Internationale Finanzpolitik

Tops und Flops der Schuldenschnitte

10. Deutschen Industrie-Ausstellung in Berlin 1959
Wirtschaftswunder dank Schuldenerlass. 10. Deutsche Industrie-Ausstellung auf dem Berliner Messegelände unterm Funkturm im September 1959. © picture alliance / dpa / Foto: Günter Bratke
Von Wiebke Nordenberg · 26.05.2015
Ohne das Londoner Schuldenabkommen nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Deutschlands Schulden um 50 Prozent reduziert wurden, wäre das Wirtschaftswunder wohl nicht möglich gewesen. Auch anderen Ländern wurden Schulden erlassen. Mal mit mehr, mal weniger mit Erfolg.
Heinrich Brüning:"Deutschland und die Welt brauchen gleichermaßen den entscheidenden Umschwung in der unheilvollen Nachkriegsepoche den herbeizuführen Aufgabe dieser Konferenz ist."
1931. Weltwirtschaftskrise. Deutschland ist zahlungsunfähig, das Bankensystem zusammengebrochen. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hätte Deutschland bis 1988 jährlich zwei Milliarden Reichsmark an Reparationen zahlen müssen. Unmöglich während der weltweiten Krise. Auf der Konferenz von Lausanne verzichten die Alliierten 1932 schließlich auf einen Großteil ihrer Forderungen, sie gewähren Deutschland einen Schuldenschnitt.
Konrad Adenauer: "Dieses Londoner Schuldenabkommen, meine Freunde, ist für die Widerherstellung unseres Kredits im Ausland und damit für die Festigung und Weiterentwicklung unserer Wirtschaft von absolut grundlegender Bedeutung."
Auf dem Weg zum Wirtschaftswunder
1953. Die junge Bundesrepublik sitzt auf einem Schuldenberg von knapp 30 Milliarden D-Mark. Sie kann weder ihre Vor- noch Nachkriegsschulden bedienen. Der deutschen Industrie mangelt es an Kapital. Unter Führung des Bankiers Hermann Josef Abs tritt eine deutsche Delegation in wochenlange Verhandlungen mit den West-Alliierten und weiteren Gläubigerstaaten ein. Ende Februar wird das sogenannte Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet. Darin werden Deutschlands Schulden um 50 Prozent reduziert und für die Restschuld ein Rückzahlungsplan vereinbart. Das Londoner Schuldenabkommen kann als Paradebeispiel eines erfolgreichen Schuldenschnitts verstanden werden. Es bescherte Nachkriegs-Deutschland das berühmte Wirtschaftswunder und trug zu einem schnellen Wiederaufbau bei.
1978. Die Bundesrepublik erlässt den 30 ärmsten Ländern der Welt ihre Schulden. Trotz Schuldenschnitt häufen viele Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens neue Schulden an.
José Portillo: "Es ist das Anliegen Mexicos auf internationaler Ebene den Übergang zu einer neuen wirtschaftlichen Ordnung zu schaffen."
1982. Ganz Lateinamerika befindet sich in einer Schuldenkrise. Mexiko kann seine Auslandsschulden nicht mehr tilgen und erklärt, gebeutelt von der zweiten Ölkrise, Staatsbankrott. Den Ausweg weist 1987 schließlich der sogenannte Brady- Plan. Er sieht einen stückweisen Forderungsverzicht der Banken vor. Die verbleibenden Schulden werden in langfristigere und handelbare Anleihen, sogenannte Brady-Bonds, mit einer Laufzeit zwischen zehn und dreißig Jahren verbrieft. Im Gegenzug fordern die Gläubiger Reformen in Richtung einer liberaleren Marktwirtschaft. Durch den Schuldenerlass der Gläubiger sowie die niedrige Verzinsung der Brady-Bonds konnte Mexiko Schritt für Schritt seine Schulden zurückzahlen. Zwischen 1989 und 1994 wandelten insgesamt 18 hochverschuldete Länder ihre Kredite in Brady-Bonds um.
1996. Weltbank und IWF beschließen auf Betreiben der G7-Staaten eine Initiative zur Reduzierung der Schuldenlast der hoch verschuldeten armen Länder. Diese sogenannte HIPC-Initiative verbindet Finanz- mit Entwicklungspolitik: ein Schuldenschnitt erfolgt nur, wenn die jeweilige Regierung zuvor eine Strategie zur Armutsbekämpfung vorgelegt hat.
1999. Ecuador kann seine Schulden nicht mehr tilgen und stoppt die Rückzahlungen der Brady-Bonds. Der teilweise Schuldenschnitt im Rahmen des Brady- Plans konnte die finanzielle Talfahrt des Landes nicht stoppen. Das Land schlittert in eine tiefe Banken- und Währungskrise.
Zahlungsunfähigkeit in Argentinien
Nestor Kirchner: "Ein Argentinien für alle soll unser Leitfaden sein."
2001. Argentinien vermeldet Ende des Jahres die Zahlungsunfähigkeit. Das Land steckte seit Ende der 1990er in einer Rezension. Auch Argentiniens Staatsschulden waren damals in Brady-Bonds umgewandelt worden. Nun stellt die Regierung den Schuldendienst ein, das Land ist bankrott. In mehreren Umschuldungsrunden kann Argentinien bei insgesamt 93 Prozent seiner Anleihegläubiger einen Verzicht auf mehr als zwei Drittel der Forderungen durchsetzen. Unabhängig vom Internationalen Währungsfonds, zu dem Präsident Nestor Kirchner auf Konfrontation ging. Dank eines billigen Peso und hoher Nachfrage nach Rohstoffen setzte anschließend ein Aufschwung ein.
Tony Blair: "It isn´t the end of poverty in Africa. But it is he hope that it can be ended."
2005. Die G-8 Staaten weiten die HIPC- Initiative aus und verschuldeten Entwicklungsländern werden komplett ihre Schulden erlassen. Die Bedingung: eine "gute Regierungsführung". Mehr als 30 Länder, die meisten von ihnen in Afrika südlich der Sahara, haben seitdem von einem Schuldenschnitt profitiert. Uganda allerdings häufte gleich nach dem ersten Schuldenschnitt neue Schulden an. Zeitweise lagen nach Angaben der Weltbank die staatlichen Ausgaben für Rüstung sogar über den Ausgaben für den Schuldendienst.
2014. Argentiniens Gläubiger, die den Schuldenschnitt von 2005 nicht akzeptieren wollten, klagen ihre Forderungen ein. Das Land kann diese nicht bedienen – und ist trotz, oder gerade wegen, des vorangegangenen Schuldenschnitts quasi pleite.
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