Ist das Internet noch zu retten?

07.09.2013
Sie beschäftigen uns seit Monaten, die Enthüllungen des US-amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden rund um die Spähprogramme Prism, Tempora und Co. Nahezu täglich kommen neue Details hinzu, wie die Geheimdienste Daten weltweit systematisch überwachen und auswerten.
Internetnutzer fragen sich, wie sie sich überhaupt noch unbeobachtet und unprotokolliert im Netz bewegen können. "Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn!” – unter diesem Motto findet daher heute ab 13 Uhr eine große Demonstration in Berlin statt.

"Das Internet ist kaputt"
"Das Internet ist kaputt" – mit diesem Artikel sorgte der Blogger und Autor Johnny Haeusler für Diskussionen. "Der Traum vom grenzenlosen Menschheitsnetz, dessen gesammelte Offenheit auf Dauer für mehr Empathie und Transparenz sorgen könnte, er scheint ausgeträumt." Der zweifache Vater und Autor des Buchs "Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet", sorgt sich besonders um die kommenden Generationen. "Unser aller Online-Aktivitäten werden protokolliert, aufgezeichnet, mitgeschnitten, von Algorithmen ausgewertet. Im Fall derjenigen Menschen, die in den letzten 10, 20 Jahren geboren wurden, bedeutet dies, dass ihr ganzes Leben zur Analyse bereit steht. Die Auswirkungen, die das auf die Zukunft dieser jungen Generation haben wird, sind noch nicht abzusehen, mir graut es aber jetzt schon davor."

Haeusler ruft in seinem Blog "Spreeblick" zur Teilnahme an der Demonstration auf: "Am 7. September 2013 werden wir in Berlin auf die Straße gehen, um für die Einhaltung und Ausweitung von Bürgerrechten, für eine freie Gesellschaft und gegen einen Überwachungsstaat zu demonstrieren .Und es ist wichtig, dass dies keine Althippie- und Nerd-Rentner-Veranstaltung wird, sondern dass die YouTube-Generation ebenfalls dabei ist."

Der Blogger plädiert für einen Neustart: "Meiner Meinung nach müsste man neue Netze aufbauen, die Datenleitungen sind da. Aber das braucht politische Unterstützung. Die Frage ist, ob das gewollt ist."

Nicht tot, nur verändert
"Das Internet ist nicht tot, es hat sich nur kräftig verändert", widerspricht Thomas Hoeren, Professor für Medien- und Informationsrecht an der Universität Münster. Der Jurist beschäftigt sich seit langem intensiv mit Fragen der Kontrolle und Rechte im Internet. Die derzeitigen politischen Maßnahmen glichen einem Flickenteppich, die meisten deutschen Politiker hätten zu wenig Ahnung von Netz-Themen, neigten zu Überreaktionen. "Und wenn dann die Piraten mit den Themen kommen, sind alle aufgeschreckt. Natürlich haben wir national schon viel gemacht, wir haben den ältesten Datenschutz Europas. Aber wir müssen aufpassen, dass uns die USA nicht mit ihrer Post-Privacy-Bewegung überrennen."

Seine Mahnung: "Wir können für Deutschland und die EU noch so saubere Lösungen machen, aber es gibt genügend Datenoasen – und dafür haben wir keine Instrumentarien."
Seine Forderung: "Was wir brauchen, ist ein Dauerausschuss des Bundestages, der sich mit den neuen Medien beschäftigt, einen Dauerdialog zwischen der Politik und der Netzgemeinde. Das muss eine Massenbewegung werden."

"Ist das Internet noch zu retten?" - Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Johnny Haeusler und Thomas Hoeren. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Johnny Haeusler
Über Prof. Dr.Thomas Hoeren

Literaturhinweis:
Johnny Haeusler, Tanja Haeusler: "Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet", Goldmann Taschenbuch, 2012

Informationen zur Demonstration Freiheit statt Angst