auf ihr Bier und das dazugehörige Reinheitsgebot, das 500 Jahre alt wird. In Rheinland-Pfalz sind hingegen Landtagswahlen. Im Mainzer Landtag will CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner SPD-Ministerin Malu Dreyer im Amt beerben.
Wenn man Dr.Richard Loibl fragt, wie die Integration von hunderttausenden Flüchtlingen in Bayern 2016 gelingen kann, dann zitiert der Direktor des "Hauses der bayerischen Geschichte" bajuwarische Grundsätze:
"Ein alter bayerischer Slogan besagt: Jeder soll nach seiner Façon selig und glücklich werden. Das find‘ ich auch gut: es muss keiner bayerisches Bier trinken, um hier anzukommen."
Allerdings würde es nicht schaden – und die Gelegenheit ist 2016 so günstig wie nie. Bayern begeht im kommenden Jahr nämlich ein besonderes, feucht-fröhliches Jubiläum:
"Wir feiern 2016 500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot. Es ist 1516 von Herzog Wilhelm IV. erlassen worden. Legt verbindlich die wichtigsten und bis heute erlaubten Bestandteile des Bierbrauprozesses fest."
Hopfen und Malz, Wasser und Hefe
Sollte es für Flüchtlinge demnächst tatsächlich einen Integrations-Fragebogen geben – die Frage nach den vier Grundelementen bayerischen Bieres wäre Kern-Wissen. Wissen Sie’s? Hopfen und Malz, Wasser und Hefe. Wer da jetzt ins Schleudern kam, dem sei 2016 dringend die bayerische Landes-Ausstellung "Bier in Bayern" anempfohlen. Sie beginnt Ende April im Kloster Aldersbach bei Passau.
"Das haben wir deshalb gemacht, weil wir dort ein altes Zisterzienser-Kloster haben. Die Anfänge der bayerischen Braukultur hingen ganz stark mit den Mönchen zusammen. Das Kloster ist säkularisiert worden. Dann in Adelsbesitz gekommen. Die haben dann wieder eine Brauerei eröffnet. Und durch diese Geschichte haben wir den großen Standortvorteil, eine alte Brauerei zu haben, mit Einrichtung. Die können wir herzeigen, da findet die Ausstellung statt. Dann gibt’s eine neue Brauerei, da kann man sehen, wie heute gebraut wird. Da kann man auch Bier kosten. Dann gibt’s eine wunderschöne Barockkirche. Bier und Barock gehört in Bayern zusammen."
Bier, Barock, Kirche, Klöster – wenn sich Flüchtlinge aus Nahost da mal nicht überfordert fühlen! Wenigstens ist der Geist des Reinheitsgebotes universell. Es ist, so Loibl:
"Das älteste noch gültige Lebensmittelgesetz der Welt."
Nun mögen Nicht-Bayern – ob sie nun aus Syrien oder aus Berlin kommen – darauf hinweisen, dass es neben dem bayerischen ja auch ein deutsches Reinheitsgebot gebe. Das allerdings ist 400 Jahre jünger. Und geht – wie sollte es anders sein – auf bajuwarisches Recht zurück.
"Wie man’s gewohnt ist, wenn in Berlin über so etwas Wichtiges wie Bier verhandelt wurde, ist das ganze verwässert und in der Heimatstadt der Berliner Weiße versüßt worden. Und es ist Zucker als Bestandteil erlaubt worden."

Berchtesgaden 
Eine Bürger-Initiative aus Berchtesgaden will Oberbayern zur "tschüss-freien Zone" und 2016 zum tschüss-freien Jahr ernennen.© picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Reinheitsgebot mit Zucker? Dit is Berlin. Da kann der Bayer nur naserümpfend seinen Gamsbart schütteln und "Saupreissn" murmeln. Schlimmer noch als Berliner Weiße mit Schuss erscheint vielen Bayern die Gefährdung des Reinheitsgebotes der bayerischen Sprache. Aus Griaß di wird Hallo, aus Servus wird Tschüss. Eine Bürger-Initiative aus Berchtesgaden will Oberbayern gar zur "tschüss-freien Zone" und 2016 zum tschüss-freien Jahr ernennen. Richard Loibl, der Direktor des "Hauses der bayerischen Geschichte", hält das für ein wenig übertrieben.
