Isländisches Gesundheitssystem

Der lange Schatten der Finanzkrise

Das Universitätskrankenhaus in Reykjavik.
Das Universitätskrankenhaus in Reykjavik. © Deutschlandradio/Michael Frantzen
Von Michael Frantzen · 12.10.2016
Island ist bekannt für ein vorbildliches Gesundheitssystem. Gemeint ist damit aber eher die Vergangenheit, in der Realität ächzt das Land noch immer unter den Folgen der Finanzkrise, die in den Krankenhäusern noch lange nicht ausgestanden ist.
Jetzt ist es doch noch hektisch geworden im Kinderkrankenhaus der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Montag Mittag, kurz nach eins. Vor ein paar Minuten hat Klinikleiter Asgeir Haraldssson erfahren, dass eine Frühgeburt eingeliefert wurde. Schnellen Schrittes läuft der Kinderarzt über die Gänge des hellen Neubaus, Richtung Intensivstation – vorbei an der Wand mit Fotos des Krankenhauses aus den letzten Jahrzehnten und dem Zitate-Fenster. Er bleibt kurz stehen: Die Zitate auf dem Fenster, da staunen die Besucher immer. Sie stammen aus isländischen Märchen.
"Unser Kinderkrankenhaus dürfte von allen Abteilungen des Universitäts-Krankenhauses, zu dem wir gehören, noch am besten in Schuss sein. Das liegt daran, dass Islands älteste Frauen-Organisation uns traditionell mit Spenden unterstützt. Wir erhalten jährlich gut eine halbe Million Euro. Wir haben wirklich Glück. Aber wir müssen natürlich auf die Infrastruktur des Universitäts-Krankenhauses zurückgreifen: Operations-Säle, die Röntgen-Abteilung, so was: Und da fangen die Probleme an. Ich weiß gar nicht, wie oft in letzter Zeit Röntgen-Maschinen oder Scanner ausgefallen sind; wir Operationen verschieben mussten. Manchmal mussten wir kranke Kinder sogar in ein anderes Krankenhaus schicken. Es ist wirklich besorgniserregend."
Das Krankenhaus in Akranes
Das Krankenhaus in Akranes© Deutschlandradio/Michael Frantzen
Erst einmal Entwarnung: Der Frühgeburt geht es den Umständen entsprechend gut. Asgeir Haraldsson schaut erleichtert. Es läuft nicht immer alles so rund auf dem weit verzweigten Campus von Islands größtem Krankenhaus: Letzte Woche war die Notaufnahme des Universitätskrankenhauses so überfüllt, dass selbst akute Fälle abgewiesen werden mussten. Nur ein weiterer Missstand. Wie zum Beweis zeigt Haraldsson aus dem Fenster. Da drüben in den Containern befinden sich die Besprechungszimmer diverser Ärzte. Sollte eigentlich nur eine Notlösung sein, genau wie das einstöckige Gebäude, in dem die Mikrobiologen untergebracht sind – seit nunmehr vierzig Jahren. Verrückt, nicht?! Regt sich auch Birk Sigursdottir auf. Die Krankenschwester des Kinderkrankenhauses ist gerade dabei, in der Intensivstation Medikamente aufzufüllen: Antibiotika, Vitaminpräparate, Schmerzmittel. Um vier hat sie Feierabend. Eigentlich.

