Istanbul-Konzert der Dresdner Sinfoniker

"Politisch vermintes Gebiet"

Die Dresdner Sinfoniker stehen auf der Bühne nach der Aufführung des Konzertprojektes «Aghet» im Schauspielhaus Hellerau in Dresden (Sachsen) am Abend des 30.04.2016. Das Konzertprojekt «Aghet» zu den Massakern an den Armeniern 1915 ist bei seiner Aufführung in Dresden stürmisch gefeiert worden. ...
Die Dresdner Sinfoniker wurden bei der Aufführung des Konzertprojektes "Aghet" in Dresden gefeiert. Das Konzert in der Türkei wurde abgesagt. © dpa / picture alliance / Martin Morgenstern
Von Christiane Habermalz · 26.10.2016
Das Auswärtige Amt hat ein im deutschen Generalkonsulat in Istanbul geplantes Konzert der Dresdner Sinfoniker abgesagt. In der Aufführung geht es um das Massaker an den Armeniern. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour bezeichnet dies als "Bankrott-Erklärung der Türkei-Politik", Ewald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung hat für die Absage Verständnis.
Die offizielle Stellungnahme des Auswärtigen Amtes fällt dünn aus. "Die Räumlichkeiten des Generalkonsulats in Istanbul stehen am 13. November nicht zur Verfügung", heißt es knapp. Hier wollten die Dresdner Sinfoniker in knapp drei Wochen ihr Konzert "Aghet" über das türkische Massaker an den Armeniern aufführen - schon lange ein Stein des Anstoßes für die türkische Regierung und zunehmend eine Last für die deutsch-türkischen Beziehungen.
Zuvor hatten die Sinfoniker persönliche Einladungen an den türkischen Staatschef Recep Erdogan, Ministerpräsident Binali Yildirim sowie an den türkischen Außenminister und den Kulturminister geschickt - eine Information, die am Montag in den Nachrichtenagenturen lief. Nun zog das Auswärtige Amt offenbar die Notbremse.

"Auswärtiges Amt reagiert political correct"

"Die Einladungen", hieß es dazu aus dem Ministerium in Berlin, seien ohne Beteiligung des Auswärtigen Amtes erfolgt. Ein weiteres Beispiel deutschen Einknickens vor der Türkei? In den Augen der Opposition ist das klar der Fall. "Peinlich!", schrieb Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht auf Twitter, und der Grüne Außenpolitiker Omid Nouripour sprach von einer Bankrotterklärung der Türkei-Politik einer Regierung, die aus Angst vor Flüchtlingen nur noch vor Erdogan kuscht.
Der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Ewald Mertens, hat dagegen Verständnis für die Absage des Auswärtigen Amtes:

"Es ist in dieser ganz konkreten Situation natürlich ein politisch vermintes Gebiet, und da genau reagiert dann das Auswärtige Amt ja auch, aus meiner Sicht political correct. Man kann das in Gesamtzusammenhängen, Stichwort Meinungs- und Kunstfreiheit, natürlich auch anders sehen, aber das ist eben eine sehr deutsche Betrachtungsweise."
… erklärte Mertens gegenüber Deutschlandradio Kultur. Wer in der Türkei solche Veranstaltungen plane, der müsse damit rechnen, dass eine türkische Regierung, die auch noch in dieser Form eingeladen werde, dies als Affront auffasse. Dabei sei es natürlich legitim und wichtig, mit künstlerischen Mitteln auch politisch heikle Themen aufzugreifen, sagte Mertens.

"Kultur als Brücke, nicht als Geschoss"

"Wir haben natürlich immer wenn es beispielsweise um Nordkorea ging, dass ein amerikanisches Orchester erstmalig in Nordkorea auftritt, das sind dann solche Akte wo die Kultur als Brücke genutzt wird, und nicht als Geschoss, wenn ich das mal so sagen darf. Also, die Brückenfunktion der Kultur ist unstreitig und wird ja auch von der Außenpolitik als solche genutzt. Das ist hier im deutsch-türkischen Verhältnis an genau dieser Stelle natürlich sehr viel schwieriger."
Was genau die Dresdner Sinfoniker mit ihren Einladungen bezweckten, ist unklar, Intendant Markus Rindt war bislang noch für keine Stellungnahme zu erreichen. Mit ihrer Aufführung wollen sie eigentlich ein Zeichen der Versöhnung setzen.
Das Konzert, mit entwickelt von dem Gitarristen Marc Sinan, dessen armenische Großmutter das Massaker nur knapp überlebt hatte, war bereits im November vergangenen Jahres in Deutschland uraufgeführt worden und sollte vor der geplanten Aufführung in Istanbul noch in der armenischen Hauptstadt Jerewan gespielt werden. Es wird gefördert von der Europäischen Kommission und der Bundeskulturstiftung. Und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte das Projekt zumindest ideell unterstützt. "Es weist einen Weg in eine hellere Zukunft", schrieb er in einem Grußwort für eine Aufführung Ende April in Dresden.
Dass das Konzert im deutschen Generalkonsulat aufgeführt werden sollte, dürfte die türkische Regierung als besonderen Affront aufgefasst haben. Aus dieser Zwickmühle hat sich das Auswärtige Amt nun zumindest hinauslaviert.
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