Isaak Babel

"Ich bin untauglich für das Werk der Zerstörung"

Der russische Schriftsteller Isaak Babel in einer zeitgenössischen Aufnahme. Er wurde am 27. Januar 1940 mit Stalins Befehl erschossen.
Der russische Schriftsteller Isaak Babel in einer zeitgenössischen Aufnahme. © picture-alliance / dpa – Novosti
Von Doris Liebermann · 27.01.2015
Der Schriftsteller Isaak Babel fiel als angeblicher "Spion" dem Terror der Stalin-Zeit zum Opfer. Sein wichtigster Roman "Die Reiterarmee" schilderte die Gräuel des Russisch-Polnischen Krieges 1920. Heute vor 75 Jahren wurde Babel hingerichtet.
"Die unterschiedlichsten Menschen fühlten sich zu Babel hingezogen, nicht nur, weil er ein hochkultivierter Mensch und ein hervorragender Erzähler war, sondern auch aufgrund seiner charakterlichen Eigenschaften. Sein Zauber und sein Charme waren unwiderstehlich."
So erinnerte sich Antonina Piroshkowa an ihren Mann, den Schriftsteller Isaak Babel. Er beeindruckte durch sein hinreißendes Erzähltalent, seine Heiterkeit, seine Gutmütigkeit, seine seelische Tiefe, seine Lebensfreude. Geboren wurde Babel am 13. Juli 1884 in Odessa, im Judenviertel der Stadt, der Moldovanka. Die Welt seiner Kindheit beschrieb er später in den fantastisch überzeichneten "Geschichten aus Odessa", in denen auch von blutigen Pogromen die Rede ist. Auf Verlangen seines Vaters, eines jüdischen Händlers, musste Babel bis zu seinem 16. Lebensjahr Hebräisch lernen und den Talmud studieren.
"Zu Hause hatte ich ein schweres Leben, ich musste mich von früh bis spät mit vielen Wissenschaften beschäftigen. Ausruhen tat ich mich in der Schule."
Ein Französischlehrer weckte bei ihm die Liebe zur Literatur. Mit 15 Jahren schrieb Babel erste Erzählungen, auf Französisch. Er studierte Ökonomie in Kiew und ging 1916 nach Petrograd. Dort bot er mehreren Redaktionen seine Texte an, meist wurden sie abgelehnt. Im Ersten Weltkrieg kämpfte Babel an der rumänischen Front, und arbeitete nach der Revolution als Dolmetscher bei der Geheimpolizei Tscheka, im Volkskommissariat für Volksbildung und als Reporter. 1920 ritt er im Russisch-Polnischen Krieg als Kriegsberichterstatter in einem Kosakenheer mit – der "Reiterarmee".
1926 kam der literarische Durchbruch
"Ich habe hier (...) Wochen der Verzweiflung erlebt, die kam von der furchtbaren Grausamkeit, die hier keinen Augenblick lang aussetzt und davon, daß ich begriffen habe, wie untauglich ich für das Werk der Zerstörung bin."
In diesem Krieg entstand sein wichtigstes Buch: "Die Reiterarmee". Mit den 34 Erzählungen, die 1926 gesammelt erschienen, gelang Babel der literarische Durchbruch. Sein Erfolg schützte ihn jedoch nicht vor Anfeindungen. Der legendäre Kosakengeneral Budennyj, der die Reiterarmee geführt hatte, sah in den Kriegsschilderungen eine Beleidigung der Revolution und ihrer Ideale. Babel hatte kein heroisches Bild von den Kämpfen gezeichnet, sondern Szenen voller Gewalt und Brutalität : Massaker, die die von den Polen geschlagene Reiterarmee vor allem an der jüdischen Bevölkerung Galiziens verübt hatte.
"Zweifellos war dieses Buch einer der Gründe für Babels Verhaftung, ein anderer seine Affäre mit der Frau des ehemaligen Geheimdienstchefs Nikolaj Jeshow. Als Babel am 15. Mai 1939 wegen angeblicher Spionage festgenommen und in das berüchtigte Moskauer Gefängnis Lubjanka gebracht wurde, konnte er sich kaum Illusionen über sein Schicksal gemacht haben. Manuskripte, an denen er jahrelang gearbeitet hatte, Briefe, Postkarten, Skizzen wurden beschlagnahmt und vernichtet. Isaak Babel wurde verhört und gefoltert, am 26. Januar 1940 in einer nur 20-minütigen Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt und schon einen Tag später, am 27. Januar 1940, im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen. Den Befehl dazu hatte Stalin unterschrieben.
"Sie haben mich viele Jahre lang betrogen, indem sie sagten, Babel lebe noch und sei in einem Lager, obwohl er längst erschossen worden war. Dann haben sie mich betrogen, indem sie sagten, er sei eines natürlichen Todes gestorben. Sie haben verschiedene Menschen zu mir geschickt, die das bestätigen sollten. Ich hatte den Eindruck, dass die Machthaber selber Angst hatten, zuzugeben, dass Babel erschossen worden war."
Babels Witwe Antonina Piroshkowa erfuhr erst 1988 die ganze Wahrheit.
"Im Ausland interessierte man sich sehr für Babels Schicksal. Als Babels Schwester das erste Mal nach Jahren aus dem Ausland nach Moskau kam und mich fragte, wie ihr Bruder gestorben sei, war es undenkbar, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich erzählte ihr damals selbst eine Version, die mir zuvor erzählt worden war: dass Babel auf einer Bank sitzend gestorben sei, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt."
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