Irak-Krieg

Milde Strafe für Abu Ghraib-Folterer

Von Christoph Burgmer · 19.05.2014
Die Bilder schockierten die Welt: US-amerikanische Soldaten, die im Irak Häftlinge brutal foltern. Die Urteile gegen die Folterer fielen größtenteils milde aus. Zivilrechtlich wurden die Vergehen nie geahndet.
Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes arbeitet zumeist im Stillen. Delegierte besuchen Gefängnisse, führen Einzelgespräche mit Gefangenen über ihre Haftbedingungen und prüfen, ob die Genfer Konvention eingehalten wird. Als das Rote Kreuz im Jahr 2003 Folterungen im irakischen Gefängnis von Abu Ghraib feststellte, forderte es die US-Militärbehörden im besetzten Irak auf, diese Praxis zu unterbinden. Doch nichts geschah. Am 7. Mai 2004, über ein Jahr nach dem ersten Gefängnisbesuch, informierte man die Weltöffentlichkeit. Damit bestätigte das unabhängige Komitee des Roten Kreuzes, was zuvor schon der amerikanische Fernsehsender CBS und andere Medien berichtet hatten.
"Die Zwangsmethoden körperlicher und seelischer Art wurden vom militärischen Geheimdienst systematisch angewendet, um Geständnisse, Informationsauskünfte oder andere Formen der Zusammenarbeit von Personen zu gewinnen, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Sicherheitsverstößen festgenommen wurden oder als nützliche Informationsquelle galten. Unsere Erkenntnisse wurden zwischen März und November 2003 in direkten Gesprächen oder schriftlich erörtert."
"Breit angelegtes System"
Abu Ghraib, das nahe Bagdad gelegene Gefängnis, war das Symbol für das Terrorregime des gestürzten Diktators Saddam Hussein. Auf 110 Hektar waren zeitweise weit mehr als 15.000 Gefangene inhaftiert. Es soll zu Massenhinrichtungen und Versuchen mit chemischen Kampfstoffen an Gefangenen gekommen sein. Als die US-Armee den Komplex eroberte, machte sie Abu Ghraib zum wichtigsten Gefängnis im Irak. Die amerikanische Generalität bestand darauf, dass Verhörpraktiken die zivilen Behörden nichts angingen. Das Resümee des Roten Kreuzes schockierte die Weltöffentlichkeit.
"Wir haben es hier mit einem breit angelegten System zu tun und nicht mit individuellen Handlungen."
Bilder von nackten Gefangenen, wie Hunde an einem Halsband gehalten oder "mit Elektrokabeln am Körper verbunden", gingen um die Welt. Andere Häftlinge wurden zu sexuellen Handlungen gezwungen oder zu nackten Menschenbergen aufgetürmt und dabei gefilmt. Während jedoch der amerikanische Außenminister Donald Rumsfeld Folterpraktiken wie das berüchtigte "Waterboarding" verteidigte, sah sich US-Präsident George W. Bush aufgrund des massiven internationalen Drucks zum ersten Mal seit der völkerrechtswidrigen Invasion in den Irak 2003 gezwungen, öffentlich eine Erklärung abzugeben.
"Ich finde solche Praktiken verabscheuungswürdig. Die Iraker müssen jedoch begreifen, dass das, was in diesem Gefängnis geschehen ist, nicht im Namen jenes Amerika geschah, das ich kenne. Wir sind eine Gesellschaft, die gewillt ist, solche Vorfälle zu untersuchen, anders als zu Zeiten Saddam Husseins. Es wird Untersuchungen geben. Die Verantwortlichen werden vor Gericht gestellt."
Folterungen wurden zivilrechtlich nie geahndet
George W. Bush gab das Interview dem von den USA finanzierten und in Virginia ansässigen arabischsprachigen Fernsehsender al-hurra "Die Freie", dessen Programme auch im Irak ausgestrahlt werden. Noch am selben Tag wurde in Bagdad der 25-jährige Soldat und Mechaniker Jeremy C. Sivits unter anderem wegen Misshandlung von Gefangenen angeklagt. Sivits hatte einen großen Teil der Fotos gemacht, die in die Medien gelangt und den Skandal ausgelöst hatten. Ein militärisches Sondergericht verurteilte ihn schon eineinhalb Wochen später, am 19.5.2004, nach nur drei stündiger Verhandlung, zur Höchststrafe von einem Jahr Haft und unehrenhafter Entlassung aus der Armee.
Sivits war jedoch nur das Bauernopfer. Denn die systematische Folter sogenannter "feindlicher Kämpfer" gehörte zur psychologischen Kriegsführung im Irak. Von den Vorgängen in Abu Ghraib jedoch wollten die verantwortlichen Generäle nichts gewusst haben.
"We still don't know what we don't know."
Es folgte eine Reihe milder Urteile vor Militär-Sondergerichten. Zivilrechtlich wurden die Folterungen, in denen, so wird vermutet, über 100 Menschen in Abu Ghraib zu Tode kamen, nicht geahndet. So besteht auch heute noch der Vorwurf, dass die amerikanische Politik niemals ein wirkliches Interesse daran hatte, den Abu Ghraib-Folterskandal lückenlos aufzuklären.