Insekten

Tropische Mücken kommen über die Autobahn A 5

Eine Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts)
Hübsch und gefährlich - und vielleicht bald auch in Deutschland verbreitet: die Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts). © picture alliance / dpa / James Gathany/CDC
Norbert Becker im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 12.04.2017
Asiatische Tigermücken breiten sich in Europa aus. Normalerweise machen nur Fernreisende unangenehme Erfahrungen damit. Die Insekten können gefährliche Krankheiten wie Malaria übertragen. Insektenforscher Norbert Becker erklärt, wie man die Invasion bekämpfen kann.
Bei österlich-frischen Temperaturen denkt hierzulande noch niemand an Mücken – schon gar nicht an deren tropische Vertreter. Doch gerade die könnten sich schon bald auch vermehrt in Europa breitmachen. In Südeuropa sind die Asiatische Tigermücke und die Asiatische Buschmücke – beide Überträgerinnen unter anderem von Malaria, Dengue und Zika – auf dem Vormarsch, und eine Ausbreitung hin nach Deutschland ist ebenfalls denkbar. Das haben Wissenschaftler vom "Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum" errechnet.
Der Insektenforscher Norbert Becker, Professor an der Uni Heidelberg und wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage, sagt: In den zurückliegenden 40 Jahren hätten sich fünf neue, bis dahin nicht in Europa heimische Mückenarten auf dem Kontinent gezeigt. "Transporteure" sind der Klimawandel – und Touristen, die Mücken und Mückeneier im Gepäck mit sich führen.
Eine Wissenschaftlerin hält zwei Glasröhrchen in die Höhe, darin schwimmen Larven der Asiatischen Tigermücke.
Larven der Asiatischen Tigermücke können Gelbfieber (Dengue) übertragen © picture alliance / dpa / Ahmad Yusni

Souvenir deutscher Touristen aus Italien

"Die Asiatische Tigermücke hat sich seit 1990 insbesondere in Italien sehr breit gemacht. Wurde dann mit dem Personenverkehr entlang der mediterranen Küste verbreitet – Frankreich, Spanien, Kroatien… Die Deutschen, die machen ja sehr gerne Urlaub im mediterranen Raum. Und damals war die Überlegung, dass sie auch zusammen mit den Touristen nach Deutschland kommen, über die A 5 beispielsweise."
Tatsächlich seien damals Eier dieser Mücke in einer speziell präparierten Falle nördlich von Weil am Rhein entdeckt worden. Und gebe es in Deutschland lange, heiße Sommer, könnten mehrere Generationen dieser Mücken heranwachsen, was die Population enorm erhöhe.
Verschiedene Institute, darunter auch das Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin in Hamburg, hätten bereits ein Frühwarnsystem entwickelt. Zudem arbeiteten er und verschiedene andere Forscher an der Bekämpfung einer starken Ausbreitung der Mücken. Diese seien im Übrigen mit ihrer typischen schwarz-weißen Musterung ausgesprochen hübsche Tieren.

Sterilisation der Männchen

Eine Methode besteht beispielsweise darin, männliche Mückenlarven zu sterilisieren. Ein aufwendige, aber recht wirksame Methode. Eine andere Methode, die Becker mit seinen Kollegen entwickelt hat, heißt BDI - das steht für die biologische Bekämpfung mit Bakterien, durch die Larven gezielt abgetötet werden, um die Population kleinzuhalten.
Becker sagte weiter: Auch die Bevölkerung sei aufgerufen, möglichst alle potenziellen Brutstellen für Mückenlarven zu beseitigen – etwa offene Regentonnen oder andere Wasserbehälter im Freien, die optimale Bedingungen für die Eiablage böten.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Die Mücken kommen … nicht die üblichen, die im Sommer so gewohntermaßen rumfleuchen und -kräuchen, sondern Arten, die hier bisher nichts verloren hatten. Nun tun sie das, und die Wissenschaftler vom Senckenberg-Biodiversität- und Klimaforschungszentrum, die haben die künftige Verbreitung der Asiatischen Tigermücke und der Asiatischen Buschmücke in Europa durch den Klimawandel modelliert, und sie kommen zu dem Schluss, dass sich genau diese Tigermücke weiter im Norden Europas ausbreiten wird. Die andere, die Buschmücke, deren Verbreitungsgebiet wird kleiner, denn die ist an kühlere Bedingungen besser angepasst. Aber beide Mückenarten können Viren übertragen und die Infektionskrankheiten wie Zika, Dengue oder Gelbfieber auslösen. Anlass für uns, einen Experten zu fragen, was man gegen diese exotischen Mücken eigentlich tun kann. Professor Norbert Becker ist Biologe an der Uni Heidelberg und wissenschaftlicher Direktor der kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage. Ich grüße Sie!
Norbert Becker: Ich grüße Sie auch!
von Billerbeck: Sie sind ja seit Jahren aktiv mit Ihrer Arbeitsgemeinschaft in der Oberrheinebene bei der Bekämpfung von Mücken oder Schnaken, wie sie bei Ihnen heißen. Konnten Sie denn in den letzten Jahren beobachten, dass nicht heimische Arten wie eben die Asiatische Tigermücke vermehrt auftreten?
Becker: In der Tat, ich habe vor 40 Jahren mit der Mückenforschung begonnen an der Uni Heidelberg im Rahmen meiner Doktorarbeit, und in den 40 Jahren haben wir fünf neue Arten hier feststellen können, und die beiden Arten, eben die Japanische Buschmücke oder Asiatische Buschmücke und die Asiatische Tigermücke sind im Rahmen dieser fünf Mückenarten sicherlich die gefährlichsten, weil sie eben gute Virenüberträger sind. Aber wir haben schon '92 eine Mücke feststellen können mit dem schönen Namen Uranotaenia unguiculata , die kommt eigentlich im mediterranen Raum vor. Wir haben Culiseta longiareolata gefunden, kommt auch mehr im mediterranen Raum vor. Also, auf jeden Fall machen die Mücken eine Expansion durch, eine Globalisierung, kann man sagen, die an den Mücken auch nicht vorbei geht.

