Irans Reformer wollen keinen "Antiamerikanismus der 70er"

Walter Posch im Gespräch mit Gabi Wuttke · 17.09.2013
Der Islamwissenschaftler Walter Posch sieht in den jüngsten Bemühungen des Iran um ein besseres Verhältnis zu den USA noch keinen echten Durchbruch. Bei Syrien sei die neue iranische Führung ebenso wie der Westen in einem Dilemma: "Man weiß nicht, was passiert, wenn Assad fällt."
Gabi Wuttke: Der Vorhang, er bleibt offen, das Drama um Syrien geht weiter, die Chemiewaffeninspekteure der Vereinten Nationen bespielen mit ihrem Syrien-Bericht den neuesten Akt. Sie berichten, worüber offiziell kein Zweifel besteht, dass im August in Syrien Chemiewaffen zum Einsatz kamen. Wenn im UN-Sicherheitsrat nun alles nach Plan läuft und der letzte Akt tatsächlich die Vernichtung der C-Waffen-Depots wäre, was bedeutete das für den Syrien-treuen Iran, sein umstrittenes Atom-Programm und den neuen Präsidenten?

Fragen, zu denen Walter Posch bei der Stiftung Wissenschaft und Politik forscht. Einen schönen guten Morgen!

Walter Posch: Guten Morgen!

Wuttke: US-Präsident Obama hat vor zwei Tagen gesagt, die Atomfrage im Iran sei ein weit größeres Thema als die Chemiewaffenfrage in Syrien. Sehen Sie das auch so?

Posch: Das ist eine interessante Aussage. Der Iran hat zwar ein Nuklearprogramm, aber keine Atomwaffen. Syrien hat definitiv Chemiewaffen und sie offensichtlich auch eingesetzt, wenn auch der Einsatz mit dem Einsatz nicht zu vergleichen ist, den wir sozusagen als den Standard, den Standardschrecken kennen, das ist der brutale Gaseinsatz Saddam Husseins gegen seine eigene Bevölkerung. Also es ist nicht von dieser Größe. Aber es ist eine Tatsache. Die gesamte Diplomatie, die gesamte Nahost-Strategie mehr oder weniger des Westens, nicht nur der USA, ist auf den Iran und sein Atomprogramm und wie man das am besten einhegt, eingerichtet.

Wuttke: Das heißt, der Zickzackkurs, der über Syrien weiter den Iran bespielt, der ist ein internationaler?

Posch: Zum Teil ja. Das Problem ist vielleicht weniger im Zickzackkurs als im eigentlichen Dilemma. Man weiß nicht, was passiert, wenn Assad fällt. Assad ist gleichzeitig ein nichtfunktionierender Diktator sozusagen, also es gibt auch keine Grabesruhe, wenn er an der Macht bliebe. Und eigentlich sind die Iraner in genau demselben Dilemma, als es der Westen ist, was es heißt in ihrer Syrien-Politik. Es gibt keinen Frieden mit Assad, es wird keinen geben ohne Assad.

Wuttke: Vor diesem Hintergrund – wie schätzen Sie ein, warum der neue iranische Präsident Rohani so eindringlich um Obamas Vertrauen wirbt?

Posch: Also zunächst einmal ist das vor dem Hintergrund der inneriranischen Spannungen zu sehen. Die Leute um Rohani, um Rafsandschani, die haben immer gesagt. Wir haben die Revolution gewonnen, wir können genügend Selbstvertrauen haben. Wir müssen da nicht hergehen und jetzt die permanente Revolution führen und Außenpolitik nur vor dem Hintergrund sehen von Antiamerikanismus der 70er-Jahre. Dagegen gab es eben und gibt es bestimmende Kräfte, die hergegangen sind und gesagt haben: Nein, die Amerikaner werden immer und ewig unsere Feinde bleiben, die wollen den Islam nicht, die wollen vor allem den revolutionären Islam nicht, wie wir ihn haben, und wir müssen daher unsere Außenpolitik und unsere gesamte Strategie antiamerikanisch ausrichten. Und da waren Rohani und Rafsandschani immer schon die Pragmatiker.

