Integration auf Bayerisch

Der Mann, den die CSU "Türken-Martin" nennt

Martin Neumeyer (CSU), bayerischer Integrationsbeauftragter und Landtagsabgeordneter
Martin Neumeyer (CSU), bayerischer Integrationsbeauftragter und Landtagsabgeordneter © picture alliance / dpa - Armin Weigel
Von Michael Watzke · 01.06.2016
Der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer hat es nicht leicht: Einen "dreckigen Deutschenhasser" nennen ihn Schmähbriefe. Für seine CSU-Parteifreunde ist er "Türken-Martin". Unser Bayern-Korrespondent Michael Watzke hat Neumeyer begleitet.
Universität Würzburg, Hörsaal 1: Jura-Professor Eric Hilgendorf stellt seinen Studierenden einen Gastredner von der CSU vor.
"So, meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer Vorlesung über die neuen Integrations-Herausforderungen. Ich darf Herrn Martin Neumeyer ganz herzlich an unserer Fakultät begrüßen. Den bayerischen Integrations-Beauftragen." (Applaus)

"50 bis 60 Prozent der Deutschen lehnen Integration ab"

Martin Neumeyer soll den angehenden Juristen die strafrechtlichen Konsequenzen des geplanten bayerischen Integrationsgesetzes näherbringen. Der studierte Betriebswirtschaftler gilt in seiner Heimat in Niederbayern als Stimmungskanone - stets bereit zu ironischen Kalauern wie diesem:
"Vielen Dank für den Applaus, er ist berechtigt."
Stille in Hörsaal 1. Kein einziger Lacher. Bei den Würzburger Studenten zündet Neumeyers Humor nicht. Schnell schaltet der CSU-Mann auf seriös um.
"Das Thema Integration ist ein Thema, das an- und aufregt und nicht immer zum Wohlfühlen führt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass 50 bis 60 Prozent der Deutschen Integration ablehnen. Die sagen: Das ist nicht notwendig, die Menschen sollen nach Hause gehen und nicht hierbleiben."
Auf dem Pult vor ihm liegt das "Eckpunkte-Papier für ein Bayerisches Integrationsgesetz". Es ist 12 Seiten lang und umfasst neun Punkte. Von A wie "Achtung unserer Rechts- und Werte-Ordnung" bis Z wie "Zusammenleben unter einer bayerischen Leitkultur".
"Ein Gesetz, um die Leitkultur darzustellen. Um auch zu zeigen, in was man sich integrieren soll."

Im bayerischen Kindergarten muss Dialekt gesprochen werden

Beim Thema Asyl habe sich die Stimmung verschlechtert, sagt Neumeyer – sowohl in der Bevölkerung als auch in der eigenen Partei. Das spiegelt sich auch im geplanten bayerischen Integrationsgesetz wider. Neumeyer hadert mit vielen Klauseln, weil von den Flüchtlingen viel gefordert wird.
Vom Fördern aber ist kaum noch die Rede. Sprechen Kinder zum Zeitpunkt ihrer Einschulung zum Beispiel nicht ausreichend deutsch, droht den Eltern ein Bußgeld. Für Erwachsene gilt: Wer ausreichend Zeit hatte, Deutsch zu lernen, es aber nicht getan hat, der muss künftig bei Behördengängen seinen Dolmetscher selber zahlen. Und noch eine Forderung geht Neumeyer gegen den Strich: In bayerischen Kindergärten sollen lokale bayerische Dialekte gesprochen werden.
"Ob das in einem Gesetz stehen muss – darüber kann man diskutieren. Man kann auch diskutieren, dass man Integrationskurse bei in Sicherheitsverwahrung befindlichen [Flüchtlingen] praktiziert."

