Internetwährung

Riskante Spekulationen mit virtuellem Geld

Bitcoins-Aufkleber auf einer Glasscheibe
In diesem Laden wird die Währung Bitcoins akzeptiert © Po Keung Cheung
Von Po Keung Cheung · 10.12.2013
Die Internetwährung Bitcoin erlebt einen Boom, ursprünglich sollte das virtuelle Geld weltweit für den Kauf von Waren genutzt werden. Inzwischen spekulieren Anleger mit Bitcoins und fahren enorme Gewinne ein. Das digitale Geld wurde 2009 erfunden.
In einem Café im Berliner Bezirk Kreuzberg: Dutzende Gäste und ein Mann auf der Bühne. Er redet über Geld - virtuelles Geld: Bitcoins. Startschuss für den Handel. Der Mann mit der Glocke ist Aaron Koenig, er veranstaltet die Berliner Bitcoin-Börse. Für den hauptberuflichen Film-Produzenten geht es mehr als nur um Geld, sondern um Politik.
"Das aktuelle Geldsystem, was wir haben, ist sehr schädlich. Weil es eine sehr negative Umverteilung bewirkt, nämlich von arm zu reich, von fleißig zu denen, die sowieso schon haben. Satoshi Nakamoto, der Erfinder von Bitcoin wusste ganz genau, wie schädlich dieses Zentralbanksystem ist und hat sich ein System überlegt, das ohne Zentralbank auskommt und was die Macht den Banken und den Regierungen wieder wegnimmt."
Eine Art Protestwährung, bei der Nutzer direkt untereinander Geld austauschen, Dienste und Waren bezahlen – alles anonym. Wie bei Schweizer Nummernkonten spielen bei Bitcoins Namen und Adressen keine Rolle. Da die digitale Währung nur verschlüsselt im Computer, also virtuell existiert, stecken, anders als bei Gold oder Aktien, keine materiellen Werte dahinter. Es ist privates Geld.
Allerdings funktioniert es nach den üblichen Gesetzen des Marktes: Ist die Nachfrage groß, steigt der Wert. Ist sie gering, dann fällt er wieder. Derzeit zeigt der Kurs nur in eine Richtung: Nach oben. Deshalb herrscht auf der Börse dichtes Gedränge: Neulinge informieren sich, die Kenner tauschen gleich reale Scheine und Münzen in virtuelles Geld, oder anders herum.
Bitcoinhändler tragen schwarze Melonen
Händler, erkennbar an schwarzen Melonen auf dem Kopf, halten Tafeln hoch, auf die sie mit Kreide den aktuellen Wechselkurs geschrieben haben. Das Geschäft läuft auf Hochtouren.
Ich würde gerne Bitcoins für einhundert Euro kaufen.
"Hundert Euro, also ich mache einen Kurs von 625. Da müsste ich kurz nochmal ausrechnen dann, was es jetzt kostet. So, also, wir haben hundert, geteilt durch 625, macht 0,16 Bitcoin ...".
625 Euro pro Bitcoin, noch vor Wochen waren es 120. Wer damals investierte, macht heute einen satten Gewinn.
"Hast Du Deinen QR-Code da?"
"Ja, ich hab' es Dir gerade eingetippt, so hier jetzt kannst Du es einscannen."
"Alles klar, habe ich. Und dann sende ich Dir es."
"Okay, ist angekommen. Also hier die hundert Euro. Danke Dir und dann bis zum nächsten Mal."
Der Käufer ruft einen Code auf seinem Handy auf, der Verkäufer fotografiert es mit seinem Smartphone ab. Über das Internet werden die Daten ausgetauscht, geprüft und nach Sekunden ist die Zahlung abgeschlossen.
Dahinter steckt ein weltweites Netzwerk aus vielen Computern, die von Bitcoin-Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Sie führen eine komplexe Buchführung durch: Jede einzelne Transaktion wird registriert, gespeichert und offen gelegt, vergleichbar mit einem Fahrzeugbrief, wo jeder Vorbesitzer eingetragen ist. Diese kollektive Kontrolle soll verhindern, dass Bitcoins doppelt ausgegeben oder sogar gefälscht werden.
Nicht nur die Zahl der Nutzer steigt, auch immer mehr Geschäfte akzeptieren digitales Geld. Ein Internet-Lieferdienst bringt Essen und Getränke gegen virtuelle Münzen ins Haus. Und selbst große Unternehmen wie Ebay schließen nicht aus, dass sie irgendwann einmal Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren werden.
"Bitcoins sind kein echter Reichtum"
Cassandra Wintgens tut es längst. Die gebürtige Niederländerin betreibt in Berlin-Kreuzberg das kleine Hotel "Lekkerurlaub Notaufnahme". Für ein Doppelzimmer sind jetzt rund 0,104 Bitcoins, also 65 Euro fällig, nimmt man den Umtauschkurs von 625 Euro pro Bitcoin zugrunde. Die virtuelle Bezahlung nutzen vor allem junge Leute.
"Sie wollen gerne es mal ausprobieren und Fotos machen, wenn sie sie zum ersten Mal ausgeben. Sie sind schon aufgeregt, wenn sie zahlen kommen".
Cassandra Wintgens hat ihre Bitcoins noch nicht in reales Geld umgetauscht. Angst vor einem Kursverfall hat sie aber nicht.
"Nein, es nicht, dass ich Angst habe, dass ich auf einmal ganz viel Geld verliere. Ich finde es spannend, bisher sind an jedem Tag die Bitcoins etwas mehr wert und es ist einfach."
Raúl Rojas ist hingegen skeptisch.Der Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Informatik an der Freien Universität Berlin spricht von einem "Irrationalen Überschwang" und schließt ein baldiges Platzen der Blase nicht aus. Der Kurs der Bitcoins kann nicht ewig nach oben gehen.
"Bitcoins sind kein echter Reichtum, da wird kein Reichtum generiert. Es wird nur Geld transferiert von einer Tasche von jemandem in die Tasche von jemandem anderen. Wenn ich jetzt lese, dass bestimmte Leute schon Millionengewinne eingefahren haben, das aber nur auf Kosten von Anderen, die das Geld in das System reingebracht haben."
Professor Rojas lehnt die Idee einer digitalen Währung nicht grundsätzlich ab. Damit es funktioniert, muss aber etwas eingeführt werden, was die Bitcoin-Befürworter prinzipiell ablehnen: eine institutionelle Kontrolle.
"Wie kann man verhindern, dass Geldwäsche damit zum Beispiel übertrieben wird? Wie kann auch die Umsätze versteuern, was gerade heute noch nicht gemacht wird. Alle diese Regulierungsmaßnahmen müssen greifen, weil sonst hätten wir eine Parallelwirtschaft, wo man keine Steuern zahlt, wo jeder macht, was er will und das natürlich im großen Stil nicht gehen."
Der Wissenschaftler ist überzeugt: Den eigentlichen Zweck haben die Bitcoins verfehlt.
"Zwischen Anspruch als Zahlungsmittel des Internets zu dienen und Wirklichkeit, Spekulationsobjekt zu sein, da liegen Welten."