Touristen bringen sie mit

von Billerbeck: Das heißt, diese Insekten haben sich jetzt hier häuslich eingerichtet?
Becker: Ja. Es ist so, dass wahrscheinlich die Mücken durch Touristen hier eingeschleppt werden. Die Asiatische Tigermücke hat sich ja insbesondere ab 1990 in Italien sehr breit gemacht, wurde mit dem Personenverkehr dann entlang der mediterranen Küste verbreitet – Frankreich, Spanien, Kroatien und so weiter. Die Deutschen machen ja sehr gern Urlaub im mediterranen Raum, und damals war die Überlegung, dass sie eben mit den Touristen auch zurück nach Deutschland kommen, über die A5 beispielsweise. Und in der Tat, wir haben sie erstmals 2007 in einer Eiablagefalle nördlich von Weil am Rhein finden können.
von Billerbeck: Mücken fahren auf der Autobahn. Das hört sich gut an. Könnte das auch mit dem Klimawandel zu tun haben?
Becker: Zunächst einmal haben wir ein Frühwarnsystem aufgebaut, da sind verschiedene Institute involviert, insbesondere auch das Bernhard-Nord-Institut in Hamburg. Wir haben eine Expertenkommission eingerichtet in Berlin – ich bin auch Mitglied in dieser Expertenkommission –, um eben dieser Gefahr gerecht zu werden und diese Mücken abzuwehren. Der Klimawandel, ohne Zweifel, begünstigt diese Mücke, zum Beispiel die Asiatische Tigermücke hat ihre Heimstatt eigentlich in Südostasien, also Malaysia und so weiter, ist von Haus aus eher eine tropische Art. Allerdings, ich habe sie vor 30 Jahren auch schon in Hubei feststellen können, am Jangtsekiang in China, wo es auch im Winter relativ kalt ist. Also diese Mücke hat sich nach Norden verbreitet, über Japan nach China, und hat sich sehr gut an gemäßigte Klimaverhältnisse angepasst. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sie auch in Deutschland auftreten wird.
von Billerbeck: Beschreiben Sie uns doch mal bitte diese Tigermücke. Wie sieht die aus? Woran erkenne ich die?
Becker: Sie heißt Tigermücke, weil sie eben schwarzweiß gebändert ist, wie ein Tiger etwa. Es gibt auch einheimische Arten, die ähnlich aussehen, aber nicht so kontrastreich eben wie Aedes albopictus , die Asiatische Tigermücke. Sie hat weiß gestreifte Beine, der Körper ist weiß gestreift und schwarz, also insofern eine sehr markante, auch eine sehr hübsche Mücke, übrigens.

