Internationale Gartenausstellung

Kein Modell für zukünftige Stadtbegrünung

Gärtner auf der IGA 2017.
Gärtner auf der IGA 2017. © Dominik Butzmann
Carlo Becker im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 13.04.2017
Bis Mitte Oktober soll die Internationale Gartenausstellung in Berlin-Marzahn Millionen Besucher anlocken. Kann sie nachhaltige Impulse setzen für die Stadtbegrünung? Nein, meint Landschaftsarchitekt Carlo Becker, denn das IGA-Gelände verkörpere nicht den Normalzustand in der Stadt.
Die diesjährige Internationale Gartenausstellung (IGA) findet von heute an bis zum 15. Oktober im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf statt. Selbst viele Berliner verbinden Marzahn vor allem mit Plattenbauten und sozialen Brennpunkten, weniger mit ambitionierter Stadtbegrünung. Zu Unrecht, denn schon seit vielen Jahren lockt die große Parkanlage "Gärten der Welt", die auch die IGA beherbergt, jährlich viele Besucher an.
"Mitte in der Pampa" auf der selbst benannten Place Internationale. Im Hintergrund die Gondeln der IGA-Seilbahn
Noch sieht alles etwas grau und dürftig aus auf dem Gelände der IGA 2017: "Mitte in der Pampa" auf der selbst benannten Place Internationale. Im Hintergrund die Gondeln der IGA-Seilbahn.© Julia Kaiser/Deutschlandfunk

Auf Dauer nicht finanzierbar

Welche Chancen für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Stadtbegrünung birgt die IGA? Kann sie wichtige Signale für die Stadt setzen? Der Landschaftsarchitekt Carlo Becker sieht das durchaus kritisch:
"Sie bringt auf jeden Fall natürlich für Marzahn-Hellersdorf, sozusagen in der Mitte liegend, einen Impuls, eine neue Parklandschaft entsteht, die zwar zum Glück, und das ist auch gut so, andockt ist an bestehende Grün- und Freiraumstrukturen, und dort natürlich einen Impuls setzt. Da muss man dazusagen: Dieser Impuls ist für ein halbes Jahr, der wird dann anschließend in wesentlichen oder in wichtigen Teilen auch zurückgebaut, weil man das gar nicht finanzieren kann."

Andere Konzepte sind gefragt

Die normale bezirkliche Grünflächenplanung könne gerade mal die notwendigste Pflege gewährleisten, somit tauge die Sondersituation der IGA nicht als Vorbild für weitere Planungen in der Stadt. Die Realität sei vielmehr:
"Wir bauen dicht, und gleichzeitig wollen wir das Grün auf den Dächern, an den Wänden, in den kleinen Innenhöfen, die in Konkurrenz zu den Stellplatzanlagen stehen. Dann kommt es doch zum Schwur, und das Thema des Stadtgrüns hat dann häufig eine etwas schwächere Position."
Somit seien vor allem Konzepte für eine kleinteilige Begrünung in den immer dichter bebauten Stadtteilen gefragt.
Zur IGA sagte Carlo Becker weiter: Generell sei eine dezentrale Veranstaltung besser, die in allen Bezirken Impulse setze – so werde es etwa bei den Bauausstellungen gemacht. Er räumte jedoch ein, dass auf diese Weise sicherlich nicht die nötige Masse an Besuchern erreicht werden könne, um die Umgestaltung des Hauptgeländes in Marzahn zu finanzieren.
Landschaftsarchitekt Carlo Becker
Landschaftsarchitekt Carlo Becker© Privat