"Hinter dem ´Mia san mia`, das ja oft sehr aggressiv vorgetragen wird, verbirgt sich eigentlich ein kapitaler Minderwertigkeits-Komplex. Man schämt sich für bestimmte bayerische Dinge und streift sie gerade in München mehr und mehr ab. Was einem richtigen Bayern fast weher tut als dieses Tschüss – ich mein‘, das Tschüss ist für die bayerische Vokalisierung gar nicht geschaffen, für diesen Ausdruck haben wir gar nicht die Gesichtsmuskeln. Aber was noch schlimmer ist, ist ´Guten Tag`. Das ist wirklich furchtbar. Gerade, wenn man so etwas Schönes hat wie ´Grüß Gott`! Das verbindet in einem Zeitalter, wo Migration eine große Rolle spielt. Denn mit ´Grüß Gott` kann auch ein Muslim was anfangen, das ist derselbe Gott, dieselbe positive Einstimmung. Aber selbst sowas scheint verloren zu gehen."
Vielleicht wird 2016 das Jahr, in dem die Bayern nicht nur ihr Bier wiederentdecken, sondern auch dem Rest Deutschlands zeigen, wie Integration wirklich funktioniert: Münchner Hauptbahnhof statt Lageso. Biergarten statt Bürokratie-Chaos. Denn der bayerische Biergarten ist ein Gleichmacher vor dem Herrn. Da sitzen sie alle auf der Bank – Manager und Müllmann, Hartz4-ler und Highsociety-Schickse, Flaneur und Flüchtling, Christ und Muslim.
"Wenn man dann mal zusammen in einem Biergarten sitz. Und wenn der eine von mir aus, was weiß ich, sein Spezi trinkt, das ist ja heute auch schon so. Und der andere trinkt sein Bier, und der andere trinkt von mir aus auch ein Ale. Dann kann man sich miteinander unterhalten, jeder hat seinen Spaß. Dann ist Integration abgeschlossen und bestens gelaufen!"
Der Jahresausblick für Rheinland-Pfalz - von Anke Petermann
Wer sich in diesen dunklen Wintertagen durch die Talkshows zappt, lernt das neue Gesicht der CDU kennen. Lebhaft, impulsiv, Mundwinkel stets oben, das optische Gegenprogramm zu Angela Merkel. Julia Klöckner unterwegs bei den Plassbergs, Illners und Maischbergers der TV-Landschaft. Themen: Islam, Integration, Flüchtlinge. Eingeladen wird die stellvertretende Bundes-Vorsitzende der CDU, weil die gesamte Partei ihr Haupt-Wahlkampfthema "Pflicht-Integration" zum Programm erklärte. "Blonde Hoffnung" titelte das Zeitgeist-Magazin Cicero in der letzten Ausgabe des alten Jahres. Die christdemokratische Hoffnung ist Winzertochter, studierte Theologin, jetzt Oppositionsführerin in Rheinland-Pfalz und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im März. Und mit Flüchtlingen: streng.
"Wir möchten eine Integrationsvereinbarung schließen, ähnlich wie mit Langzeit-Arbeitslosen geschlossen wird. Das heißt, der Staat gibt Unterstützung, umgekehrt muss der Empfänger sich bereit erklären, einiges zu erfüllen. Und wenn das nicht geschieht, kann es zum Beispiel zu Leistungskürzungen kommen."
Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin "merkelt" längst nicht mehr
Doch Sanktionen bei Nichtteilnahme an Integrationskursen gibt es längst. Und was sind verordnete Bekenntnisse zum Grundgesetz und gegen die Scharia wert? Eine Vorurteilsdebatte trete Klöckner da los, meinen Flüchtlingsorganisationen. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin "merkelt" längst nicht mehr, beobachten jedenfalls ihre politischen Gegner: sie "seehofert". Warum? Um die Konkurrenz rechts von sich im Zaum zu halten?
