Israel

Grabgewölbe unterm Wohnzimmer

Davidszitadelle, Kultur in Zeiten des Krieges - Jerusalem lädt zum größten Architekturevent
Die Davidszitadelle in der Altstadt Jerusalem © Deutschlandradio Kultur / Philipp Eins
Von Peter Kaiser · 23.10.2015
Beim "Open House Festival" öffnen in Israel 120 Museen, Denkmäler, Ausgrabungsstätten aber auch Privathäuser ihre Türen und lassen kostenlos Besucher hinein. Dabei kann man so manche überraschende Entdeckung machen.
Die Altstadt von Jerusalem, nahe des Jaffatores an der Davidszitadelle. Hier ist ein guter Ort, um in das Open-House-Festival einzusteigen.
Touristen-Führerin: "Der Davidsturm ist ein Stadtmuseum, das die Geschichte von Jerusalem zeigt. Die Geschichte selbst aber sind die Steine, auf denen wir gehen. Hinter uns ist der Davidsturm. Vor 2000 Jahren baute König Herodes drei Türme. Als die christlichen Pilger nach Jerusalem kamen, sahen sie einen dieser drei Türme, und nannten ihn den Davidsturm."
So war die erste von insgesamt 120 Sehenswürdigkeiten der diesjährigen Stationen des Open-House-Festivals der Davidsturm, eines der bekanntesten Wahrzeichen Jerusalems. Das Open-House-Festival findet jedes Jahr statt. Doch die Idee dazu wurde nicht in Israel geboren, sondern schon 1992 in Großbritannien. In jenem Jahr öffneten in London zum ersten Mal architektonisch interessante und historisch bedeutsame Gebäude ihre Türen für die Besucher. Zwei der Besucher damals waren der Architekt Alon Ben Nun und dessen Frau Aviva Levinson. Sie brachten die Open-House-Idee 15 Jahre später nach Jerusalem. In der Zwischenzeit hatten sich weltweit Türen für Besucher etwa in New York, Barcelona, Paris, Wien oder sonst wo geöffnet. Im September 2014 fand das Open-House-Festival in Jerusalem statt. Gerade zu einer Zeit, sagt die Tourismusdirektorin Ilanit Melchior, in der wegen der Auseinandersetzungen im Gazastreifen die sonst zehn Millionen jährlichen Touristen weitgehend ausgeblieben sind.
Tourismus mit schweren Einbußen
Melchior: "Wir hatten nur 3,5 Millionen Touristen hier. Von den deutschen Besuchern, die sonst nach Jerusalem kamen, sind 25 Prozent weniger gekommen. Wir müssen mehr investieren. Zumal wir wegen des Krieges generell einen Besucherrückgang von 25 Prozent nur in diesem Quartal haben. Aber wir hoffen, dass sich das im nächsten Jahr normalisiert. Und wenn wir nach Tel Aviv sehen, da gab es einen Besucherrückgang von über 46 Prozent."
Dabei ist Jerusalem, meint Ilanit Melchior, etwas ganz Besonderes in der Welt.
Melchior: "Es ist ein spiritueller Ort. Mit dem Körper und der Seele, Himmel und Erde – all das ist Jerusalem in einer Kombination. Für mich ist die Stadt in meinem Herzen. Und die Leute, die hierher kommen und das erfahren, sind beeindruckt. Ich sehe dann das Leuchten in ihren Augen. Das ist eine besondere Stadt."
Touristen-Führerin: "Ich denke, Jerusalem hat eine besondere Botschaft. In Jerusalem ist der Glauben eingebettet, keine andere Stadt auf der Welt hat das."
Abends dann, im Van Leer Jerusalem Institute, war die offizielle Festivaleröffnung.
Das Festival in Jerusalem könnte nicht vielfältiger gewesen sein. Ob es die grünen Dächer am Jaffa-Tor waren, die Hecht Synagoge, die "Sprechenden Steine" in Sergeis Courtyard, am Damaskus Tor das American Colony Hotel, das Institute of Archaeology der Jerusalemer Universität oder der Botanische Garten – in den drei Tagen Festivaldauer war es schwer, die Fülle des Angebotes auch nur annähernd würdigen zu können. So auch beim Besuch des ersten Stadtkraftwerks, von dessen Anfängen Ingenieur Alfred berichtet.