Die Welt hat versagt

Im Hörsaal 1 in Würzburg redet sich Neumeyer vor den Studenten in Rage. Kritisiert die eigene Partei, die Bundesregierung, die ganze Welt für ihr Nichtstun. In der Flüchtlingskrise haben für ihn fast alle versagt.
"UNHCR hat letztes Jahr fast kein Geld mehr gehabt, um die Menschen zu versorgen. Viele haben sich dann auf den Weg gemacht. Statt 1,40 Euro waren nur noch 60 Cent pro Person da. Schlafen, trinken, essen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich würde mich dann auch auf den Weg machen. Wenn ich nichts mehr zu essen habe für mich und meine Kinder. Das ist eine der Ursachen für die Situation, die wir derzeit haben. Diese Situation wäre eigentlich finanziell regelbar. Aber da versagt gänzlich – ja, die Welt versagt."
Wieder Stille im Hörsaal. Aber diesmal eine andere, betretene Stille. Nach der Vorlesung sitzt Neumeyer auf einem Klappsitz im Auditorium, vor sich den Gesetzestext. Vieles am Entwurf des Bayerischen Integrationsgesetzes findet er übertrieben und kontraproduktiv. Als Integrationsbeauftragter der bayerischen Staatsregierung wird er dort gleich dreimal zitiert: als Berater, Kontroll-Instanz und Bindeglied zur Zuwanderer-Community.
"Ich war von Anfang an mit eingebunden, das stimmt. Habe aber auch meine kritischen Momente angezeigt: dass man bei so einem Gesetz nicht nur von Sanktionen reden soll, sondern eher vom Gegenteil. Also belohnen. Anreize schaffen. Damit die Menschen sich noch mehr engagieren, noch mehr für Integration tun."

Schmähbriefe aus der Bevölkerung

So wie es das geplante Bundesgesetz eben vorsieht. Integrationskurse sind dort zwar auch Pflicht, aber wer eine Ausbildung oder einen Job findet, der soll künftig mit einer längeren Aufenthaltsgenehmigung belohnt werden. Doch Neumeyers Ansichten in Sachen Integration kommen selten gut an. Weder bei seinen CSU-Kollegen. Dort lautet sein offizieller Spitzname:
"Türken-Martin! Der Ansatz: Neumeyer gibt sich mit den Türken ab. Sei es in der Moschee oder der Türkei oder Anatolien. Das ist ganz lustig. Weil, ich habe ein großes Faible für die türkische Sprache."
Noch bei seinen Bürgern im Heimatwahlkreis im ländlich geprägten Kelheim an der Donau. Vor den Studenten in Würzburg liest Neumeyer einen Schmähbrief vor, der kürzlich aus dem Faxgerät seines Münchner Büros kam.
"'An den Integrations-Schmarotzer-Beauftragten der bayerischen Staatsregierung: Stecken Sie sich Ihre Asylbewerber in den Arsch, Sie dreckiger Deutschenhasser. Euch volksfeindlichen, verräterischen Volks-Verarschern sollte man jeden verschwendeten Asyl-Euro mit einem Holzknüppel von Euren vollgefressenen Ranzen herunterdreschen. Und anschließend die Bude abfackeln, Sie mieser, verheuchelter Drecksack.'"

Mit der geballten Faust in der Tasche

Solche Hass-Botschaften nehmen Neumeyer sichtlich mit. Seit sieben Jahren ist er bayerischer Integrations-Beauftragter. Das vergangene Jahr hat ihn ernüchtert. Und jetzt hat er sich beim geplanten Integrationsgesetz weder in der eigenen CSU-Fraktion noch im Kabinett durchsetzen können.
"Da bin ich halt gescheitert, ganz einfach. Das muss ich dann allerdings auch so eingestehen, dass ich gescheitert bin. Dass das nicht so ankommt. Dann muss ich halt weiterkämpfen."
Noch vor der Sommerpause werden die bayerischen Landtags-Abgeordneten Ja oder Nein sagen müssen zum Integrationsgesetz. Martin Neumeyer, der Türken-Martin der CSU, wird mit der rechten Hand wohl ein Ja-Kreuz machen. Die linke wird er in der Tasche ballen.
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