Israel

Hohe Hürden für Flüchtlinge

Ein Asylsuchender, aufgenommen am 6.2.2014 durch den Zaun des Flüchtlingslagers Holot in der Wüste Negev in Israel.
Ein Asylsuchender hinter dem Zaun des Flüchtlingslagers Holot in der Wüste Negev in Israel. © picture-alliance / dpa / Oliver Weiken
Von Igal Avidan · 06.11.2015
Ein Asylgesetz gibt es in Israel nicht. Dennoch kamen jahrelang zehntausende Flüchtlinge. Das Land versuche alles, damit sie sich nicht niederlassen und integrieren, sagt der israelische Jurist Yonatan Berman. Doch viele von ihnen kann es nicht wieder ausweisen.
Als Folge palästinensischer Terroranschläge ersetzte Israel ab 1995 palästinensische Gastarbeiter mit solchen aus der Dritten Welt. Die Aufsicht auf Beschäftigung lockte auch immer mehr afrikanische Flüchtlinge, die illegal über die ägyptische Grenze nach Israel einreisten. Yonatan Berman erklärt:
"Israel ist der einzige westliche Staat mit einer Landesgrenze zu einem afrikanischen Land, und obwohl die Flucht über die Halbinsel Sinai sehr gefährlich ist und viele Flüchtlinge unterwegs von beduinischen Grenzschmugglern ermordet wurden, kamen ab 2006 zehntausende Flüchtlinge, die allermeisten aus dem Sudan und Eritrea. Israel ist zwar 1954 der Flüchtlingskonvention beigetreten, hat aber niemals ein Asylgesetz verabschiedet."
Stattdessen wendet Israel für Flüchtlinge das sogenannte "Gesetz zur Verhinderung der Infiltration" aus dem Jahr 1954 an, das ursprünglich Palästinensern galt, die illegal nach Israel kamen, um dort Terroranschläge zu begehen. Dieses Gesetz erlaubte die unbefristete Inhaftierung eines "Eindringlings" – so die offizielle Bezeichnung - ohne Prozess sowie die Bestrafung der Fluchthelfer.
Dennoch ordnete das Oberste Gericht die Freilassung der 50.000 sudanesischen und eritreischen Flüchtlinge an, weil ihre Abschiebung für sie lebensgefährlich sein könnte. Ein Sudanese, der Israel besuchte, wird in seiner Heimat mit bis zu zehn Jahre Haft bestraft. In Eritrea werden Fahnenflüchtige hart bestraft. Während in Deutschland knapp 40 Prozent der Anträge auf Asyl positiv beschieden werden, liegt in Israel die Quote viel niedriger:
"Israel tut alles, damit sich diese Menschen nicht niederlassen; daher werden sie nicht integriert. Seit 2009 erhielten Israel lediglich 45 (!) Flüchtlinge Asyl. Somit liegt die Anerkennungsquote bei 0,15 Prozent und ist die niedrigste in der westlichen Welt. Das lässt sich so erklären: Bis 2009 überprüfte das UN-Flüchtlingskommissariat die Asylanträge und seine Empfehlungen wurden vom Innenminister weitgehend angenommen. Seit 2009 überprüft das Innenministerium die Anträge selbst und stellt sehr hohe Hürden im Vergleich zu anderen Staaten."
Dank Menschenrechtlern bekamen Flüchtlinge mehr Freiheiten
Wenn ein Flüchtling eine Israelin heiratet, wird ihm nach fünf Jahren die Einbürgerung erteilt. Für die Eheschließung verlangen israelische Beamten jedoch Unterlagen, die kein Flüchtling aus seiner Heimat bringen kann, wie etwa ein polizeiliches Führungszeugnis. In Israel können zudem nur Juden untereinander heiraten; zivile Eheschließungen gibt es nicht.
"Israel schiebt keine Juden ab, weil nach dem Rückkehrgesetz jüdische Zuwanderer das Recht auf Einbürgerung haben. Ein Flüchtling kann aber nicht konvertieren, um in Israel bleiben zu dürfen. Denn das Konversionssystem akzeptiert nur Menschen, die bereits über einen Daueraufenthalt in Israel verfügen. Israel will auf diese Weise einen Missbrauch des Rückkehrgesetzes verhindern. Ein Flüchtling kann daher nicht einmal seine Konversion in Israel beginnen."
Dank der Aktivität israelischer Menschenrechtsvereine und der Urteile des Obersten Gerichts, bekamen Asylsuchende mehr Freiheiten. So wurde zum Beispiel 2013 die Haftzeit für illegale Einreisende von drei Jahren auf nur drei Monate gekürzt. Yonatan Berman bildet Jurastudenten aus, damit sie sich künftig als Rechtsanwälte für Flüchtlinge einsetzen. Seine Leidenschaft erklärt der Menschenrechtler mit seiner Familienbiografie:
"Als Student arbeitete ich ehrenamtlich bei der "Hotline for Refugees and Migrants", die humanitäre und politische Hilfe für Afrikaner in Israel leistet. Dort stellte ich bald fest, dass diese Gruppe die bedürftigste im Land ist. Ich wollte diesen Menschen helfen, die ihren Platz in der Welt verloren hatten, und für ihre Rechte kämpfen. Denn in Israel sind wir alle Einwanderer oder deren Kinder. Meine eigenen Großeltern mussten nach Hitlers Machtergreifung flüchten - aus Berlin und Lettland. Deren Verwandten wurden alle in der Shoah ermordet."
Beeindruckt von der deutschen Großzügigkeit
Nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak im Februar 2011 verlor Ägypten die Kontrolle über die Halbinsel Sinai zugunsten der Terrorgruppe Al-Qaida, so dass im August 2011 bei einem doppelten Terroranschlag sieben Israelis an der ägyptischen Grenze ermordet wurden. Auch die illegale Einwanderung über Ägypten nahm zu. Um Israels Charakter als jüdischen und demokratischen Staat zu gewährleisten, so Premierminister Benjamin Netanjahu, ordnete er den Bau einer 240 Kilometer langen Sperranlage.
"Israel hatte früher Flüchtlinge in Not aufgenommen, 200 vietnamesische Bootsflüchtlinge, einhundert Bosnier und einhundert Albaner aus dem Kosovo. Aber sobald einige zehntausende afrikanische Flüchtlinge ins Land kamen, bekam die Regierung kalte Füße. Daher begann sie 2010 mit der Errichtung einer Sperranlage. Seitdem diese 2013 steht, kann fast niemand mehr diese Grenze passieren. In den letzten Monaten kommen dennoch einige Flüchtlinge, denn nirgendwo auf der Welt kann man die illegale Einreise ganz verhindern."
Der israelische Menschenrechtler Yonatan Berman ist sehr beeindruckt von der deutschen Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen. Trotz seiner Kritik an der israelischen Flüchtlingspolitik findet Berman auch lobende Worte:
"Eine der israelischen Errungenschaften im Umgang mit den Asylsuchenden ist die Behandlung von allein reisenden Jugendlichen, die ohne Verwandte kommen. In den letzten Jahren hat sich die Behandlung dieser kleinen Gruppe erheblich verbessert. Sie werden zusammen mit Israelis in Internaten untergebracht, so dass die Kinder und Jugendlichen in die israelische Gesellschaft integriert werden können."
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