Ingenieur des Stadtkraftwerks: "Zum Beginn des 20. Jahrhunderts war das elektrische Stromnetz in Jerusalem noch nicht entwickelt. Alles ging so wie Jahrhunderte vorher. Bis 1914 der griechische Industrielle Makromatis beschloss, Geld hier zu verdienen, indem er Jerusalem mit Strom versorgte."
Grabungen unterm Wohnhaus
Und wenn oft gesagt wird, in Jerusalem seien die Menschen gewohnt, sich abzuschotten und argwöhnisch auf ihre Nachbarn zu schauen, so merkt man davon nichts, wenn einmal die Türen offen stehen. In Miriam Siebenbergs Haus standen nicht nur die Türen offen, sondern besonders der Keller. Ihr Haus kann man nur finden, wenn man vom Beit-Machase-Platz die Bet-Hashoeva-Straße immer hinunter geht. An der Treppenbiege erkennt man das Haus am Schild über der Haustür. Miriam Siebenberg erwartete die Besucher.
Siebenberg: "Mein Mann und ich bauten dieses vierstöckige Haus oben auf einem Hügel. Als wir fertig waren, hatte mein Mann die Idee, es müsste hier irgendwo eine Verbindung zur Vergangenheit geben, zu den Juden, die hier gelebt haben. Er sprach mit Archäologen darüber, die sagten, wir prüfen das. Und dann fanden sie nichts. Es war eine Verschwendung von Zeit und Geld."
Doch dann, sagt Miriam Siebenberg und führt uns langsam in den Keller des Hauses, dann wurde in der Straße gebaut. Theo Siebenberg finanzierte sogar Stahlbetonpfeiler, um die Straße abzustützen, denn im Verlauf der Straßenarbeiten…
"… begannen wir mit den Ausgrabungen."
Im Keller angekommen, hört das Staunen kaum auf. Gewölbe sind unter dem Siebenberg-Haus in 18-jähriger mühsamer Arbeit freigelegt worden, weil die über die Jahrtausende angehäufte Erde sehr hart war. Man fand Münzen, Mosaike, Krüge, allerlei aus uralter Zeit. Nun stehen Grundmauern da, Gänge.
"Wir haben hier ein 3000 Jahre altes Grabgewölbe aus der Zeit von König David und König Salomon. Der Grund für dieses Grabgewölbe ist die Nähe zur Stadt Davids direkt vor uns. In jener Zeit bestatten sie ihre Toten außerhalb der Stadtgrenzen. Und wir sind außerhalb der Stadtgrenze."
Und dann wuchs Jerusalem mit den Einwohnern. Und breitete sich über die Gräber der alten Stadtgrenze aus. Heute steht das neue Jerusalem auf dem alten.
Beeindruckende und selten zugängliche Ausgrabungsstätten
Überall warteten beindruckende und selten nur für Besucher zugängliche Ausgrabungsstätten. Doch nicht nur das. Auch die Werkstätten junger Künstler standen weit offen. Beispiel das Homebase-Projekt.
Das "Homebase"-Projekt ist eine Erfindung der israelisch-amerikanischen Künstlerin Anat Litwin.
Anat Litwin: "Heute haben die Künstler, die hier in Apartments leben, eine Ausstellung eröffnet. Manche der Künstler sind Juden, manche kommen aus Deutschland, wir haben hier einen kulturellen Mix."
Der Tipp kann heißer nicht sein: Wer Jerusalem hautnah erfahren will, sollte zum nächsten Open-House-Festival jetzt schon Flüge buchen. Denn das spricht sich rum, diese gelungene Mischung aus Glauben, alter und neuer Architektur, Wissenschaft und Kunst. Die englische Führerin auf der Davidszitadelle fasst das alles in einem einzigen treffenden Satz zusammen:
"Ich denke, Jerusalem ist eine Stadt, die eine besondere Botschaft hat."
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