Israel

Ärger über hohe Verbraucherpreise

sraelis kaufen Obst auf einem Markt.
Israelis kaufen Obst auf einem Markt. © dpa/picture alliance/Debbie Hill
Von Christian Wagner · 07.10.2014
Der Kassenzettel eines Exil-Israelis aus Berlin lässt die Heimat einfach nur seufzen. Sein Preisvergleich auf Facebook befeuert den Ärger über hohe Lebenshaltungskosten. Israels Politiker halten dagegen, dass der Traum vom jüdischen Staat eben nicht billig sei.
Ein Becher Schokoladenpudding mit Sahne aus dem Kühlregal heißt in Israel schlicht "Milky" – und der Pudding gibt einem neuen Protest seinen Namen. Denn "Milky" kostet im Supermarkt in Berlin gerade mal halb so viel wie in Tel Aviv, rechnet der Exil-Israeli Ido Porat am Telefon im israelischen Frühstücksradio vor.
Ido berichtet ausführlich von den Discounter-Preisen für Brot, Milch oder für den in Israel beliebten Hüttenkäse. Der Radiomoderator fasst zusammen: Das sei ja nur die Hälfte von dem, was es hier in Israel koste. Und Ido, der in Berlin Hebräisch unterrichtet stellt fest: Man komme aus dem Supermarkt raus und habe noch Geld übrig.
Eine ungewohnte Erfahrung für den Durchschnitts-Israeli. Deshalb findet ein Eintrag auf einer Facebook-Seite von Israelis in Berlin in der Heimat ein so großes Echo. Die Exil-Israelis hatten die günstigen Preise - unter anderem für Schokopudding - nicht nur mit dem Kassenzettel vom letzten Supermarkteinkauf belegt. Nein, sie rufen auch noch zum Auswandern auf: "Wir helfen Euch, auch mit Bürokratie und Formularen, damit Ihr rauskommt aus den absurd hohen Lebenshaltungskosten in Israel", heißt es da.
Erzürnt über die kritischen Auswanderer
Das ist zu viel für Israels Politiker: Von einem "moralischen Abgrund" spricht Doron Cohen, er war mal Direktor des Finanzministeriums. Auswandern, und dann noch nach Berlin! Bildungsminister Shai Piron behauptet, es gehe um mehr als günstige Lebensmittel:
"Ich will den Israelis im Ausland mal was sagen, auch wenn ich nicht über andere urteilen will. Aber Israel ist eben kein einfacher Staat. Ich lebe hier nicht aus Bequemlichkeit. Nein, ich habe eine Vision, den jüdischen Staat. Außerdem haben wir Feinde, immer wieder Krieg, besondere Schwierigkeiten. Wir müssen eben andere Prioritäten setzen."
Und diese Prioritäten spiegeln sich im Haushaltsentwurf von Pirons Parteifreund und Finanzminister Yair Lapid wider: Mehr Geld für das Militär, weniger für Bildung und Soziales. Importe bleiben teuer, auch wegen hoher Zölle. Daran hat sich seit dem israelischen Protest-Sommer vor drei Jahren nichts geändert.
Warnung vor neuen Massenprotesten
Den Wirtschaftswissenschaftler Manuel Trajtenberg hatte die Regierung im Anschluss um Empfehlungen gebeten – heute warnt Trajtenberg, es könnte neue Proteste geben, und die müssten nicht unbedingt so friedlich wie 2011 bleiben:
"Die jungen Leute, die damals auf die Straße gegangen sind, haben heute das Gefühl, dass sich nichts verbessert hat. Noch viel ernster muss man es nehmen, dass für einen Teil von ihnen Berlin inzwischen attraktiver ist. Meine Herren, das ist eine echte Gefahr."
Sagt Trajtenberg den Politikern. Eine Umfrage in Israel zeigt gerade: Auswanderer bekommen mehr Verständnis entgegengebracht als noch vor zehn Jahren.
Finanzminister Lapid allerdings wirkt etwas ratlos: Im Sommer rief er die Israelis dazu auf, Urlaub zu Hause zu machen, auch wenn es in der Türkei oder Griechenland viel günstiger sei als daheim. Jetzt bittet Lapid die Anhänger des Schokopudding-Protests um mehr Austausch:
"Dieser Dialog ist viel komplizierter, es ist ein Dialog über die Identität, über das Ziel des Staates Israel, es ist ein historischer Dialog."
Ein Dialog, dem sich inzwischen Zehntausende Israelis verweigern und erst einmal im Ausland leben … und vom günstigen "Milky"-Pudding schwärmen.
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