Israelischer Geheimdienstexperte kritisiert Spielberg-Film "München"

26.01.2006
Der israelische Politologe und Geheimdienstexperte Shlomo Shpiro von der Bar Ilan Universität in Tel Aviv hat den Kinofilm "München" des US-Regisseurs Steven Spielberg als "unrealistisch" bezeichnet.
Er habe sich den Film zusammen mit Mossad-Mitarbeitern angesehen, sagte Shpiro am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Einige seien schockiert gewesen, andere hätten gelacht. Er wisse nicht, inwieweit Spielberg recherchiert habe, die Wirklichkeit habe aber anders ausgesehen: "In der Realität gab es Dutzende Menschen, die mit solchen Attentätern beschäftigt waren. Und man hat sich natürlich nie auf irgendwelche Unterwelt-Quellen verlassen können."

Die gezielten Tötungen palästinensischer Terrorverdächtiger nach dem Attentat auf die Olympischen Spiele in München 1972 verteidigte Shpiro. Die Israelis seien nicht stolz darauf, bereuten sie aber auch nicht. Damals sei man überzeugt gewesen, keine andere Wahl zu haben. Jeder habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, so der Politologe weiter. Die Frage sei allerdings: "Wo hört Selbstverteidigung auf, und wo fängt Mord an?"

Die europäische Justiz habe in den 70er Jahren im Kampf gegen den Terror versagt. Als Beispiel nannte Shpiro die schnelle Freilassung der drei überlebenden Attentäter von München. Er sprach sogar von einer klaren, politischen Entscheidung: "Man hat in Europa die Angst gehabt, dass, wenn man solche Terroristen im Knast behält, andere gekidnappt werden. Die europäischen Regierungen wollten damit einfach nichts zu tun haben."

Israel habe damals die Terrorabwehr ganz allein bewältigen müssen. Dazu dienten auch gezielte Tötungen. Solche Aktionen könnten durchaus abschrecken, so Shpiro. Umgekehrt könne so etwas aber auch eine Radikalisierung der Organisationen zur Folge haben, nämlich dann, wenn jemand umgebracht werde, der moderat gewesen sei.

Den Vorwurf, Israel habe sich damals nur rächen wollen, wies Shpiro zurück. Zur Begründung sagte er: "Die drei überlebenden Terroristen von München sind noch am Leben. Und Israel hat nie versucht, diese Terroristen zu ermorden."