Institut für Kommunikationspolitik fordert einheitliche Medienaufsicht

Moderation: Jürgen König · 22.02.2006
Der Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in Berlin, Lutz Hachmeister, hat sich für eine zentrale Medienaufsicht in Deutschland ausgesprochen. In einer Zeit, da man auch über Computer und Handys Fernsehprogramme empfangen könne, sei eine föderale Medienregulierung nicht mehr angemessen, sagte Hachmeister im Deutschlandradio Kultur.
König: Anfang der Woche wurde gemeldet, dass das Düsseldorfer Unternehmen Mobiles Fernsehen Deutschland GmbH den Zuschlag für bundesweites Fernsehen auf Mobiltelefonen erhalten soll. Die Übertragungskapazitäten sollen für drei Jahre zugewiesen werden. Bereits zur Fußball-WM soll das Handy TV mit vier Fernsehprogrammen und zwei Hörfunkkanälen auf Sendung gehen. Ein Fachausschuss der Landesmedienanstalten hat diese Rechtevergabe empfohlen. Alle 15 Medienanstalten müssen hier noch zustimmen.

Wenn man solche Meldungen liest, fragt man sich unweigerlich, ob unsere Medienaufsicht, unsere Medienkontrolle noch den technischen Gegebenheiten entspricht. Dass die Bundesländer ihre Landesmedien selber kontrollieren, das war zu Gründungszeiten der Bundesrepublik sicher sinnvoll und den Erfahrungen der Nazizeit angemessen. Heute aber, wo man mit dem Handy fernsehen kann, wo die endgültige Verschmelzung von Computer, Telefon, Fernsehen nur noch eine Frage von wenigen Jahren ist, da muss man sich doch ernsthaft überlegen, ob eine dezentral, föderal aufgestellte Medienaufsicht die anstehenden Medienaufgaben noch erfüllen kann.

Darüber wollen wir sprechen mit Lutz Hachmeister, dessen Institut für Medien- und Kommunikationspolitik das erste Institut ist, das sich ganz gezielt medienpolitische Frage vornimmt. Herr Hachmeister, dass man auch über das Telefonkabel tausende Fernsehprogramme empfangen kann, dafür sorgt die so genannte Set-Top-Box. Nun hat der Bundeswirtschaftsminister gerade auf einer Rede beim Forum Digitale Medien gesagt, er wisse nicht, was eine Set-Top-Box sei, aber so etwas müsse es geben, denn "sonst wäre es mir nicht in mein Redemanuskript geschrieben worden". Finden Sie das witzig oder erschütternd?

Hachmeister: Eigentlich beides. Also man wird allerdings auch Gesundheitspolitiker finden, die sich nicht mit jeder Krankheit auskennen. Das muss man einem Politiker vielleicht schon mal durchgehen lassen. Auf der anderen Seite ist die Fach- und Sachkenntnis der Politiker - das betrifft Wirtschaftspolitiker wie auch Kulturpolitiker -, was Massenmedien anbelangt, nicht besonders ausgeprägt. Da gibt es nur sehr wenige Spezialisten in Bonn und jetzt in Berlin, die sich damit wirklich intensiv seit Jahren auseinandersetzen. Ich denke, der letzte, der das im strategisch-politischen Sinne getan hat mit einiger Reputation, war Peter Glotz, der kürzlich gestorben ist, und da ist nicht besonders viel nachgewachsen. Das ist so ein wackeres Häuflein von Berufspolitikern, die sich dafür interessieren, und das ist natürlich dem ökonomischen und kulturellen Gegenstandswert, sage ich mal, nicht besonders angemessen.

König: Bill Gates hat 2006 zu dem Jahr erklärt, in dem der digitale Lifestyle beginne. Wenn nun Tausende Fernsehprogramme über das Internet empfangbar sind, dann gehören feste Anfangszeiten der Vergangenheit an, ebenso die konventionellen Werbespots. Das wird doch eine Gesellschaft vollständig verändern. Telekom-Chef Ricke hat gesagt, in fünf Jahren werden die Leute ihre Flimmerkiste nicht mehr wiedererkennen. Nun ist das Telefonnetz Sache des Bundes, die einzelnen Medien Sache der Länder, die Medienkonzentration Sache der KEK und des Kartellamts. Schon wenn man das so auflistet, dann scheint mir doch auf der Hand zu liegen, dass sich etwas ändern muss. Warum tut sich die Politik so schwer damit, diese Realitäten anzuerkennen und ihre Medienaufsicht zu zentralisieren?

Hachmeister: Das ist eigentlich nicht so schwer zu analysieren. Es geht da schlicht um Besitzstandswahrung. Sie haben selbst gesagt, Rundfunk war 1945 immer Ländersache, gilt auch als Kulturgut, was so schlecht nicht ist, und insofern ist natürlich jede Staatskanzlei in den einzelnen Bundesländern bestrebt, ihr Terrain dort zu verteidigen und zu wahren, im Sinne der Selbsterhaltung und der Besitzstandswahrung durchaus verständlich. Nur - es ist einfach nicht mehr den technischen Gegebenheiten angemessen. Wir haben halt die Konvergenz zwischen Telekommunikation, Internet, Fernsehen und noch anderen Teilmedien, und darauf müsste man eigentlich, zumindest was die bedeutenden, die wichtigen Fragen anbelangt, mit einer zentralen Bundesaufsicht reagieren.

