Irische Wissenschaftlerin: Dublin kommt ohne IWF-Hilfen aus der Krise

Jill Donoghue im Gespräch mit Marcus Pindur · 08.10.2010
Irland wolle seine Wirtschaftskrise selbst bewältigen, sagt die Wissenschaftlerin Jill Donoghue anlässlich der IWF-Jahrestagung. Die Regierung habe bereits strenge Maßnahmen eingeleitet, um dieses Ziel zu erreichen.
Marcus Pindur: Das Loch ist enorm. Die irische Regierung überzieht ihr Konto wie kaum eine andere in Europa. Das Haushaltsdefizit beträgt 32 Prozent des irischen Bruttoinlandsproduktes, nach den Kriterien des Eurostabilitätspaktes sind das mehr als zehnmal so viel wie erlaubt, nämlich drei Prozent.

2014 wollen die Iren wieder schwarze Zahlen schreiben, heute beginnt die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Washington, da wird die Krise in Irland auch zur Sprache kommen. Ich begrüße jetzt am Telefon Jill Donoghue. Sie ist die Direktorin des Institute of International and European Affairs in Dublin. Guten Morgen, Frau Donoghue!

Jill Donoghue: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Irlands abermals herabgestuft, das heißt, Kredite werden auch wieder teurer für das Land. Wird Irland ohne Hilfe des IWF, des Internationalen Währungsfonds, überhaupt auskommen?

Donoghue: Oh, ich glaube wohl. Also unser Finanzminister hat gesagt, dass wir also weder Hilfe von den neuen EU-Rettungsfonds in Anspruch nehmen wollen noch von der IWF. Und heute in "Irish Times" stehen also Schlagzeilen, dass der IWF eigentlich optimistischer ist über die Aussichten für Irland, weil eben die Regierung solche strenge Maßnahmen bis jetzt vorgenommen hat. Und unsere Regierung und unsere Zentralbankgouverneur Patrick Honohan stimmt auch zu.

Pindur: Also das heißt, Irland wird vorerst nicht den Eurorettungsschirm in Anspruch nehmen, muss aber natürlich jetzt schwere Haushaltsdisziplin üben. In einem anderen hoch verschuldeten Land, in Griechenland, stößt das ja auf schweren Widerstand, dieser radikale Sparkurs. Ist der politische Widerstand dagegen in Irland ähnlich groß oder ist da mehr Einsicht in die Notwendigkeit?

Donoghue: Ich glaube, dass es hier mehr Einsicht in die Notwendigkeit gibt. Also Irland ist nie ein sehr reiches Land gewesen, und wir haben ab und zu mal auch in den 80er-Jahren unsere Gürtel enger schnallen müssen. Das Problem für uns war, dass wir nicht wussten, also wie groß die Krise war bis letzten Donnerstag, jetzt weiß man Bescheid, und ich glaube, jeder spielt jetzt seinen Teil, weil eben Irland das Problem selbst bewältigen will. Und Steuern sind schon angeboten, also wir wissen, dass die Regierung jetzt einen vierjährigen Plan vorbereitet.

Unsere Gehälter sind alle jetzt gekürzt worden, und die Regierung hat verschiedenen Maßnahmen genommen, die sehr, sehr streng sind und die natürlich nicht willkommen sind. Der Bürger, der Steuerzahler hat das Gefühl natürlich, dass die Banken eigentlich schuld an der ganzen Krise sind und nicht der Steuerzahler selbst, aber jeder macht mit, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Pindur: Irland war ja in den letzten Jahren wirtschaftlich sehr gut aufgestellt, ist kontinuierlich gewachsen seit den 90er-Jahren, man sprach vom keltischen Tiger. Wie reagiert denn die irische Öffentlichkeit auf diesen Absturz jetzt?

Donoghue: Ja, irgendwie ... Also wir wussten schon, dass wir in einer Boomzeit gelebt haben. Also Irland war, wie Sie sagen, eine Vorzeigeökonomie zwei Jahrzehnte lang, und natürlich fragte man sich, auf welcher Basis hat sich die Wirtschaft so entwickelt. Und Wachstumstreiber damals waren also Finanzsektor und Immobilienmarkt, und die Hauspreise sind in Irland enorm gestiegen, und man wusste schon, dass es also doch wie eine Luftblase war, dass diese Preise nicht anhalten könnten. Natürlich reagiert man bedrückt auf die neue Situation, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen auf 14 Prozent, wir haben jetzt Emigration wieder.

Früher in der (…) Tigerzeit hat es Immigration gegeben, die Iren kamen zurück, weil es der Wirtschaft so gut ging, jetzt haben wir natürlich sehr hohe Staatsschulden, und jede Familie ist betroffen dadurch, dass sie auch Häuser und Immobilien gekauft haben, die ihren Wert jetzt verloren haben.

Und natürlich gibt es Wutausbrüche, die richten sich also mehr gegen die Bankiers als gegen die Regierung, obwohl unser Premierminister natürlich auch unter sehr viel Druck in letzter Zeit kam. Immerhin hat unser Finanzminister schon versucht, die Bevölkerung mitzubringen, indem er also regelmäßig erklärt jetzt, was passiert, wie groß das Problem ist und was der Plan ist, um einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, und das natürlich auch mithilfe der Oppositionsparteien.

Pindur: Also eine sehr konsensorientierte Politik in Irland. Wie schätzen Sie denn die Wachstumschancen für die nächsten Jahre ein, Frau Donoghue?

Donoghue: Die werden wahrscheinlich gering sein, aber man versucht jetzt, neue Jobs zu finden, um alte Jobs, die verloren gegangen sind, zu ersetzen, zum Beispiel grüne Jobs. Es gibt keine Jobs mehr im Hausbau, aber jetzt versuchen die Leute in diesem Sektor, ältere Häuser zu renovieren und effizienter zu machen, was also Energiebedarf angeht.

Und das hat schon in diesem kleinen Bereich einen Schwung gegeben. Wir haben auch sehr viele große Konzerne aus Amerika hier im EK-Bereich, also Google und Microsoft und Facebook, und die schaffen auch smart jobs. Irgendwie hat es doch zu einer Reflexion über die Möglichkeiten der Jobentwicklung nicht nur von oben, sondern von unten auch getrieben.

Pindur: Frau Donoghue, vielen Dank für das Gespräch!

Donoghue: Oh, bitte, bitte! Hat mich gefreut.

Pindur: Jill Donoghue, sie ist Direktorin des Institute of International and European Affairs in Dublin.