Propaganda-Apps

Islamischer Staat zum Download

Ein Propagandabild vom Twitter-Account Albakra News zeigt einen LKW mit der schwarzen Flagge der Terroristen.
Ein Propagandabild vom Twitter-Account Albakra News. © AFP / HO / Albarak News
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 22.01.2017
Relativ neu im Propanda-Arsenal der Terrororganisation Islamischer Staat sind Inhalte, die für Kinder und Jugendliche konzipiert sind. Musik und Spiele Tablet und Smartphone werden da mit deutlichen Aufrufen zu Hass und Gewalt vermischt - und sollen schon die Jüngsten für den IS gewinnen.
Wüstenkämpfer schwenken jubelnd ihre Waffen. Ein Video aus der Frühzeit des sogenannten "Islamischen Staates". Kleine Videoclips triumphierender Krieger, aber auch Aufnahmen von der bestialischen Ermordung ihrer Gegner stellt die Terrororganisation seit Jahren ins Internet. Aber das Angebot der Propaganda hat sich erweitert, sie nutzt zunehmend Formen, die für Kinder und Jugendliche attraktiv und leicht zugänglich sind:
Martin Drechsler: "Also kurze Videos, hat sehr viel mit Musik zu tun, viel mit Lifestyle-Themen, die ganz subtil daher kommen, aber eben auch Propagandaaussagen enthalten."
Radikale Botschaften werden mit den Elementen der Popkultur verkauft oder mit aufwendigen 3D-animierten Ego-Shooter-Spielen. Martin Drechsler ist Geschäftsführer der FSM, der "Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter":
"Zum Teil wird sehr religiös argumentiert. Es werden Aussagen aus dem Koran genommen und speziell gedeutet und ausgelegt. Zum Teil begibt man sich aber auch gar nicht so sehr auf die religiöse Schiene, sondern ruft tatsächlich deutlich zur Gewalt auf und zum Hass gegenüber Andersgläubigen."

Das Alphabet lernen - und auf feindliche Länder schießen

Die Zielgruppe wird dabei immer jünger. So brachte der IS 2016 Apps für Kinder heraus. Mit bunten Bildern und einer sehr einfachen Sprache, sagt Nava Zarabian von der Organisation Jugendschutz.net:
"Diese Kinderapps, da gab's drei verschiedene von, und diese sollten dann kleinen Kindern das Alphabet beibringen, das arabische, das Zählen, aber auch kleine Bittgebete. Und das ging alles dann so weit, dass man immer wieder die Symbolik des Islamischen Staates erkennen konnte, aber auch, dass ganz gezielt Feindbilder geschaffen wurden. Da konnte man sozusagen in einem kleinen Spiel in der App sozusagen, nachdem man Bittgebete für den Einzug in den Kampf gehört hat, auch auf feindliche Länder schießen, wo man dann die Flaggen von zum Beispiel Deutschland und Amerika auch erkennen konnte."
Gruppe von IS-Kämpfern an der syrisch-irakischen Grenzen auf einem nicht näher bezeichneten Foto, dass die den Dschihadisten nahestehende Gruppe Albaraka News am 17. Juni 2014 auf Twitter veröffentlicht hat.
Gruppe von mutmaßlichen IS-Kämpfern im irakisch-syrischen Grenzgebiet.© dpa / Albaraka News
Jeden Tag finden die Jugendschützer neue dschihadistische Angebote im Netz, etwa mit sinfonischen Klängen oder Rapmusik unterlegte Exekutionsvideos bei Messenger-Diensten wie Telegram. Oder direkte Kriegspropaganda des IS auf Facebook-Seiten, die als "Informationsdienst zu Irak und Syrien" getarnt ist, - alles gewaltverherrlichende Inhalte, die auch strafrechtlich relevant sind:
Nava Zarabian: "Es fängt da an, wo es illegal wird und das ist immer dort, wo wir Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen finden können. Schwere Verstöße sind oft auf dschihadistischen Angeboten zu finden, mit der Jugendliche und Kinder dann mit drastischer Gewalt konfrontiert werden können, indem Verletzung der Menschenwürde in verschiedenen Bildern dargestellt wird, aber auch der militante Dschihad einfach verherrlicht wird. Diese Angebote verstoßen gegen die Jugendschutzbestimmungen und da kann man auch was machen."