Nachtschichten wegen der Zuschläge

"Es kann gut sein, dass ich heute Nacht einspringen muss. Es gibt eine Lücke im Dienstplan. Natürlich ist es angenehmer, tagsüber zu arbeiten. Die Abendschicht übernehme ich nicht so gerne. Wegen meiner Kinder. Mein Mann kommt immer erst spät von der Arbeit zurück. Deshalb versuche ich möglichst schon gegen 16 Uhr zu Hause zu sein, um mich um unsere vier Kinder zu kümmern. Nachtschichten dagegen finde ich okay – nicht zuletzt wegen der Zuschläge. Du verdienst so durchschnittlich 50.000 Kronen mehr im Monat, umgerechnet rund 400 Euro. Ich kenne viele Krankenschwestern, die wegen des Geldes Nachtschichten machen."
Das hat jetzt gerade noch gefehlt: Asgeir Haraldsson schaut auf sein Handy. Ein Kollege von der Universität, da muss er abnehmen. Asgeir ist er nicht nur Leiter des Kinderkrankenhauses, sondern auch Universitäts-Professor; ein vielbeschäftigter. Es geht um ein neues Forschungsprojekt, erzählt er auf dem Weg zurück in sein kleines Büro im ersten Stock. Niederländische Holz-Klocks, ein mittelalterlicher Stich der litauischen Hauptstadt Vilnius: Geschenke von ehemaligen Kollegen aus seiner Zeit in den Niederlanden und Litauen. Der Mittfünfziger lässt sich auf seinen Schreibtisch-Stuhl fallen. Eigentlich würde er gerne etwas kürzer treten, aber das ist nicht drin. Es sind hektische Zeiten – für den engagierten Mediziner und das Land gleichermaßen. Ende Oktober wählt Island ein neues Parlament.
"Jetzt im Wahlkampf verkünden alle Parteien: Gesundheit und Bildung werden unsere Schwerpunkte sein in der neuen Legislaturperiode. Wir werden kräftig investieren. Ich würde es zu gerne glauben. Das Problem ist nur: Ich habe dieses Versprochen schon zig-Mal gehört, ohne das etwas passiert ist. Nach der Finanzkrise 2008 hatten wir eine linke Regierung. Die hatte genauso wenig Verständnis für unser Gesundheitssystem wie die konservative Koalition jetzt. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Ich weiß gar nicht, wen ich wählen soll. Aber ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Irgendwie habe ich das Gefühl: Der Wind dreht sich. Besonders nach der Petition."

Mehr als jeder dritte Wahlberechtigte unterzeichnete die Petition

Die Petition – das ist Kári Stefánssons Baby. Luftlinie keinen Kilometer entfernt vom Kinderkrankenhaus übt sich der Mann, der laut dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek zu den zehn wichtigsten Biologen weltweit zählt, an diesem stürmischen Herbsttag in Mitarbeiter-Motivation. Beziehungsweise das, was der Gründer des Genetik-Unternehmens DeCode Genetics darunter versteht. Ehe sich sein entgeisterter Angestellter versieht, hat ihn der Chef auch schon in den Schwitzkasten genommen – spaßeshalber. Typisch Stefánsson. Er ist bekannt als Exzentriker - und als Gesundheits-Aktivist. Im Sommer brachte der Mann, vor dessen wortgewaltigen Zeitungs-Gastkommentaren selbst Minister zittern, seine Internet-Petition auf den Weg. Die Kernforderung: Die Regierung soll sich verpflichten, den Anteil der Gesundheits-Ausgaben am Bruttosozialprodukt von 8,7 auf 11 Prozent erhöhen. Knapp 90.000 Isländer unterzeichneten, mehr als jeder dritte Wahlberechtigte.
"Ich hatte Treffen mit dem Gesundheits- und dem Finanzminister. Beide versprachen mir, noch vor der Wahl dafür zu sorgen, unser Gesundheitssystem wieder auf Vordermann zu bringen. Sie wollten substantiell mehr Geld investieren. Vor ein paar Wochen dann haben sie ihren Fünf-Jahres-Plan für die Staatsausgaben veröffentlicht. Und was soll ich sagen: Sie haben ihr Versprechen gebrochen. Schon seltsam. Dem öffentlichen Haushalt geht es so gut wie noch nie. Es ist schlichtweg schlechte Politik, unser Gesundheitssystem so zu vernachlässigen."
Mittagspause bei DeCode Genetics: Das lichtdurchflutete Atrium, in dem die Kantine untergebracht ist, ist gut gefüllt. Ein junges Publikum, mehr Männer als Frauen, er gerne mit Hipster-Bart, sie im Kostüm. Geredet wird Isländisch oder Englisch. Etliche Mitarbeiter kommen aus dem Ausland. Zumindest eine gute Seite der Globalisierung, konstatiert ein Stockwerk höher Kári Stefánsson in seiner Schaltzentrale über den Dächern der Stadt. Einerseits. Andererseits bereitet dem Neurologen der neoliberale Zeitgeist, wie er das nennt, zunehmend Bauchschmerzen. Er nimmt einen Schluck Kaffee, die Cola-Flasche daneben ist später an der Reihe: Und dann legt der selbsternannte Retter des isländischen Gesundheitssystems los. Die niedrigste Kindersterblichkeit weltweit, die zweithöchste Lebenserwartung nach Japan: Klar spreche das für die Qualität des Gesundheitssystems, ereifert er sich. Nur: Darauf könnten sich die Politiker nicht ausruhen – genauso wenig wie auf die Spendenbereitschaft der Isländer. Vor kurzem hat Stefánsson dem Universitätskrankenhaus fünf Millionen Euro für einen dringend benötigten Scanner spendiert. Der Gesundheitsminister hatte sich bis zum Schluss geweigert dafür Geld zu geben.
"Ich denke, das liegt an einem gewissen Elitedenken, der aus dem Neo-Kapitalismus resultiert. Diese Denke hat natürlich auch damit zu tun, dass unsere Banken vor der Finanzkrise 2008 die mit Abstand mächtigsten Institutionen im Land waren. Sie waren viel mächtiger als unser Parlament. Nach dem Finanzcrash hatte sich das gelegt, aber jetzt sind wir wieder an dem Punkt angelangt, wo die Banken mehr Macht ausüben als das Parlament. Mit ihren elitären Ansichten. Dieses Elitedenken macht unserem Sinn für soziale Gerechtigkeit und Verantwortung noch den Garaus."