AfD-Kundgebung: Landeschef Uwe Junge: "Asylchaos stoppen!"
Integrationspflicht als Kontrapunkt zum AfD-Leitmotiv "Asylchaos"? Die Rechtspopulisten sind auf Umfragewerte um sieben Prozent erstarkt, das liefert sozusagen das anschwellende Hintergrundgeräusch zum Wahlkampf in Rheinland-Pfalz. Der werde auf dem Rücken von Flüchtlingen ausgetragen, kritisiert Roland-Graßhoff vom Initiativausschuss Migrationspolitik Rheinland-Pfalz.
"Die Frau Klöckner mit der CDU-Landtagsfraktion betreibt das so in den letzten Wochen, also sie spielt eine gefährliche Rolle im Moment, als ´Scharfmacherin`, konkretisiert Graßhoff, der mutmaßt, dass Klöckner zur CDU-Bundesvorsitzenden Merkel nur schein-loyal ist. Die Wahlkampf-Rhetorik der Mainzer Oppositionsführerin aber ziele im Grunde darauf ab, dass irgendwann eine Obergrenze kommt und dass möglicherweise dann auch wieder Stimmen von der AfD zurück gewonnen werden."

Julia Klöckner (r) und  Malu Dreyer
Julia Klöckner (r), CDU-Spitzenkandidatin, tritt bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im März gegen SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD, M) an. © picture alliance / dpa / Foto: Fredrik Von Erichsen
Die Konjunktur der Rechtspopulisten von der AfD, die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte – "mich trifft das ins Mark", sagt Giorgina Kazungu-Haß. Die Pfälzer Deutsch-Lehrerin mit kenianischem Vater kandidiert für die SPD und erzählt von Migranten in ihrem Freundeskreis, die sich fragen, ob sie bald ihren deutschen Pass um den Hals tragen müssten. Für SPD-Spitzendkandidatin Malu Dreyer kämpft Kazungu-Haß ebenso wie fürs eigene Direktmandat.
"Ich glaube, dass die Leute vor allem hören wollen, was wir konkret tun. Die möchten keine Integrationspflichtgesetze. Die möchten, dass wir es schaffen, dass wir uns vor Ort alle noch wohlfühlen können. Und das ist eine Riesen-Aufgabe. Wenn man eine Turnhalle voller Menschen vor seiner Haustür vorfindet, dann hat man Ängste, die nichts mit Rechtsradikalismus zu tun haben. Das ist ganz natürlich: ´Was passiert jetzt hier mit mir?` Und da vor Ort müssen wir wirken. Und da ist die Malu jemand, die ganz stark in die Kommunen reingeht."
"Die Malu", also Ministerpräsidentin Dreyer, die sich erstmals zur Wahl stellt. Keine Blonde, aber auch eine Hoffnung, eine sozialdemokratische. Ihre Partei hat Dreyer in Rheinland-Pfalz über der 30-Prozent-Marke stabilisiert, was im Bund schon lange nicht mehr gelingt. Die von Rechtspopulisten geschürte Neid-Debatte will die SPD-Spitzenkandidatin im Keim ersticken. Mit sozialem Wohnungsbau und gebührenfreier Bildung für alle.
"Für uns ist es wesentlich, Familien zu sagen, wir entlasten euch durch Gebührenfreiheit, aber auch die Definition von Bildung sieht bei Sozialdemokraten so aus, dass wir sagen, Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, und Bildung beginnt eben in der Kindertagesstätte."
Derzeit aber hat Dreyers rot-grüne Wunschkoalition in den Umfragen die Mehrheit verloren. Der Wähler ist allerdings ein widersprüchliches Wesen: Macht die CDU zur stärksten Kraft - einerseits. Und wünscht sich laut "SWR-Politrend" andererseits, dass Malu Dreyer von der SPD auch die neue Regierung führt.
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