Darstellung einer vermeintlich bedrohlichen Gesellschaft

Direkte Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz können meist in Absprache mit den Internet-Anbietern aus dem Netz genommen werden. Viele Angebote erscheinen auf den ersten Blick unproblematisch, oder lassen zunächst schlicht religiös-fundamentalistische, salafistische Inhalte erkennen. Unterschwellig vermitteln sie jedoch häufig militante Einstellungen, Hass auf Feindbilder und ein positives Bild des Dschihadismus:
Nava Zarabian: "Da gab es das Beispiel von der 'Wahren Religion', die jetzt verboten wurde. Auf dieser Seite, Facebook, wie Youtube, konnte man keine Verstöße finden, jedoch das Umfeld. Also durch den Kommentarbereich ist man dann vielleicht immer wieder auf radikalere Seiten geraten. Aber auch in Apps wie auf Telegram haben wir das Problem, beispielsweise gibt es dort einen Kanal, der angibt, für Sport zu werben, und dort werden dann auch ab und an Beiträge aus radikaleren Kanälen gepostet und so kann man immer stufenweise zu diesen militant - dschihadistischen Angeboten dann auch stoßen."
Die Radikalisierung verläuft oft über die emotionale Ebene: Salafistische Netzwerke und Plattformen wie "Muslim Mainstream", "MuslimStern" oder "Generation Islam" sprechen gezielt junge Muslime in ihrer Identitätssuche zwischen dem Herkunftsland der Eltern und dem Lebensmittelpunkt Deutschland an:
Nava Zarabian: "Es wird immer wieder ein Bedrohungsszenario dargestellt und der Kontext wird manipuliert. So soll ein Keil in die Gesellschaft herein getrieben werden und eine feindliche Umwelt geschaffen werden, in der der Jugendliche lebt."
Ein Thema dieser Seiten ist immer auch die vermeintliche Islamfeindlichkeit der Medien. Dabei werden die fundamentalistischen Inhalte über sympathische Comicfiguren verbreitet, wie "Supermuslim", einer Art Supermann mit menschlichen Schwächen und einigen Pauschalurteilen:
Super Muslim: "Also erstens: Seit dem elften September 2001 wird besonders in Deutschland gegen Muslime gehetzt. Zweitens: Der 31.12.2015 ist in Deutschland nun der 11. September geworden. Aber schön zu sehen, dass ihr mehr als nach zehn Jahren zugebt, dass Muslime in diesem Land diskriminiert werden. So, weiter geht’s."

Jugendschützer: Politische Bildung und Eltern gefragt

Salafistische Propaganda versucht die Jugendlichen direkt, in ihrer eigenen Sprache anzusprechen. Selbst wenn nicht all diese Webseiten Gedankengut des IS verbreiten, sind doch die Grenzen zum militanten Dschihadismus oft unklar. Mit Verboten allein, da sind die Jugendschützer einig, kann man dieser Propaganda nicht begegnen.
Nava Zarabian: "Es gibt viele, viele Angebote, gegen die man einfach nicht vorgehen kann, weil dort keine Verstöße da sind. Da muss die politische Bildung eingreifen und aufklären natürlich und dann muss man auch sagen, dass die Plattformen einfach proaktiv gegen die Videos auch vorgehen müssen und diese Uploads einfach verhindern müssen, Uploads von Videos oder diesen Magazinen oder Bildern verhindern müssen."
Es gehe außerdem darum, so Martin Drechsler von der FSM, die Medienkompetenz zu erhöhen und die Gesellschaft gegen Manipulation im Internet zu sensibilisieren:
"Dass also Kindern und Jugendlichen klar ist, nicht alle Inhalte, die im Internet stehen sind richtig und nicht alles, was da steht ist tatsächlich erlaubt und die Art und Weise, wie wir auch miteinander kommunizieren, das ist eine Sache, die man lernen muss und wo Lehrer und vor allem auch die Eltern gefragt sind zu unterstützen und auch ihren Kindern beispielsweise das Gefühl zu geben bei merkwürdigen oder schwierigen Sachen, die sie im Netz gefunden haben, eben tatsächlich da zu sein und ansprechbar zu sein."
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