Interaktive Ausstellung in Dresden

Freunde als bessere Familie?

Mehrere Freunde amüsieren sich gemeinsam am Strand.
Die Ausstellung gibt uns viele Anstöße, über Freundschaft nachzudenken: Was ist Freundschaft, was wird sie sein? © imago / Westend61
Von Barbara Wiegand · 17.04.2015
Eine Ausstellung in Dresden beschäftigt sich mit dem Konzept von Freundschaft und wie es sich immer wieder verändert und entwickelt. Sie ist so gestaltet, dass man das Gefühl bekommt, sie mit einem Freund zu besuchen.
Am Eingang stehen wir vor einem Computerterminal und halten kleine Plastikchips an die Bildschirme
Kurator Daniel Tyradellis: "So jetzt muss ich meinen Beacon hier hinhalten und jetzt beantworte ich meine Fragen: Wie viel enge Freunde haben Sie? Mh, ein bis drei. Würden Sie ihren Freund oder Freundin anzeigen, wenn er/ sie eine Bank überfallen hätte – ich würde halt sagen – nein, würde ich eher nicht machen. So und jetzt bin ich sozusagen personalisiert."
"Und das kann ich jetzt auch machen...?"
"Das können Sie jetzt auch machen. So – jetzt machen wir beenden..."
Ist ein wahrer Freund jemand, der einen ohne Wenn und Aber unterstützt, oder kritisiert er schon mal? Ist er ein zweites Ich oder eher ein Gegenpol? Sind die wahren Freunde nur die, die wir auch nachts um vier anrufen können? Solche und noch mehr Fragen werden dem Besucher bei diesem Profiling gestellt.
"Man bekommt zu Beginn, wenn man das möchte, bekommt jeder Besucher ein Band mit einem Sender dran, einen Beacon und zu Beginn der Ausstellung kann man sich über einen Fragebogen personalisieren. Und wenn man das gemacht hat, weiß der Beacon, wer man ist und an allen digitalen Objektschildern kann man das Armband ranhalten und bekommt auf einen persönlich abgestimmte Texte. Die vom Stil her sehr unterschiedlich sind. Und sie machen zum Teil auch Vorschläge, welche Objekte man sich denn anschauen soll und welche nicht. Genau wie das ein Freund täte, um sich zu orientieren."
Spielerisch durch die Ausstellung
So bahnt man sich spielerisch seinen Weg durch die Ausstellung. Und bekommt zum Beispiel ganz eigene Einblicke in einen Raum voller Bilder, auf denen Künstler ihre Vorstellungen von Freundschalt gemalt haben. Etwa in das Bild "Meeting" von Marie Bashkirtseff, das eine Gruppe Jungen und ein einzelnes Mädchen zeigt.
"Marie Bashkirtseff führt hier eindrücklich vor Augen, dass die Ausgrenzung von Frauen an gesellschaftlicher Teilhabe bereits im Kindesalter anfängt. Eher so'n politisch korrekt ambitionierter Text. Und der andere: Eine Gruppe von Jungen beratschlagt über Dinge, die nur sie etwas angehen. Eine Szene, die mit der idyllischen Vorstellung aufräumt, es ginge bei Freundschaften unter Kindern allein um Spiel, Spaß und Freude. Tatsächlich werden schon im Kindesalter Netzwerke geflochten, die später im Berufsleben von Bedeutung sein können. Das ist ein Text, der sich eher an Leute wendet, die so einen pragmatischen Nutzen-Freundschaftsbegriff haben."
Diese mit Reproduktionen gefüllte Gemäldegalerie ist eine von fünf Abteilungen in Sachen Freundschaft. Den Auftakt machen Schaukästen voller Staatsgeschenke, die Freundschaft manchmal als Floskel enttarnen. Es gibt die erwähnten Gemälde, aber auch Briefe, die Freundschaften, aber auch ihr Zerbrechen in Worte fassen. So zeigt sich in dem zunächst herzlichen, später heftigen Briefwechsel zwischen Uwe Johnson und Hans Magnus Enzensberger, dass spätestens beim Geld die Freundschaft aufhört. Schriftlich dokumentiert auch der Verrat des IM Thomas, der Fluchtpläne aus der DDR, die ihm Freunde anvertrauten, an die Stasi weitergab.
Sportsfreunde und Amigos
An anderer Stelle wird die Freundschaft - nicht ironiefrei - auf den Sockel gehoben. Die Sportsfreunde, die Amigos, die Kameraden und Gangmitglieder – sie finden sich hier als Nachbildungen echter Denkmäler. Monumentale Stilisierungen sozialer Bande, die im Gegensatz zu den hybriden Netzwerken des Internetzeitalters stehen, die am Ende der Schau thematisiert werden. Gisela Staupe stellvertretende Direktorin des Hygienemuseums
"Eine Künstlerin aus Amerika, Tanja Holländer, hat 636 Menschen besucht, mit denen sie über Facebook befreundet ist. Und wir zeigen in der Ausstellung über 300 Fotos von den Menschen, die sie besucht hat. Und ich finde das auch eine sehr gelungene kuratorische Entscheidung, weil eben nicht moralisierend über Facebook gesprochen wird – nach dem Motto Facebook ist böse und sorgt dafür, dass Sinn und Substanz von Freundschaft sich verlieren, sondern hier wird einfach etwas demonstriert. So viele Freunde – es erschlägt einen und ich kann selber darüber nachdenken, als Besucher. Ist das eine neue Form von Freundschaft? Will ich die haben, kann ich die bewältigen?"
Was ist Freundschaft, was wird sie sein? Gibt es künftig echte Freundschaft, wahllos virtuelle? Werden Freundschafts- die Familienbande ablösen – wenn es im Jahr 2030 60 Prozent Singles geben wird? Oder sind wir dann etwa auf den Hund gekommen, wie der letzte, mit ausgestopften Vierbeinern ausstaffierte Raum andeutet... Das sind weitere Fragen, die die Ausstellung aufwirft – ohne sie zu werten oder gar Antworten zu liefern. Diese Offenheit ist in ihrer plakativen Art manchmal ein Manko – aber sie ist auch das große Plus der Schau.
Sie offeriert verschiedene Möglichkeiten, die Dinge zu betrachten – auch wenn die Profilierung am Beginn des Rundganges nicht tiefschürfend ist. So ist es insgesamt eine spannende, sinnliche Ausstellung. Sie gibt uns viele verschiedene Anstöße, über die Freundschaft und das was uns verbindet, nachzudenken.
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