Das Pflegepersonal ist müde

Ein milliardenschwerer Unternehmer, der sich anhört wie ein Sozialist, das ist ganz nach dem Geschmack von Eva Olafsdóttir. Die Gewerkschafterin macht einen gestressten Eindruck. Kein Wunder, sie war gerade die ganze Zeit am Telefon. Von zehn bis 14 Uhr ist Sprechstunde bei der "Gewerkschaft der Krankenschwestern". Einige schauen persönlich vorbei in der schmucklosen Gewerkschaftszentrale an einer der breitspurigen Ausfallstraßen der Hauptstadt, andere rufen an. Wie die Krankenschwester gerade.
"Unser Pflegepersonal ist einfach müde. Die Arbeit wird immer anstrengender, die Ansprüche an sie immer größer. Die Krankenschwestern und Pfleger haben das Gefühl: Es geht nicht vorwärts, sondern rückwärts. Was glaubst du, wie oft ich schon gehört habe: Wir sind total unterbesetzt in unserem Krankenhaus. Oder: Was soll ich bloß tun? Mein Chef will, dass ich Überstunden mache. Aber ich will nicht. Der Druck nimmt zu. Der Frust auch. Es sind ja nicht nur die schlechten Arbeitsbedingungen. Viele Krankenschwestern sind auch unzufrieden mit ihrem Gehalt."
Rund 450.000 Kronen verdient eine Krankenschwester im Monat, rund 3500 Euro. Im Hochpreisland Island liegt das unterm Durchschnitt. Letztes Jahr reichte es den Krankenschwestern, sie legten die Arbeit nieder. Massenstreik. Das Universitätskrankenhaus in Reykjavik, die Gesundheitszentren auf der Insel der Vulkane und Geysire, nichts ging mehr. Über einen Monat lang. Die Frau mit der braunen Designer-Brille schließt für einen Augenblick die Augen. Anfangs seien sie richtig euphorisch gewesen, erinnert sie sich. Umso ernüchternder das Ergebnis.
"Wir Krankenschwestern waren ziemlich sauer, dass die Regierung einen Streikschlichter eingesetzt hat. Wir hatten das Gefühl: Auf uns hört mal wieder keiner. Es stimmt ja auch: Wir haben so gut wie keine unseren zentralen Forderungen durchsetzen können. Okay, bei den Fortbildungsmaßnahmen – da haben wir etwas erreicht. Aber beim Gehalt? Wir Krankenschwestern verdienen weiterhin 15 bis 20 Prozent weniger als Männer, die im öffentlichen Dienst arbeiten. Einfach unglaublich. Im 21. Jahrhundert. Dabei gibt es jetzt schon zu wenige Krankenschwestern – und zu wenige Absolventinnen an unseren zwei Universitäten, die Krankenschwestern ausbilden. In den nächsten Jahren gehen die ersten Babyboomer in Rente. Pro Jahr zweihundert bis dreihundert Krankenschwestern. Aber wir haben nur Ersatz für die Hälfte."
"I was against the strike."
Tönt es aus einer anderen Ecke der 330.000-Einwohner-zählenden Atlantikinsel. Vesturland, die Provinzhauptstadt Akranes. Und damit zu Asgur Asgurssson, dem Finanzdirektor des "Verbundes der west-isländischen Gesundheitszentren".
"Für unsere Patienten waren die Streiks sehr schlecht. Wirklich sehr, sehr schlecht. Wir hatten nur einen Notdienst. Und einen Hausarzt kennen wir in Island nicht. Deshalb waren unsere Patienten ziemlich aufgeschmissen. Für die Klinik selbst: Na ja, ich möchte nicht zynisch klingen, aber wir haben sogar davon profitiert. Finanziell, meine ich. Streikende bekommen ja kein Gehalt. Nein, nein, ich war von Anfang an gegen den Streik. Ich habe meinen Krankenschwestern und Ärzten prophezeit: Ihr werdet eure Forderungen niemals durchsetzen. Du musst dir nur die Geschichte Islands anschauen: Streiks waren bei uns nie erfolgreich. Wer streikt, verliert."

Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein

Seit zwanzig Jahren arbeitet Asgur im Krankenhaus von Akranes, der windumtosten 7000-Einwohnerstadt rund fünfzig Kilometer nördlich von Reykjavik. Für ihn lange Zeit ein Traum-Job, eine anspruchsvolle und gut bezahlte Arbeit in seinem Geburtsort, bei der Familie, seinem geliebten Fußballverein, dem Landesmeister aus den 90er Jahren. Doch spätestens mit dem Finanzcrash von 2008 fingen auch bei ihm die Probleme an. Das Krankenhaus-Budget wurde um 25 Prozent gekürzt. Zwei Jahre später der nächste Einschnitt: Die bislang eigenständigen acht Gesundheitszentren West-Islands wurden zwangsfusioniert - mit nur noch einem Krankenhaus in Akranes und 390 statt 440 Angestellten. Der Anfang-50-Jährige verzieht das Gesicht. Und wer musste es ausbaden? Den Buhmann geben?! Weiter kürzen, wie in der Röntgenabteilung?! Er. Asgur schaut auf die Stationsuhr: Kurz nach drei, dann ist das Röntgenlabor schon geschlossen.
"Wir haben uns gerade einen Überblick verschafft über unsere Röntgen-Labore an allen acht Standorten. Wir sind angehalten ein, zwei zu schließen, um Kosten zu sparen. Da siehst du, dieser Standort hier: 5,3 Röntgen-Aufnahmen pro Monat. Das rentiert sich nicht. Wir werden die Röntgenabteilung dort schließen. Erzähl es nur bitte keinem."
Wenn man so will, leidet der Verbund der west-isländischen Gesundheitszentren immer noch unter den Spätfolgen der Finanzkrise – genau wie das isländische Gesundheitssystem insgesamt. Denn trotz positiver Eckdaten wie der Arbeitslosenquote von unter drei Prozent und einer Wachstumsrate von vier Prozent: Die Staatsausgaben verharren immer noch unter dem Niveau von 2008. Das Krankenhaus von Akranes ist dafür ein gutes Beispiel. Die Zeit, zuweilen scheint sie stehen geblieben zu sein in dem Funktionsbau unweit des Atlantiks.
Die geriatrische Abteilung der Klinik im zweiten Stock: Seit der Finanzkrise tut sich hier nichts mehr. Zumindest medizinisch.
"Das ist unser Geister-Abteilung. Wir mussten sie wegen der Finanzkrise schließen. Ich hoffe, dass wir sie in ein paar Jahren wieder nutzen können - als Ausweichquartier – wenn endlich die anderen Abteilungen modernisiert werden. Gerade erst war ein Filmteam hier. Sie haben eine Krankenhaus-Szene aus den 90ern gedreht. Das war nicht das erste Mal. Wir hatten sogar schon eine Produktionsfirma aus Hollywood bei uns, die auf der Station gedreht hat."

