Interview mit Kriminologe Christian Walburg

Gewalt als Mittel, um Macht zu erlangen

Ein junger Mann hebt seine geballte Faust
Ein junger Mann hebt seine geballte Faust © dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Christian Walburg im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 07.01.2016
Begehen hier lebende Zugewanderte mehr Straftaten als andere Einwohner? Der Münsteraner Kriminologe Christian Walburg bestätigt eine Erhöhung von Gewalttaten bei migrantischen, männlichen Jugendlichen. Straftäter seien aber auch in dieser Gruppe eine Minderheit.
Was sagen Studien zum Vorwurf der überproportionalen Ausländerkriminalität? Das haben wir Christian Walburg, Kriminologe an der Universität Münster, gefragt.
Er sagte: " Wenn sich Probleme gezeigt haben, dann ist das tatsächlich in der so genannten zweiten und dritten Generation, das heißt bei jungen Menschen aus Einwandererfamilien. Auch hier betrifft das dann eine kleine Minderheit, das muss man dazu sagen. Es besteht schnell die Gefahr, dass pauschalisiert wird."
Aber ist die Ausländerkriminalität nun höher?
Nicht in allen Deliktsbereichen, meinte Walburg. Für typische Jugenddelikte – wie Diebstähle oder Sachbeschädigungen – gelte das nicht. Erhöht sei unter Jugendlichen aus Migrantenfamiliender Anteil an Gewalttaten. Vor allem männliche Jugendliche seien hier eine Risikogruppe:
Walburg: "Man kann allgemein die Beobachtung machen, gerade bei jungen Männern, männlichen Heranwachsenden, die sich in einer marginalisierten, randständigen Lage in einer Gesellschaft finden, dass dort Gewalt attraktiver isst."
Gewalt sei für diese Jugendlichen vermeintlich eine Möglichkeit, um Macht, Anerkennung und Status zu erlangen – "und damit ein Stück weit zu kompensieren, dass man sich am Rande der Gesellschaft befindet", sagte der Kriminologe. Und Gewalt finde auch in Gruppen statt, in denen man sich "aufgehoben" fühle.
Haben wir noch Tabus, über Straftaten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu sprechen?
"Wir haben immer wieder Vorfälle gehabt, nach denen wir breite Debatten hatten", sagte Walburg im Deutschlandradio Kultur und erinnerte an die Diskussion um Gewalt-Vorfälle an der Rütli-Schule in Berlin aus dem Jahr 2006 oder den Fall Memmet aus München, der in die Türkei abgeschoben wurde.
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