"Irma" von Tex Rubinowitz

Blödelei auf literarischer Metaebene

Der deutsche Schriftsteller Tex Rubinowitz, Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014, mit Blumenstrauß bei der Preisverleihung der 38. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.
Der deutsche Schriftsteller Tex Rubinowitz gewann 2014 den Ingeborg-Bachmann-Preis. © picture alliance / dpa / Gert Eggenberger
Von Ursula März · 23.04.2015
Tex Rubinowitz verstand sich bislang als Maler und Cartoonist, mit dem Gewinn des Klagenfurter Bachmannpreises im vergangenen Jahr hat er sich als Schriftsteller einen Namen gemacht. Sein aus dem Gewinnertext hervorgegangenes Buch "Irma" hat einen chaotischen Charme, seine ironischen Selbstreferenzen aber sind ermüdend.
Er war ein Überraschungsgewinner des vergangenen Bachmannpreis-Wettbewerbes: Tex Rubinowitz. Der deutsche, schon viele Jahre in Wien lebende Autor widerspricht dem Profil des typischen Klagenfurtsieger gleich in mehrfacher Hinsicht. Erstens zählt Rubinowitz, der 1961 in Hannover geboren wurde und sich bislang eher als Maler und Cartoonist denn als Schriftsteller einen Namen machte, nicht gerade zur jungen Nachwuchsgeneration. Zweitens ist er ein waschechter Humorist mit Schlagseite ins Groteske und Anarchische.
Verbeugung vor Marcel Proust
Seine Texte haben erkennbar wenig mit jenem literarischem Bedeutsamkeitsernst zu tun haben, als dessen Herkunftsstätten die Schreibschulen in Hildesheim und Leipzig gelten und der mit Vorliebe beim Klagenfurter Wettlesen vertreten ist. Tex Rubinowitz schreibt aus dem Geist der gehobenen Blödelei. Das gilt für die Prosapassage, mit der er in Klagenfurt gewann, wie für das nun erschienene Buch, das aus dem Gewinnertext hervorging und im Titel den Namen einer Frau trägt: "Irma". Allerdings handelt es sich um Blödelei auf literarischer Metaebene.
Die Ausgangssituation von "Irma" darf als Verbeugung vor dem großen Kollegen Marcel Proust und seiner Madeleine gelten, deren Genuss augenblicklich die Erinnerung an vergangene Lebenszeiten zurückholt. Bei dem Ich-Erzähler von Tex Rubinowitz, die als nahezu identisch gelten dürfen, ist es keine Madeleine, sondern eine Email. Über Facebook erreicht ihn eine Freundschaftsanfrage von einer gewissen Irma, einer Baltendeutsche, die vor dreißig Jahren für eine Weile bei ihm in Wien wohnte und seine Freundin war. Irma lernte Koreanisch, lutschte an Elektrobatterien und war für geordnete Haushaltsführung so wenig zu gewinnen wie für logische Gedankengänge. Diese Irma wird nun der Auslöser für eine autobiografische Spurensuche im Gedächtnis. In losem Zusammenhang resümiert er Abenteuer, Stationen, Jobs und Projekte einer oft prekären Boheme- und Künstlerexistenz, die allesamt etwas skurril und schräg anmuten.
Keine Klagenfurter Ausnahme
Ein Spontanurlaub auf den Azoren über Weihnachten, wo ein ganzes Dorf von einem Orkan weggerissen wurde, eine Minirolle in dem Film "Before Sunrise" von Richard Linklater, eine Reihe glückloser oder glücklicher Romanzen - im literarischen Kosmos von Tex Rubinowitz herrscht das Prinzip von drunter und drüber. Dies macht den Charme des Buches aus, das zudem mit der Identität des Autors spielt. Es enthält eine Reihe von Zeichnungen, die dem Cartoonisten Tex Rubinowitz zuzurechnen sind, als deren Erzeuger er aber einen gewissen Max Müller ausgibt. Ein wenig überstrapaziert und auf Dauer kaum mehr belustigend sind die zahlreichen ironischen Selbstreferenzen.
Schon in der Mitte des Buches taucht die Figur eines Lektors auf, der dem Autor über die Schulter schaut und mit seinen Einfällen und Korrekturen an der Entstehung eben des Textes mitwirkt und die Wirkung von Pointen, die man gerade liest, kritisch erörtert. Für die frische Originalität von Tex Rubinowitz ist dieser postmoderne Trick zu verstaubt. Sein Einsatz könnte der Not geschuldet sein, einen Klagenfurter Siegertext möglichst zügig auf Buchlänge zu dehnen. Damit allerdings wäre Rubinowitz keine Klagenfurter Ausnahme.

Tex Rubinowitz: "Irma"
Rowohlt Verlag 2015
236 Seiten, 18,95 Euro

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