Einen Psychologen gibt es im Umkreis nicht

Ein neuer Tag, eine andere Ecke von West-Island, und auch hier Stress. Psycho-Stress. Linda Kristjansdóttir unterhält sich im Gesundheitszentrum von Borgarnes gerade mit einer Patientin. Ihren Namen, nein, den möchte der blasse Teenager lieber nicht nennen. Nur so viel: Ihr gehe es nicht so gut, aber das Team um Linda sei eine große Stütze.
"Wir haben eine Menge psychischer Erkrankungen bei uns. Leute mit Angstzuständen, Depressionen, einer Identitätskrise. Das nimmt speziell unter Teenagern zu. Sie suchen bei uns Rat. Wenn sie in Reykjavik lebten, würden sie direkt zu einem Psychologen oder Psychiater gehen. Doch so etwas gibt es bei uns in West-Island nicht. Manchmal ganz schön stressig. Immerhin hält seit kurzem eine Psychiaterin bei uns Sprechstunde ab. Zwar nur einmal die Woche. Aber besser als nichts. Sie nimmt uns Fälle ab und damit Arbeit."
Die Leiterin des Gesundheitszentrums von Borgarnes, Linda Kristjansdóttir.
Die Leiterin des Gesundheitszentrums von Borgarnes, Linda Kristjansdóttir.© Deutschlandradio/Michael Frantzen
Ganz schön groß ist es tatsächlich, das Gesundheitszentrum der 1800-Seelen-Gemeinde. Ein bisschen Fisch-Industrie, eine kleine Werft, eine Molkerei: Lange Zeit war Borgarnes ein verschlafenes Nest. Doch das ändert sich, nicht zuletzt dank des boomenden Tourismus. Diesen Sommer hatte Linda ein paar Touristen in der Praxis. Isländische Wandertouristen, die sich den Fuß verstaucht hatten; Deutsche, Engländer mit irgendwelchen Wehwehchen. Nichts Schlimmes, ernstere Fälle müsste die 44-Jährige so oder so nach Akranes schicken, ins Krankenhaus. Aus fünf Krankenschwestern und drei Ärzten besteht ihr Team, Linda inklusive. Fast alle sind um die vierzig und fünfzig.
"Die Sache ist die: Unsere jungen Ärzte gehen ins Ausland, um ihre Fachausbildung zu machen. Oft kaufen sie ein Haus und nehmen ihre Familie mit. Ich habe erst letztens mit einem jungen Arzt geredet, der früher bei uns praktizierte. Und er meinte: Weißt du, es sind noch nicht einmal der niedrigere Verdienst und die schlechteren Arbeitsbedingungen, weshalb ich nicht nach Island zurück will. Es sind die Kredite. Die Immobilien-Kredite. Er wohnt in Schweden, da zahlt er 1,5 oder 2 Prozent Zinsen. In Island wären es locker sechs oder sieben Prozent. Und dann sind da noch die Lebenshaltungskosten: In Schweden ist alles billiger. Das Essen, der Kindergarten, einfach alles. Ergo sagt er: Wir können es uns einfach nicht leisten, zurück nach Island zu kommen. Wir müssten auf zu viel verzichten."
Das aber wollen immer weniger junge isländische Ärzte. Linda zuckt die Schultern. Gut möglich, dass bald auch ihre Familie betroffen sein wird. Ihr Sohn ist 22 und Medizinstudent, in Reykjavik. Für seine Fachausbildung wird er ins Ausland gehen. Norwegen, Schweden, vielleicht auch die Niederlande. Ob er danach zurückkehren wird: Das weiß auch seine Mutter nicht.
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