Internet

"Gefällt mir!" - reicht nicht!

Von Uwe Bork · 25.03.2014
Für den Journalisten Uwe Bork gibt es eine schwindende Freiheit im Internet. Er zweifelt am Netz als demokratische Spielwiese. Im World Wide Web gehe es um Macht und Geld.
Liebe Nerds! Liebe Geeks! Und natürlich liebe intellektuelle Anhänger des reduzierten Designs! Ihr müsst jetzt einmal ganz stark sein. Gilt doch allem Anschein zum Trotz: Steve Jobs war kein selbstloser Weltverbesserer, und bei ihm stand das allgemeine Wohl der Menschheit vermutlich auch nicht ganz oben auf seiner Agenda.
Selbst wenn in Kalifornien seit Monaten für ein Standbild gesammelt wird, neben dem der Koloss von Rhodos aussehen könnte wie ein Lego-Männchen: Ob Jobs allein deshalb auf einen Sockel gehört, weil er als kreativer Kopf Apple reifen ließ, mag bezweifelt werden. Seine Firma hat mit ihren Produkten technologisch und sozial zwar die Welt verändert, sie hat andererseits auf Wunsch der Regierung in Beijing aber auch eine App aus ihrem Programm genommen, die die chinesische Zensur austricksen konnte. Der Meinungsfreiheit hat das nicht gedient, Apples Geschäften dagegen schon.
Der Vergleich mit Bill Gates liegt plötzlich nahe, immerhin einem der ersten absoluten "bad guys" des Online-Zeitalters.
Bill Gates als Anfänger des Aushorchens
Was haben wir diesem Daten-Dominator nicht alles in die Schuhe schieben wollen, selbst der klammheimliche Wunsch nach Weltherrschaft klang ja nicht ganz abwegig. Und heute? Gegen den nach wie vor ungebändigten Wissensdrang der NSA sieht er inzwischen aus wie ein tölperhafter Anfänger des Aushorchens, und mit seiner Bill & Melinda Gates Stiftung gebietet er mittlerweile über die mit Abstand größte Privatstiftung der Welt. Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 ließ sie mehr als 25 Milliarden US-Dollar in über 100 Länder fließen.
Wer hätte das damals gedacht, als wir ihm am liebsten jedes einzelne seiner virtuellen Windows mit den Steinen unserer basisdemokratischen Entrüstung eingeworfen hätten?
Der eine war so etwas wie der weiße Ritter unserer Träume, der uns neue Möglichkeiten der Selbstverwirklichung an die Hand gab, der andere dagegen ein übler Schurke, der uns alle die Freiheiten wieder rauben wollte, die wir uns in einer Revolte gegen unsere Väter und ihre politischen Stellvertreter doch gerade erst erkämpft hatten.
Anders als andere Wirtschaftssektoren scheinen ausgerechnet das Internet und seine Medienderivate dazu zu reizen, sie mit den Augen einer Romantik zu betrachten, die schon in der vorindustriellen Manufakturperiode überholt war. Die einen sind gut, die anderen böse, die einen wollen uns nur helfen, die anderen nur schaden: Ausgerechnet in einem digitalen Medium kommt die Kunst des groben Holzschnitts zu neuen Ehren. Derlei Versuche, sich in Wahrnehmung und Wiedergabe auf reines Schwarz oder Weiß zu beschränken und das World Wide Web vorrangig aus der Charakterstruktur seiner Hauptakteure zu erklären, greifen jedoch zu kurz. Sie verkennen, dass es hier um Geld geht, sehr viel Geld. Und um Macht, sehr viel Macht.
Es geht um Geld, Macht und sensible Daten
Wenn etwa führende amerikanische Internet-Unternehmen sich in seltener Allianz gegen die Überwachungspraktiken ihrer eigenen Regierung wenden, so tun sie das wohl nicht in erster Linie, weil ihnen ein freier Informationsfluss für eine Gesellschaft mündiger Bürger unverzichtbar erscheint. Motivierender für ihr Engagement dürfte vielmehr die Befürchtung sein, die im Cyberspace inzwischen allgegenwärtigen Horchposten könnten ihr profitables Geschäftsmodell stören.
"Die Menschen werden keine Technologie nutzen, der sie nicht vertrauen", warnt etwa ein gewisser Brad Smith, als Vizepräsident von Microsoft einer der Topmanager einer Firma, die das Geschäftsjahr 2013 mit einem Nettogewinn von rund 22 Milliarden US-Dollar abschloss. Nur zum Vergleich: Das ist ungefähr das Vierfache der Staatseinnahmen der afrikanischen Republik Tansania mit ihren immerhin 48 Millionen Einwohnern.
Liebe Nerds, Geeks oder wer auch immer: Was das Internet bewegt, ist nicht euer Wunsch, Bilder zu tauschen, Statusmeldungen zu posten oder Filme und Musiktitel herunterzuladen. Was das Internet bewegt, ist die Möglichkeit, damit Geld zu verdienen. Und wenn dabei noch ein paar sensible persönliche Daten abfallen, umso besser.
Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet.
Uwe Bork
Uwe Bork© Uwe Bork
Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander ("Väter, Söhne und andere Irre"; "Endlich Platz im Nest: Wenn Eltern flügge werden") oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf ("Wer soll das alles glauben? Und andere schlaue Fragen an die Bibel"; "Die Christen: Expedition zu einem unbekannten Volk").
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