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Heute wird sie eröffnet, die IGA, die Internationale Gartenschau 2017 in Marzahn-Hellersdorf, und viele werden hinströmen in den Berliner Bezirk, der viel mehr ist als Platte, denn er ist auch als Gartenbezirk bekannt, und das, obwohl es ja die "Garten der Welt" dort schon länger gibt. Und nun wurde das Gelände ausgeweitet, es wurde sogar eine Schwebebahn gebaut, und die Geschäftsführerin der IGA wurde nicht müde, daran zu erinnern. Aber ist so ein Ereignis, um nicht Event zu sagen, ist das eigentlich geeignet, um eine Großstadt wie Berlin landschaftsplanerisch zu verschönern? Das will ich jetzt mit Carlo Becker diskutieren. Er ist Landschaftsarchitekt an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und hat zudem ein Büro für Landschaftsarchitektur in Berlin. Schön, dass Sie da sind, guten Morgen! (...)
Bis zum 15. Oktober werden bis zu zwei Millionen Besucher auf dem Gelände erwartet, die sich den IGA-Park da ansehen, und auch zahlreiche Veranstaltungen besuchen werden. Und die IGA soll ja auch die beiden Plattenbaubezirke Marzahn-Hellersdorf nachhaltig begrünen. Ist so ein Ereignis eigentlich dafür geeignet?
Becker: Ja, so eine IGA ist auf jeden Fall eine große Veranstaltung, die durchaus dazu geeignet ist, neue große Parkanlagen in der Stadtentwicklung auf den Weg zu bringen. Das ist aber meines Erachtens ein Punkt der Medaille. Wir haben die zweite Seite der Medaille: Es geht ja sehr stark darum gegenwärtig in der Stadtentwicklung, dass die Städte verdichtet werden. Und im Rahmen dieser Stadtentwicklung müssen wir sehen, wie wir in die Stadtquartiere das kleinteilige Grün bekommen, die Klimaanpassung bekommen, wir auch soziale Fragestellungen gleichzeitig damit behandeln. Und das kann man natürlich nicht in einer großen Parkausstellung mit hundert Hektar auf den Weg bringen.
von Billerbeck: Das heißt, ihre Kritik richtet sich gar nicht gegen die Veranstaltung per se, sondern daran, was sonst eigentlich in der Stadt passieren müsste. Denn bei der Verdichtung durch den Wohnungsbau, wir erleben es ja, es werden unglaublich viele Brachen und Lücken bebaut, oft auch mit sehr teuren Wohnungen. Da wird es vergessen, das Grün, bleibt außen vor, oder wie?

"Wir bauen dicht"

Becker: Wir reden in der Fachsprache von der sogenannten doppelten Innenentwicklung, das heißt, wir wollen Stadt entwickeln, verdichten auf der einen Seite, auf der anderen Seite soll das Doppelte, das ist das Thema des Grüns, mit im Huckepack transportiert werden. Und das gelingt uns leider noch nicht so stark, weil sehr stark auf die Baumasse, auf die Wohnungsanzahl geschaut wird, was ja wichtig und richtig ist. Aber das eine tun und das andere nicht lassen – wir müssen sehen, wie wir das miteinander verknüpfen können.
von Billerbeck: Woran liegt das? Ich meine, es gibt doch ganz viele grün interessierte Menschen, ökologisch orientierte Baueigentümer. Die müssen das doch mit im Blick haben.
Becker: Ja – aber wenn wir feststellen, wir bauen dicht, und gleichzeitig wollen wir das Grün auf den Dächern, an den Wänden, in den kleinen Innenhöfen, die in Konkurrenz zu den Stellplatzanlagen stehen, dann kommt es doch zum Schwur, und das Thema des Stadtgrüns hat dann häufig eine etwas schwächere Position.
von Billerbeck: Nun sind wir so schnell von der Gartenschau weggesprungen, aus Marzahn-Hellersdorf quasi mitten hinein in den Rest der Großstadt Berlin. Was könnte denn so eine Gartenschau trotzdem an positiven Impulsen bringen?
Becker: Sie bringt auf jeden Fall natürlich für Marzahn-Hellersdorf, sozusagen in der Mitte liegend, einen Impuls, eine neue Parklandschaft entsteht, die zwar zum Glück, und das ist auch gut so, andockt an bestehende Grün- und Freiraumstrukturen, und dort natürlich einen Impuls setzt. Da muss man dazusagen, dieser Impuls ist für ein halbes Jahr, der wird dann anschließend in wesentlichen oder in wichtigen Teilen auch zurückgebaut, weil man das gar nicht finanzieren kann.
Es wird ja ein besonderer Ausnahmezustand hinsichtlich Pflege und Erhaltung, was die normale bezirkliche Grünflächenplanung so was gar nicht finanzieren kann, wird geschaffen, und das ist natürlich so eine Sondersituation. Auf der einen Seite Impulsgeber, aber das ist nicht Normalzustand für unser Stadtgrün, mit dem wir normalerweise umgehen müssen. Da haben wir ganz andere Zwänge, allein zur Pflege der öffentlichen Grünanlagen. Sie wissen, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind, wie diese aussehen, und das ist nicht das Thema einer IGA.

