Israel

Vertrauen auf Versöhnung

Israel: Zwei Frauen gedenken des Anschlages von "Naharayim" im Jahr 1997
Zwei israelische Frauen gedenken des Anschlages von "Naharayim" im Jahr 1997. © picture alliance / dpa / Foto: Menahem Kahana
Von Sabine Loeprick  · 18.04.2014
Die israelischen Schulkinder sind gerade dabei, den Aussichtspunkt Naharayim an der jordanischen Grenze zu verlassen, als ein jordanischer Soldat schießt. Sieben Mädchen kommen 1997 bei dem Anschlag ums Leben. Eine Israelin gedenkt der Opfer.
Nur wenige Kilometer, nachdem wir von der Hauptstraße abgebogen sind, endet die Schotterpiste vor einem Checkpoint. Rechts ein kleiner Parkplatz, ein Kiosk mit einigen Bänken, geradezu der Grenzübergang Naharayim, einer von insgesamt drei Grenzübergängen, die es zwischen Israel und Jordanien gibt. Hier fließt der Yarmuk-Fluß in den Jordan, der den Grenzverlauf markiert, 1994 übergab Israel den Landstreifen im Rahmen des Friedensvertrags an Jordanien.
Vor dem Kiosk treffen wir Orna Shimonie, eine schlanke Frau in Cargo-Jeans und derben Schuhen. Seit dem frühen Morgen hat sie in dem kleinen Park hinter dem Gebäude gearbeitet, die Grünanlage liebevoll gepflegt, jetzt ist die über 70-Jährige erschöpft. Dennoch erklärt sie sich bereit zu erzählen, weshalb es hier diesen Park gibt, der gleichzeitig Gedenkstätte ist. Die Anlage erinnert an das Attentat von 1997 , als ein jordanischer Soldat ohne Vorwarnung das Feuer auf eine Gruppe israelischer Schulmädchen eröffnete. Orna war zufällig in der Nähe:
"Ich war mit einer Gruppe von Schulkindern unterwegs, zu der auch meine Enkeltochter gehörte, wir waren auf einem Ausflug und die Kinder bereits auf dem Rückweg zu unserem Bus. Eine andere Gruppe etwas älterer Mädchen war aber noch an dem Aussichtspunkt, da sah ich, dass ein jordanischer Soldat seinen Wachposten verließ und zu schießen begann . Zuerst dachte ich, es handle sich um Warnschüsse, aber dann lud er nach, schoß weiter – und traf. Noch heute höre ich die Schreie. Es war entsetzlich. Ich lief sofort zu den Kindern, half sie in unseren Bus zu tragen, dann kamen auch schon die ersten Rettungswagen."
Beziehungen zu Jordanien nachhaltig gestört
Insgesamt sieben 13- und 14-jährige Mädchen wurden bei dem Attentat getötet, weitere schwer verletzt. Nicht nur bei den betroffenen Familien und Zeugen sorgte das Blutbad für ein Trauma, auch wurden die ohnehin schwierigen Beziehungen zu Jordanien nachhaltig gestört. Zwar entschuldigte sich der jordanische König Hussein persönlich bei den Eltern der Kinder und der Schütze ist nach wie vor in Haft. Dennoch waren vor allem Bewohner des Grenzgebiets zu Jordanien aufgebracht und forderten man solle das Land rund um den Ort des Blutbads zurückverlangen:
"Natürlich waren gerade die Menschen aus unserem Kibbuz und aus der gesamten Region schockiert und empört. Man sagte uns, wir sollten uns zusammenschließen und verlangen, dass der Aussichtspunkt und das umliegende Land wieder an Israel zurückgeht. Aber ich war anderer Meinung. Schließlich gab es ja ein Friedensabkommen mit Jordanien, daran sollte man nicht rühren. Nein, meine Idee war hier einen Park anzulegen, voller Grün, voller Blumen- in Gedenken an die sieben Mädchen.“
Orna hat die Geschichte Dutzende Male erzählt, doch auch heute noch, wühlt die Erinnerung sie auf. Und vielleicht deswegen beginnt sie auf Englisch zu erklären, wie der Park als Gedenkstätte angelegt worden ist.
"Es ist wie ein Baum mit sieben Ästen, die Wurzeln sind rot, die Äste Schwarz, es gibt sieben Hügel mit den Namen der Mädchen. Für mich steht das symbolisch dafür, dass es trotz Blutvergießen und Leid auch wieder Frieden geben kann.“
Getöteten Soldaten ein Denkmal setzen
Die Gedenkstätte am Grenzübergang ist aber eigentlich nur das kleinere Projekt, das Orna Shimoni in den vergangenen Jahren mit Hilfe vieler privater Spender realisiert hat. Viel Kraft ist in das Sportzentrum "Beit Eyal“ geflossen, das Orna im nahegelegenen Kibbuz Ashdod Yaakov quasi aus dem trockenen Boden gestampft hat, und mit dem ihre ganz persönliche Geschichte eng verknüpft ist. Denn im Jahr des Anschlags von Naharayim verlor Orna auch einen ihrer Söhne im Libanon-Krieg. Beschloss ihm und weiteren in den Kriegen getöteten Soldaten ein Denkmal zu setzen.
"Ich habe mich schließlich dafür entschieden, hier ein Sportzentrum bauen zu lassen, in dem Menschen mit ohne und ohne Behinderung trainieren und sich erholen können. Wir haben hier spezielle therapeutische Angebote und zu uns kommen inzwischen Menschen aus der ganzen Region."
Rund 32 Millionen Schekel, sagt Orna, sind inzwischen in das ambitionierte Projekt geflossen, größtenteils Sponsorengelder und Spenden von Vereinen und Privatleuten. Noch rund eine Million Schekel benötigt sie jetzt um den sogenannten "Lebanon and back Trail“ fertigzustellen, eine Art begehbare Gedenkstätte in Erinnerung an die etwa 1.300 im Libanon gefallenen Israelis.
Auf Plexiglas-Tafeln sind ihre Namen aufgelistet, dazu gibt es Fotos, später soll auf interaktiven Monitoren auch Filmmaterial abgerufen werden können. Außerdem gibt es ein kleines Auditorium, hier soll es künftig Vorträge geben, werden Konferenzen aber auch Jugendbegegnungen stattfinden. Denn trotz persönlicher Schicksalsschläge ist Orna optimistisch geblieben, vertraut darauf, dass es zwischen Israel und den arabischen Nachbarländern Frieden geben kann:
"Ich habe mich immer für den Frieden eingesetzt und ich kämpfe weiter dafür, ich will Frieden mit den Arabern. Denn ohne Frieden können wir hier nicht leben und wir werden weiter unsere Söhne verlieren.“
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