2010 gab es Dengue-Fälle in Kroatien

von Billerbeck: Eine hübsche Mücke – ist sie auch größer?
Becker: Nein, sie ist eher kleiner. Aber was die Gefahr angeht, ich würde sie im Ranking aller Mückenarten an vierter Stelle oder dritter Stelle nennen. An erster Stelle Anopheles gambiae, die Malaria-Mücke, die südlich der Sahara halt Malaria überträgt. Es stirbt etwa jede Minute ein Mensch an einem Mückenstich, an Malaria, und das ist Anopheles gambiae zu nennen. An zweiter Stelle Aedes aegypti, das ist die Afrikanische Tigermücke, die vorwiegend als Gelbfieberüberträger und Dengue-Überträger in Frage kommt, und an dritter Stelle Aedes albopictus, eben weil sie Dengue übertragen kann, Chikungunya oder auch Zika.
von Billerbeck: Gab es denn schon in den vergangenen Jahren Übertragungen dieser von Ihnen eben genannten Infektionskrankheiten, also Zika-Virus, Dengue oder Gelbfieber in Deutschland?
Becker: Zunächst einmal gab es Dengue-Fälle 2010 in Kroatien, die von der Tigermücke übertragen worden sind, und auch in den letzten zwei Jahren in Frankreich, in Südfrankreich. Also diese Gefahr ist nicht so fern von uns, dass auch hier Übertragungen stattfinden können. Allerdings muss man sagen, dass die Pathogene, die Krankheitserreger und auch die Mücke relativ selten in Deutschland sind. Insofern wird der Kreislauf eigentlich – im Moment ist es sehr unwahrscheinlich, dass dieser Kreislauf geschlossen wird, dass es hier zu bodenständigen Übertragungen kommt. Aber in Europa ist es so weit schon gekommen, wie gesagt, und wir haben zusammen mit dem Bernhard-Nord-Institut nachweisen können, dass Aedes albopictus auch ein Überträger von Zika-Viren ist. Hat also eine gute Vektorkompetenz, wie wir es nennen, für die Zika-Viren.
von Billerbeck: Nun wollen wir natürlich wissen, mit welchen Maßnahmen man diese Mücken bekämpfen kann, also man wird ja nicht mehr, wie früher, mit DDT durch die Natur gehen.
Becker: Nein, um Gottes willen.

Die Bevölkerung kann viel zur Bekämpfung beitragen

von Billerbeck: Um Gottes willen sagen Sie, natürlich. Welche Möglichkeiten gibt es denn, gegen diese Mücken vorzugehen?
Becker: Ich bin ja Dozent für Ökologie und Entomologe, also Insektenkundler, und wir haben in den letzten 40 Jahren hier am Oberrhein eine biologische Methode entwickelt, die heißt BDI-Methode. BDI steht für Bacillus Thuringiensis Israelensis, und hier kommen Eiweiße zum Tragen, die von einem Bacillus produziert werden. Und wenn diese Eiweiße von Mückenlarven gefressen werden, dann sterben die Mückenlarven, und zwar nur Mückenlarven. Das ist die eine Methode. Diese Methode kann man auch einsetzen gegen die Tigermücken, wenn sie in Regenfässern und so weiter brüten. Aber an erster Stelle steht die Beteiligung der Bevölkerung, dass man die Bevölkerung informiert, was Sie selbst machen können: Beseitigung aller unnötigen Wasserstellen, zum Beispiel wassergefüllte Eimer, Vasen, die nicht genutzt werden, beseitigen, weil da brüten diese Tigermücken gern drin. Und man kann auch Regenfässer abdecken mit einem Netz, sodass die Mücken nicht zur Eiablage an die Brutgewässer können. Und halt auch diese BDI-Tabletten kann man einsetzen. Wir versuchen jetzt auch mit der genetischen Methode zu bekämpfen.
von Billerbeck: Das heißt, sie sterilisieren die Mückenmännchen. Wenn man sich die Temperaturen anguckt: Der Winter war in diesem Jahr oder im vergangenen Jahr in einigen Regionen ja relativ hart, im Allgäu, erinnere ich mich, weit über 20 Grad minus. Andererseits war es auch relativ warm. Wie ist denn ihre Prognose, ihre Mückenprognose für diesen Sommer, auch für diese exotischen Tiere?
Becker: Wir sind jetzt gerade am Testen, ob -14 Grad diesen Mücken was ausmacht. Ich vermute, dass die Mücken diese Temperaturen überlebt haben. Wichtig sind die Sommertemperaturen. Wenn der Sommer sehr heiß ist, können die mehrere Generationen hervorbringen, können ein großes Eipotenzial produzieren, und dann können die durchaus auch einen strengen Winter überleben.
von Billerbeck: Also, liebe Hörer, trocken und kühl, so muss der Sommer sein.
Becker: Ja, trocken auf jeden Fall, ja.
von Billerbeck: Professor Norbert Becker war das, Biologe von der Uni Heidelberg und Wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Becker: Gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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