Die Probleme einer dezentralen IGA

von Billerbeck: Kann ich daraus schließen, dass Sie auch den Ort für diese IGA vielleicht verkehrt finden, dort in Marzahn-Hellersdorf, dass man die IGA vielleicht ganz woanders hätte hinlegen können, dezentraler, dass man sie an vielen Orten bemerkt, und nicht diesen großen Klops, mit der wunderbaren Schwebebahn?
Becker: Da kommen wir in die Schwierigkeit: Eine dezentrale IGA machen, das wäre eigentlich ein zukunftsweisendes Projekt. Das schafft aber nicht diese Besucherzahlen, die wir dann benötigen, um auch diese großen Feierlichkeiten mit den ganzen Veranstaltungen auf den Weg zu bringen. Von daher sind wir da in einem Dilemma. Auf der einen Seite brauchen wir eigentlich einen großen Park, der relativ kompakt die Angebote bringt, viele Zuschauer, Besucher kommen hin, sind einen halben Tag oder einen Tag unterwegs und wollen dann das gesamte Programm angucken, und nicht eine ganze Stadtreise machen. Da braucht man dann wieder ein anderes Konzept der internationalen Bauausstellungen zum Beispiel. Die gehen dezentral in ein ganzes Stadtquartier hinein und entwickeln eine Vielzahl von kleinteiligen Maßnahmen zu verschiedenen Themenstellungen der zukünftigen Stadtentwicklung, übergeordnete Fragen, zum Beispiel in Hamburg war es jetzt bei der Internationalen Bauausstellung gewesen, das Thema klimaangepasste Stadt. Wie geht man mit den Stadträndern um? Das sind solche Zukunftsaufgaben, die dann eher in solchen dezentralen, auf Stadtquartiersebene geführten Konzepten umsetzbar sind.
von Billerbeck: So was kann man gerade auch bei der IBA in Thüringen beobachten, wo ein ganzes Land unter einem Stichwort Stadt/Land bearbeitet wird von den Experten bei der Internationalen Bauausstellung. Was wäre denn Ihr Wunsch gewesen für diese IBA in Berlin?
Becker: Für die IGA in Berlin meinen Sie. Die Entscheidung, vom Tempelhofer Feld - das, glaube ich, steht für sich, das war ja der ursprüngliche Standort –, nach Berlin-Hellersdorf zu gehen, das war bestimmt eine ganz gute Entscheidung. Dass wir vieles von dem, was dort auch an guten Projekten – das sind ja auch solche Projekte von Startergarten, das Thema nachhaltiger Bewirtschaftung mit Bewaldungskonzepten –, dass solche Konzepte aufgenommen werden, weiter diskutiert werden und vor allen Dingen auch in die Verstetigung kommen.
von Billerbeck: In die Verstetigung kommen, sagt der Landschaftsarchitekt. Das heißt, nachhaltig sein. Danke an Doktor Carlo Becker von der BTU Cottbus, über Sinn und Unsinn von Gartenschauen haben wir gesprochen. Ich danke Ihnen!
Becker: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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