Jackson Pollock im Kunstmuseum Basel

Wie ein lauerndes Tier vor der Leinwand

Jackson Pollock vor seinem Werk "Self Portrait". Jackson Pollock gehörte zu den wichtigsten Malern des 20. Jahrhunderts und etablierte eine eigenständige amerikanische Kunst.
Jackson Pollock vor seinem Werk "Self Portrait". Jackson Pollock gehörte zu den wichtigsten Malern des 20. Jahrhunderts und etablierte eine eigenständige amerikanische Kunst. © picture alliance / dpa
Von Johannes Halder · 02.10.2016
Berühmt wurde der amerikanische Maler Jackson Pollock durch seine Tröpfelbilder, die ihm den Spitznamen "Jack the Dripper" einbrachten. Dass er die meiste Zeit figürlich malte und die Figuration sein ganzes Werk hindurch weiterentwickelt hat, zeigt jetzt das Kunstmuseum Basel.
Er war ein wortkarger Mann, doch wenn er einen seiner guten Tage hatte, prahlte er: "Es gibt nur drei Maler – Picasso, Matisse und Pollock". Kein Wunder: Im August 1949, drei Jahre nach den ersten Dripping-Bildern, veröffentlichte das 'LIFE Magazine' einen Artikel mit der Überschrift "Ist er der größte amerikanische Maler?"

Ein bisschen Größenwahn

Auf dem Foto dazu stand Pollock vor einem seiner Werke, die Zigarette lässig im Mundwinkel. Ein cooler Typ, gerade 37 Jahre alt. Ein Mythos war geboren, ein bisschen Größenwahn gehörte wohl dazu. Die USA hatten gerade den Krieg gewonnen, New York löste Paris als Welthauptstadt der Kunst ab, Amerika brauchte Helden, und Pollock passte: ein amerikanischer Picasso, ein Genie.
Pollock stammte aus Cody im Cowboy-Staat Wyoming, einem Kaff im Nordwesten, das Buffalo Bill gegründet hatte. Sein Vater war arbeitsam, aber Alkoholiker. Schon während der Ausbildung in Los Angeles zeichnen sich psychische Probleme ab, die sich später verstärken; auch er verfällt dem Alkohol. Seine Lebensgefährtin, die Malerin Lee Krasner, bringt ihn von New York aufs Land, nach East Hampton, um ihm das Trinken abzugewöhnen. Eine Weile hält er durch, dann meldet sich die Sucht zurück.
Das früheste Werk der Basler Schau stammt aus der Studienzeit, ein handgroßer, maskenhafter Kopf aus schwarzem Stein, und die ersten Bilder sind noch geprägt von der Sozialromantik seines Lehrers Thomas Hart Benton. Seit 1938 ist Pollock in Psychotherapie. Die zunehmende Unruhe des jungen Malers bricht sich Bahn in düsteren Visionen voll dumpfer Expressivität. Da steckt viel Picasso drin, aber vor allem ein elementarer innerer Drang, sagt die Kuratorin Nina Zimmer:
"Sehr oft interessiert sich Pollock für sein eigenes Inneres. Da geht es um seine psychologische Konstitution, er spürt dem männlichen Element, dem weiblichen Element nach. In dieser Zeit ist er sehr zerrissen innerlich und findet über die Malerei zu sich selbst."

Symbolsprache von C. G. Jung

Die Figuren, Masken und Köpfe, an denen sich Pollock zunächst noch festhält, sind in übergreifende Lineamente eingeschrieben. Auf Anraten seines Psychotherapeuten beschäftigt er sich mit der Symbolsprache von C. G. Jung, vor allem zeichnerisch.
"Wir zeigen sehr viele Zeichnungen. Man kann wirklich in den Zeichnungen ihm über die Schulter gucken und sehen, wie sein bildnerischer Kosmos sich entfaltet. Ich finde die Zeichnungen hinreißend."
Der Einfluss der mexikanischen Muralisten, totemhafte Zeichen der nordamerikanischen Indianerkunst und die magischen Kürzel der Surrealisten mischen sich zu wilden Bildphantasien, denen ein figuratives Gerüst eingegeben ist aus Augen und Körpern von roher Sinnlichkeit.
Die "Stenographische Figur" von 1942 ist ein Schlüsselwerk. Das große Bild ist offen in der Form, hell in den Farben, die Flächen sind aufgelockert, und mit etwas Phantasie lässt sich in dem linearen Labyrinth die burleske Form einer Liegenden entdecken. "Wenn man aus dem Unbewussten heraus malt", sagte Jackson Pollock, "müssen zwangsläufig Figuren hervortreten."

Mit Kontrolle und wachem Sinn am Werk

Ebenso zwangsläufig ergeben sich die Drippings, die die Schau programmatisch ausspart. Hinter ihnen steht der verzweifelte Versuch, die Allmacht des Gegenstands zu brechen, die Figur auszulöschen. Vergeblich – sie taucht doch wieder auf, Pollock bleibt fixiert auf die Figur. Er ist immer in Bewegung, seine Dämonen geben keine Ruhe. Das ist der Pollock, der seine Leinwände wie ein lauerndes Tier umschleicht und sie dann regelrecht überfällt, der dennoch stets mit überlegener Kontrolle und wachem Sinn am Werk ist, sagt Nina Zimmer:
"Es gibt von Pollock dieses schöne Zitat, wo er sagt: 'It's not that easy to splash a Pollock out.' Da fühlte er sich schon eigentlich im Klischee ertappt und hat sich dagegen gewehrt."
Die Basler Schau ist wie ein Kreislauf angelegt und führt uns am Ende wieder zu Pollocks Anfängen zurück. Sie lässt uns teilhaben am Kampf zwischen Kraft und Ohnmacht dieses Mannes, der zu Beginn der 50er-Jahre noch einmal ausholt zu einer großartigen Serie der sogenannten "Black Paintings". Das sind kalligraphische Strukturen mit schwarzem Lack auf Leinwand, die wieder mehr Pinsel- und Körperarbeit verraten. Aber dies ist nur von kurzer Dauer. Pollock hat sich aufgebraucht und verzehrt. Nach dem Sommer 1950 hat er in den sechs Jahren bis zu seinem Tod nur noch relativ wenige Bilder gemalt.
Im August 1956, Pollock ist 44 Jahre alt, rast er mit seiner Lebensgefährtin und ihrer Freundin im Cabrio über die Landstraße. Immer wieder hält er an, weint und jammert, fährt immer schneller und prallt schließlich an einen Baum. Der Maler ist tot, aber sein Mythos lebt bis heute.
Die Ausstellung "Jackson Pollock – Das figurative Werk" ist im Kunstmuseum Basel bis zum 22. Januar 2017 zu sehen.
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