Wenn man ins Ausland schaut, dann hat selbst die Schweiz eine Bundesanstalt für Kommunikation. In den USA gibt es die FCC, die weitreichende Kompetenzen hat, in Großbritannien seit einigen Jahren die OffCom, also das Office of Communication. Die haben sogar Kompetenzen für die BBC, also da ist eine Aufsicht gleichrangig für den privaten Rundfunk und das öffentlich-rechtliche System geschaffen, also diese anderen, diese genannten Länder sind eigentlich alle weiter als die Bundesrepublik Deutschland, und deshalb, glaube ich, kommt jetzt auch ganz langsam eine Diskussion um eine solche zentrale Institution für die Medienregulierung in Gang.

König: Nun schafft sich ja niemand gerne selber ab. Wie könnte denn eine zentralisierte Medienaufsicht organisiert und installiert werden?

Hachmeister: Also ich höre ja aus Rheinland-Pfalz von der dortigen Staatskanzlei, dass man selbst dort für ein Modell einer einheitlichen Bundesanstalt für Medien ist, die dann von den Ländern beschickt und organisiert wird. Also eine Mischung aus föderaler und zentralisierter Struktur. Das ist ja vielleicht ein Weg, und man wird - und das ist nun mal im kooperativen Föderalismus, der dieses Land ja auch nicht zum Schlechten geprägt hat, notwendig - alle Beteiligten an einen Tisch holen müssen und sehen, wo gemeinsame Interessen sind, wo man schon auf hergebrachte Traditionsbestände verzichtet. Man sieht ja im Norden, dass sich dort eine neue Medienanstalt bildet aus mehreren Ländern. Dort fängt man schon langsam an, Kompetenzen zu bündeln und Stellen zusammenzuführen. Also man ist eigentlich die ersten Schritte auf diesem Weg schon gegangen. So skeptisch bin ich da nicht.

König: Es hat doch, wenn ich das richtig erinnere, die frühere Kulturstaatsministerin Weiss schon ein Papier verfasst, wie das Medienkonzentrationsrecht des Bundes und der Länder zusammengeführt werden könnte. Was ist daraus eigentlich geworden?

Hachmeister: Nicht besonders viel. Es gibt auch Gutachten für einen so genannten Kommunikationsrat, also eine Behörde, die zentralere Aufgaben wahrnimmt, die die Fragen behandelt, die wir eben diskutiert haben. Das wird verfasst und landet dann häufig in den Schubladen. Das ist bislang an diesen genannten Eigeninteressen gescheitert. Ich denke, dass es ein Fehler war, das Staatsministerium für Medien nicht mit stärkeren Kompetenzen auszustatten. Das kann zwar Vorschläge machen, beschränkt sich aber in seinen Tätigkeiten sehr stark auf Filmförderung und dann doch den klassischen Kulturbereich, und so wabert dieses Thema eigentlich zwischen Wirtschaftsministerium, diesem Staatsministerium und den Ländern hin und her und in verschiedenen Aufsichtsbehörden, die sich daneben noch gebildet haben. Also es müsste jemand eigentlich eine Federführung übernehmen, und die müsste auch anerkannt werden von den anderen Beteiligten.

König: Man hat den Eindruck, Medienpolitik ist in Deutschland etwas, was niemand so richtig herzhaft will.

Hachmeister: Ja, sie wird schon sehr gewollt, wenn es um den eigenen Standort geht. Also die Medienpolitik, die sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren ausgeprägt hat, ist ja sehr stark von Nordhrein-Westfalen und Bayern dominiert worden, nehmen wir mal den klassischen Rundfunkbereich und Rheinland-Pfalz aus. Also Wolfgang Clement und Edmund Stoiber waren die politischen Treiber dieses Politikfeldes.

Das hat sich etwas abgeschwächt, zumal sich nun ganz neue internationale, globale Mitspieler herausbilden, die von den Ländern nun wirklich nicht mehr kontrolliert und auch nicht mehr angelockt werden können, also nehmen Sie Google, Amazon, die neuen großen Kabel- und Telekommunikationsgesellschaften in den USA bis hin zu anonymen Finanzinvestoren, die sich ja jetzt mehr und mehr in das deutsche Mediengeschäft auch drängen. Mit denen kann man vielleicht als Ministerpräsident noch reden. Man kann die landschaftlichen Vorzüge des jeweiligen Bundeslandes anpreisen, auch das Bildungsniveau, aber ansonsten flotieren sie ziemlich frei auf dem Weltmarkt hin und her und sind also mit der klassischen Standortpolitik auch nicht mehr einzufangen.

