Inspiration für Ost und West

Von Günter Beyer · 04.03.2006
In der Ausstellung "Saladin und die Kreuzfahrer" im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg steht die wohl facettenreichste und faszinierendste Persönlichkeit der arabisch-islamischen Geschichte im Vordergrund. Die Schau zeigt aber nicht nur das Bild eines klugen, gerechten, aber durchaus machtbewussten Herrschers, sondern auch, wie im Rahmen der Kreuzzüge ein Kulturtransfer zwischen Morgenland und Abendland stattgefunden hat.
Eine der folgenreichsten Entscheidungen der europäischen Geschichte fiel im Jahre 1095: Auf dem Konzil von Clermont forderte Papst Urban II. die Gläubigen auf, das "heilige Land" in Vorderasien für das Christentum zurückzuerobern. "Gott will es", behauptete der Papst. Die Idee der Kreuzzüge war geboren. Vier Jahre später erstürmten die Kreuzritter Jerusalem und errichteten an der Küste kurzlebige Staaten. 1187 gelang es Sultan Saladin, die zerstrittenen muslimischen Herrscher der Region zu einen und Jerusalem wieder in Besitz zu nehmen.

Die Figur des siegreichen Saladin steht nun im Mittelpunkt einer Ausstellung, die den gewohnten eurozentrischen Blick auf die Kreuzzüge zu wenden versucht. Die militärische Seite der Schlachten ums "heilige Land" wird dabei nur gestreift - die Kreuzzüge sind für Ausstellungsmacherin Karen Ermete nur der Rahmen, den "Kulturtransfer" zwischen Morgenland und Abendland sichtbar zu machen.

"Es ist für uns zum einen wichtig zu zeigen die Kulturhöhe der islamischen Welt eben am Beispiel des Kunsthandwerks, der Naturwissenschaften, der Medizin zum Beispiel. Es ist uns aber auch wichtig zu zeigen, dass es einen Austauschprozess gegeben hat, der durch die Kreuzzüge initiiert worden ist."

Und Mamoun Fansa, Direktor des "Landesmuseums für Natur und Mensch", der selber aus Syrien stammt, ergänzt:

"Deshalb war für uns wichtig, auch mal ausgesprochen viele orientalische Sachen zu zeigen, die bisher in diesem Zusammenhang nicht gezeigt worden sind. Die Vielseitigkeit, die wir hier haben, Umgang mit unterschiedlichen Materialien, nicht unbedingt allein im religiösen Bereich, sondern im Alltagsleben: der autonome Verbraucher konnte auch schöne verzierte Gefäße bei sich zu Hause haben."

Rund ein Viertel der 250 Exponate stammt aus dem Nationalmuseum in Syriens Hauptstadt Damaskus. Darunter sind kostbare Keramiken, prachtvolle Glasgefäße zur Aufbewahrung von Augenschminke und Goldschmuck in einer handwerklichen Raffinesse, die in Europa damals unbekannt war. Die Kreuzritter drangen in den Raum einer blühenden Kultur ein und schleppten Beutestücke mit nach Hause, die das Bild vom Luxus des Orients prägten. Hoch entwickelt im arabischen Raum waren aber auch Mathematik, Astronomie und Medizin. Orientalische Schabemesser, Brenneisen und Nähnadeln für Chirurgen, die im Kloster Corvey an der Weser gefunden wurden, sind beredte Zeugen für den "Wissenschaftstransfer" von Ost nach West, eine kulturelle Einbahnstraße. In der Ausstellung ist auch das Modell eines Krankenhauses aus dem 12. Jahrhundert zu sehen.

"Es handelt sich um das Krankenhaus Bimaristan Nuri, gegründet von Nuraddin Sangi, dem Vorgänger Saladins in Damaskus. Es ist das wohl am besten bekannte Krankenhaus aus dieser Zeit der Islamischen Welt, es war auch noch bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch. Es beinhaltete zahlreiche Säle für die Kranken, es beinhaltete Bibliotheken und auch Räume zur theoretischen Ausbildung der Mediziner."

Saladin, der Eroberer von Jerusalem, war zwar ein ehrgeiziger, diplomatisch geschickter und keineswegs zimperlicher Herrscher. Gegenüber den besiegten Christen aber ließ er Toleranz walten.

"Als er zum Beispiel Jerusalem zurück eroberte, hat er die Grabeskirche nicht zerstören lassen. Er hat zugelassen, dass vier Priester für die Grabeskirche zur Betreuung der Pilger eingesetzt werden, und er hat so das Verhältnis unter den Religionen auch gefördert somit."

In seinem "dramatischen Gedicht" "Nathan der Weise" setzt Lessing Saladin ein literarisches Denkmal. Die Oldenburger Schau dokumentiert auch die Nachwirkungen der Kreuzzüge und die europäischen Klischees vom Orient. Dazu gehört natürlich Karl May, dessen deutscher Abenteurer Kara ben Nemsi über den treuherzigen Diener Hadschi Halef Omar gebietet. Die Kreuzzüge sind auch ein beliebtes Film-Sujet.

"Aufgefallen ist mir, dass die frühen Produktionen, angefangen mit einem Spielfilm Schwarz-Weiß von 1935, wirklich das Bild des bösen Muslimen verkörpern. Also das gute Christentum, der böse Islam. Und das verändert sich im Laufe der Zeit sowohl im Spielfilm als auch in der Dokumentation."

Corinna Endlich hat für die Ausstellung einschlägige Spielfilmszenen montiert. Auch das arabische Kino hat sich übrigens der Kreuzzüge und des Herrschers Saladin angenommen.

"Da haben wir auch eine ägyptische Produktion aus den 60er Jahren. Und da ist es natürlich umgekehrt, da sind es dann die bösen Europäer, die die guten und sehr friedfertigen im Orient Lebenden dann überfallen."

Dass es wirklich ein multikulturelles, tolerantes Jerusalem unter Saladin gegeben hat, kann die Ausstellung letztlich nicht beweisen. Zurückhaltung, gar Misstrauen, zwischen Christen, Juden und Muslimen scheint eher an der Tagesordnung gewesen zu sein. So berichtet ein Muslim, der von einem Christen zum Essen eingeladen wurde, er habe befürchtet, man würde ihm Schweinefleisch unterschieben.

Von der Ausstellung bleibt aber auch eine farbige Buchillustration in der Erinnerung haften: Vor einem Zelt sitzen barfuss zwei Männer. Ein Christ und ein Muslim. Sie spielen entspannt Schach.
Direktor Mamoun Fansa hat sich ein Ziel für die Ausstellung gesetzt:

"Möchte nicht Kampf der Kultur erreichen. Sondern Dialog der Kulturen, und für diejenigen, die nicht wissen, wie sie die Kreuzzüge einordnen, eine Möglichkeit geben sich zu informieren und zu zeigen: Kampf der Kulturen bringt überhaupt nichts."

Service: "Saladin und die Kreuzfahrer" im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg ist vom 5.3. bis zum 2.7.2006 zu sehen.