Jetzt, auch aufgrund der prekären Wirtschaftslage, auch aufgrund der Tatsache, dass sie wissen, dass sie aus diesem Druck rauskommen müssen, haben sie sich sozusagen ein Herz gefasst und versuchen jetzt aktiv, mit den Amerikanern besser ins Gespräch zu kommen, gegen natürlich große innere Widerstände.

"Kampf gegen Israel - die Essenz des Regimes?"
Wuttke: Rohani hat ja zweifellos Recht: Das beidseitige Verhältnis ist von Misstrauen geprägt. Was ist jetzt Ihre Meinung? Ist es politisch klug von Obama oder historisch nur vorhersehbar, dass er sich jetzt so ziert?

Posch: Da ist eben zuviel geschehen. Man hat immer noch, nicht nur in den USA, sondern im gesamten Westen, ein Problem mit den Iranern, das sozusagen alles auf den Punkt bringt. Das ist weniger das Nuklearprogramm in der jetzigen Form, sondern was wollen wir eigentlich wirklich damit? Wenn es ein Nationalstaat ist, wenn es nationalstaatliche Interessen sind, die, sagen wir, durch wirtschaftliche Interessen definiert sind, dann kann man ja verhandeln. Wenn es aber darum geht, dass der Staat als solcher sich als Revolutionär, also antiamerikanisch definiert, der Kampf gegen Israel die Essenz des Regimes ist, nicht nur ein Mittel, nicht nur ein Element, dann hätte man ja weniger Probleme, das wäre ja alles verhandelbar. Und weil man sich eben da nicht sicher ist, weil man weiß, dass es zwei Richtungen gibt, und weil es auch innenpolitisch mittlerweile so ein Problem ist, kann Obama nicht einfach hergehen und sagen, na gut, da waren jetzt 30 Jahre Probleme und jetzt reden wir mal miteinander. Abgesehen davon haben sie ja nicht einmal mehr diplomatische Beziehungen.

Wuttke: Rohani ist auf Israel zugegangen, auf die USA zugegangen, aber natürlich, über ihm steht immer noch Ali Chamenei. Deshalb stellt sich auch jetzt wieder die Frage, wie viel Politik darf der Präsident machen? Was ist Geste, oder wo zeichnet sich ab, dass er jetzt möglicherweise mehr darf als sein Vorgänger Ahmadinedschad?

Posch: Na ja, der Vergleich mit Ahmadinedschad ist insoweit interessant, weil der Vorgänger Rohanis sich ja allerlei Sachen herausgenommen hat, von denen wir nicht gedacht haben, dass die möglich sind. Also da ist schon einmal sozusagen eine Steilvorlage da. Auf der anderen Seite – Chamenei gehört eigentlich eher ins pragmatische Lager. Der kennt aber die innenpolitischen Kräfte sehr gut, die sich ja mit der katastrophalen Wahlniederlage um Dschalili in den letzten Präsidentschaftswahlen ordentlich blamiert haben. Er unterstützt also Rohani, er lässt ihn gewähren.

Was man aber jetzt brauchen würde, wäre ein Machtwort Chameneis, wo er hergeht und über seinen Schatten springt und sagt gut, wir haben unsere Probleme mit den Amerikanern, aber jetzt wird die Politik geändert. Es macht keinen Sinn, wir müssen mit den USA reden, wir müssen normale Verhältnisse haben. Und da sehe ich kein Zeichen bei ihm. Ja, Geheimgespräche, bessere Vorbereitungen, gemeinsames Interesse finden, das lässt er alles Rohani machen, aber diesen Bruch mit der Ideologie, diesen echten Kurswechsel, den müsste Chamenei irgendwann einmal auch gegen den Widerstand seiner treuesten Anhänger durchsetzen.

Wuttke: Ein neuer Präsident im Iran heißt nicht ein neuer Kurs. Das sagt Walter Posch von der Stiftung Wissenschaft und Politik in der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur. Herr Posch, besten Dank und einen schönen Tag.

Posch: Schönen Tag.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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