Integration in Schweden

Flüchtlinge fast chancenlos auf dem Wohnungsmarkt

Dänische Polizisten hindern Flüchtlinge auf einem Bahnhof an der Weiterreise nach Schweden.
Dänische Polizisten hindern Flüchtlinge an der Weiterreise nach Schweden. © dpa/picture-alliance/Jens Noergaard Larsen
Von Randi Häussler  · 02.02.2016
So schnell und gründlich wie Schweden hat kein anderes Land seine Politik in der europäischen Flüchtlingskrise verändert. Um die Zahlen einzudämmen, hat das Land sein Asylrecht deutlich verschärft. Aber wie geht es den Flüchtlingen, die bereits da sind?
Es ist Gottesdienst in der Syrisch-Orthodoxen Kirche St.Afram in Södertälje. In die 93.000-Einwohner-Stadt, die eine halbe Stunde südwestlich von Stockholm liegt, kommen vor allem Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten, Christen. Viele haben bereits Freunde oder Familie hier.
Die ersten Flüchtlinge kamen bereits Ende der 60er-Jahre. Sie sind gut integriert, haben schnell Arbeit gefunden, sich selbständig gemacht, sagt Yusuf Aidin, Sprecher der St. Afram-Gemeinde. Doch mit der Zeit sei es für Neuankömmlinge immer schwieriger geworden, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.
"Es dauert lange, eine vernünftige Wohnung zu finden, sich weiterzubilden oder die eigene Ausbildung anerkannt zu bekommen. Das führt dazu, dass viele außen vor bleiben."
Viele Flüchtlinge müssen ständig umziehen
In Södertälje ist Wohnraum Mangelware. Zu mieten gibt es relativ wenig, und es wird auch nicht genügend gebaut. Das kann schon alteingesessenen Schweden Kopfschmerzen bereiten. Viele "neue" Schweden, die meist mit wenigen Mitteln auskommen müssen, trifft das Wohnungsproblem besonders hart.
Eine von ihnen ist Laila. Die Syrerin ist vor gut einem Jahr nach Södertälje gekommen. Sie besucht regelmäßig Sprachkurse, die der schwedische Staat jedem Ein-wanderer ermöglicht. Einmal wöchentlich geht sie außerdem zur Schwedisch-Nachhilfe, die das Rote Kreuz organisiert. Laila wohnt bei Verwandten, kann und will ihnen aber nicht ewig zur Last liegen.
"Wir suchen und suchen nach Wohnungen, aber vergebens. Was auch immer wir versuchen – es ist aussichtslos."
Boel Godner, sozialdemokratische Bürgermeisterin von Södertälje, kennt das Problem der neuen Mitbürger nur zu gut. Viele von ihnen müssen ständig umziehen. Oder man wohnt mit vielen Menschen auf zu engem Raum, in kleinen Wohnungen der plattenbauähnlichen Hochhaussiedlungen am Stadtrand, isoliert. Und dann wird der Weg in die Gesellschaft noch schwieriger.
Studie diagnostiziert Parallelgesellschaften
"Die schwedische Sprache ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Je schneller man die Sprache lernt, desto besser. Wenn aber viele Menschen an ein und denselben Ort kommen, im selben Wohngebiet leben und fast ausschließlich ihre Muttersprache sprechen, dann dauert es lange, bis die schwedische Sprache sitzt."
Södertäljes Bürgermeisterin hofft deswegen, dass auch die Kommunen Flüchtlinge aufnehmen, die sich bisher geweigert haben. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag soll die Umverteilung gewährleisten. Doch in vielen Städten sieht die Wohnsituation kaum anders aus als in Södertälje. Wohnungsmangel bzw. isoliert gelegene Hochhaussiedlungen gibt es vielerorts.
Eine im Oktober erschienen Studie einer Gewerkschaftsorganisation, die sich mit diesen Wohngegenden befasst, kommt zu dem Schluss, dass hier praktisch keine Integrationspolitik vorkommt. Die sozialen Verhältnisse in den 38 Wohnsiedlungen, die in die Studie eingingen, seien so prekär, dass man von Parallelgesellschaften sprechen könne.
"Zurück in meine Heimat, wo Bomben fallen?"
Es herrsche hohe Arbeitslosigkeit, das Ausbildungsniveau sei gering, und die Bürger hätten wenig Vertrauen in die Demokratie. So kommen viele Einwanderer – wenn überhaupt – erst nach langer Zeit tatsächlich in der schwedischen Gesellschaft an. Es vergehen an die sieben bis neun Jahre, bis man einen Arbeitsplatz gefunden hat. Nach zehn Jahren verdienen Migranten nur die Hälfte des durchschnittlichen Gehalts.
Die Syrerin Laila hat nach einem Jahr in Schweden die Hoffnung auf eine feste Wohnung schon fast aufgegeben.
"Es macht mich so traurig. Meine Gedanken kreisen nur darum, und ich merke, wie das auf meine Gesundheit geht. Ich weiß nicht, wo ich in Zukunft leben soll – zurück in meine Heimat, wo Bomben fallen? Wo soll ich hin?"
Mehr zum Thema