Islamismus-Expertin: Schlampige Ermittlungen im Sürücü-Prozess

13.04.2006
Nach dem Urteil im so genannten Ehrenmord-Prozess hat die Islamismus-Expertin Claudia Danschke der Staatsanwaltschaft und den ermittelnden Behörden schwere Versäumnisse vorgeworfen. Die Motive der beiden freigesprochenen älteren Brüdern der ermordeten Türkin Hatun Sürücü seien zu wenig erforscht worden, sagte Danschke im Deutschlandradio Kultur.
Vor allem der ältere der beiden Männer, Mutlu Sürücü, zeichne sich durch eine radikal-islamische Weltsicht aus. "Dieser Spur ist man viel zu wenig nachgegangen." So habe es zu keiner Zeit eine Untersuchung des Familienumfeldes durch eine Islamismus-Experten gegeben. Danschke äußerte Verständnis für den Urteilsspruch des Richters. "Er hatte bei der Beweislage keine andere Möglichkeit."

Der Islamismus-Expertin zufolge ist die Familie der Ermordeten durch eine Islam-Interpretation geprägt, die sich stark an der des radikalen Predigers Metin Kaplan orientiert. Mutlu Sürücü habe zudem Kontakte zu radikalen Gruppen, insbesondere zu einer islamistischen Missionsbewegung aus Pakistan gehabt. Denschke zufolge hat der Mann seine jüngeren Brüder in ihren Ansichten stark beeinflusst. "Er war eine Art anerkanntes religiöses Oberhaupt in dieser Familie."