König: Von der gescheiterten Übernahme von ProSieben/Sat1 durch Springer haben wir noch gar nicht gesprochen. Zeigte das nicht auch, wie überholt unsere länderspezifische Medienaufsicht ist, oder anders gefragt, wenn wir beim alten Medienrecht blieben und entsprechend die Bildung größerer Konzerne nicht erlaubten, laufen wir nicht automatisch Gefahr, dass ausländische Investoren sich in großem Stil irgendwann hier einkaufen werden?

Hachmeister: Das ist richtig. Also die Medienwirtschaft ist eben ein Teil der globalen Wirtschaft. Die ist auch nicht komplett kulturell zu regulieren und abzuschotten. Das würde schon die EU nicht zulassen, die ein weiterer Mitspieler ist, den wir noch gar nicht erwähnt haben. Ich glaube, dass man sich stärker auf bestimmte realistische Ziele und Werte in der Medienpolitik zunächst mal verständigen muss. Dazu gehört eben, wie stark muss der deutsche Medienmarkt auch in heimischer Hand bleiben, und wie sehr ist es auch vielleicht erfrischend, wenn ab und zu ausländische Investoren dazu kommen. Aber es gibt diese grundsätzliche Diskussion um Ziele und Werte gar nicht.

Den wesentlich frappierenderen Fall im Vergleich zu Springer-ProSieben/Sat1 haben wir erlebt mit der versuchten Übernahme des Berliner Verlages durch Holtzbrinck. Das ist durch das Kartellamt letztlich untersagt worden, und wir haben dann erlebt, dass ein britischer Finanzinvestor gekommen ist, unglaublich steile Renditeziele vorgibt und eine sehr harte Rationalisierung in der eigentlich profitablen Berliner Zeitung vornimmt. Also das ist dann wieder eine Frage nach Werten und Zielen, was will man da eigentlich, will man ein gesundes Hauptstadtblatt erhalten, ist es dann nicht letztlich sinnvoller, einen liberalen deutschen Medienkonzern zum Zuge kommen zu lassen als nun sehr aggressiv vorgehende ausländische Finanzinvestoren.

Diese Fragen werden nicht auf der angemessenen Ebene debattiert. Das versandet so zwischen Kartellrecht und halbgaren Versuche, die Medienkonzentration einzudämmen.

König: Sie haben für den März und die Folgemonate eine Veranstaltungsreihe angekündigt, Reform der deutschen Medienaufsicht. Dazu sollen alle Medienpolitiker Deutschlands eingeladen werden, um dann im monatlichen Rhythmus aktuelle medienpolitische Themen zu diskutieren. Alle Medienpolitiker, das sagt sich so leicht, Sie haben schon angedeutet, viele gibt es nicht. Wen werden sie einladen, welche Resonanz hat Ihre Einladung schon gehabt, auf wem ruhen Ihre Hoffnungen?

Hachmeister: Also die Resonanz ist sehr erfreulich. Also man merkt, dass hier ein Thema aufgegriffen worden ist, das sehr in der Luft liegt, weil es eben gleichzeitig um publizistische und wirtschaftliche Faktoren geht. Es gibt ja einen Bundestagsausschuss für Kultur und Medien. Es gibt immerhin ein Staatsministerium, das sich mit dieser Frage beteiligt. Es gibt in den Ländern medienpolitische Sprecher, medienpolitische Experten der Fraktion. Da hat es eigentlich über die parteipolitischen Grenzen hinweg bislang keine besonders intensive Kommunikation gegeben, und es ist eine Aufgabe dieses neuen Institutes, die herzustellen.

Wir wollen kleinere Diskussionsrunden, in denen wir etwa jemanden von der britischen OffCom, also von der dortigen Medienaufsicht, einladen. Der soll dann mal darstellen, wie das dort funktioniert, wo auch die Kritikpunkte liegen, und wir wollen das dann über die Parteigrenzen hinweg so diskutieren, dass man vielleicht Dinge entdeckt, die auch sinnvoll umzusetzen wären. Das britische Rundfunkmodell hat ja schon mal als Vorbild für das deutsche öffentlich-rechtliche System gedient, die BBC eben für ARD und ZDF, und warum soll man nicht daran wieder anknüpfen.

König: Kulturstaatsminister Neumann ist 100 Tage im Amt. Was halten Sie von seinen medienpolitischen Vorstellungen?

Hachmeister: Also ich kenne eigentlich nur die politischen Vorstellungen in seiner Zeit als medienpolitischer Experte der CDU. Er hat sich bislang medienpolitisch noch nicht besonders prononciert geäußert. Das ist vielleicht auch vernünftig so.

König: Gut, aber jemand, der inhaltlich vorprescht und seinerseits vielleicht auch initiativ wird, wäre doch schon günstig?

Hachmeister: Das ist richtig. Deswegen werden wir auch jetzt sehr aktiv das Gespräch mit ihm selbst suchen und seinem Ministerium, um auch dort die Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten, aber wie gesagt, ich habe bislang da noch nicht viel vernommen. Das mag eine politische Strategie sein. Sie haben Recht, von einem Minister, der dieses Feld bewirtschaftet, wird man in der Zukunft da mehr erwarten können und müssen.