Internationales Literaturfestival Berlin

Ein Jugendbuch als Ballettperformance

Mädchen tanzen am 04.11.2010 in einem der neuen Ballettsäle der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik in Berlin.
Mädchen tanzen in einem Ballettsaal der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik in Berlin. © picture-alliance / dpa / Stephanie Pilick
Von Birgit Koß · 16.09.2014
Dramaturgie, Regie, Pressearbeit. Mithilfe ihrer Lehrerinnen haben die Schülerinnen der Staatlichen Schule für Ballett alle Schritte einer Theaterproduktion durchlaufen, um aus dem bewegenden Jugendbuch "A Monster Call" eine Performance zu machen.
Im Wechsel tanzen 18 Schülerin der 8. Klasse der staatliche Ballettschule Szenen zur Lesung des Autors Patrick Ness und der deutschen Übersetzung mit dem Schauspieler Jörg Petzold aus dem Buch "A Monster Call – sieben Minuten nach Mitternacht". Die zu Herzen gehende Geschichte des Jungen Connor, dessen Mutter stirbt, der sich mit seinen Albträumen, einem Monster und mobbenden Mitschülern auseinandersetzen muss, wurde bereits mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Die Veranstaltung ist das Ergebnis eines zweiwöchigen Projekts unter der Leitung der Ballettpädagogin Katja Will und der Deutschlehrerin Rebekka Garbers.
Rebekka Garbers: "Es war ganz, ganz faszinierend wie diese Schüler - ganz alleine erst mal - Schwerpunkte setzen können. Zu einer Literatur, die wirklich schnell gelesen wurde. Wir hatten eine Woche Zeit dafür vor den Ferien. Und wie sie dann in den Proben nach den Ferien direkt unter der Anleitung von Frau Will in die Umsetzung gehen konnten."
Katja Will: "Meine Aufgabe dabei ist, das Ganze in einem gewissen Rahmen zu halten. Es etwas zu lenken, dann ihnen eine Idee zu geben, wie die Szene am Ende aussehen kann. Ich geb' ihnen sozusagen den Kochtopf und die Kinder tun die Zutaten rein."
Dramaturgen, Regisseure und Performer gleichzeitig
Clara: "Wir durften uns das Buch über die Ferien ausleihen und durchlesen. Und das war sehr rührend, sehr traurig auch. Und wir mussten versuchen, auch diese ganzen Bewegungen halt zum Buch passend hinzumachen. Und das war sehr spannend."
Isabell: "Das Buch hat einem beigebracht, wie man auch Menschen besser loslassen kann, wenn sie sterben. Dass der Connor kein schlechtes Gewissen mehr hat, dass er seine Mutter losgelassen hat. Sondern dass er das wollte, dass er sie in den Himmel geschickt hat."
Lilli: "Für mich ist sehr spannend, dass wir den Autor kennenlernen und dass wir das, was wir gelesen haben, umsetzten mussten. Also, dass man das ohne viel reden auch erkennt."
Rebekka Garbers: "Wir haben im Deutschunterricht vor allem noch mal an der Dramaturgie gearbeitet. Ich habe mit den Kindern besprochen, welche Textstellen werden gelesen. Und dabei gleichzeitig noch im kleinen Maße die verschiedene Schritte einer Theaterproduktion besprochen. Also wir machen jetzt eigentlich so etwas, was der Dramaturg zu tun hat. Ihr seid die Regisseure und wir machen auch Pressearbeit und, wie man sieht, sind sie auch ganz motiviert und begeistert dabei."
Der Autor ist begeistert
Die Idee zu dieser Form der Zusammenarbeit zwischen Ballettschule und dem Literaturfestival stammt von dem Pädagogen Jens Kögler. Da die Schüler eine 6-Tage-Woche haben und häufig noch in den Abendstunden proben, ist es ihnen nicht möglich, das Festival zu besuchen. Und so haben sie sich die Autoren ins Haus geholt.
Jens Kögler: "Wir spüren, dass auch diejenigen, die vielleicht im Deutschunterricht schüchtern sind, zurückhaltend oder Schwierigkeiten haben, sich auch verbal mit solchen Texten auseinanderzusetzen, dass die bei den tänzerischen Darstellungen aber auch aufblühen und sehr viel von den Texten verstanden haben und damit was machen. Also wir haben dann im ersten Jahr den Autor Timothée de Fombelle eingeladen mit einem ganz dicken Jugendroman 'Tobie Lolness' und das passte ganz wunderbar. Und da haben wir dann gespürt wie der Autor hier war, wie ihn das beeindruckt hat. Das war ein großer Erfolg. Er sagte auch, es hat ihn richtig bewegt zu sehen, wie seine Figuren von den Kindern interpretiert und dargestellt wurden."
Und auch Patrick Ness war begeistert von der Vorführung:
"Wenn man ein Buch schreibt, ist man allein und es ist ein Ausdruck seiner selbst. Dieses Buch ist einzigartig unter meinen Büchern, denn es wurde illustriert. Und der Illustrator macht etwas anderes daraus und jetzt wird es verfilmt - und damit wird es wieder anders. Es hört sich vielleicht bescheiden an, zu sagen, dies hier war ein Schulballett. Aber die Art und Weise, wie die Schülerinnen es umgesetzt haben, wie sie den Tod auf der Bühne dargestellt haben, wie Connor Kraft bekommen hat, das habe ich mir nie so vorstellen können. Das war wunderbar! Und das ist für mich das Beste am Schreiben. Ich beende mein Buch und dann setzen die Leser es für sich um und das ist wundervoll."
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