Informationsverarbeitung

Digitale Idioten?

Ein Mann surft mit seinem Smartphone im Internet.
Für den geistigen Verfall aufgrund heftiger Benutzung digitaler Medien prägte der Psychologe Manfred Spitzer den Begriff "Digitale Demenz". © picture alliance / dpa / Foto: Nicolas Armer
Von Panajotis Gavrilis · 08.01.2015
Weil wir ständig vorm Computer oder Smartphone hängen, können wir uns fast nichts mehr merken und uns kaum konzentrieren. So sieht es der Psychologe Manfred Spitzer. Doch Panajotis Gavrilis hat neue, ganz andere Forschermeinungen gefunden - im Netz.
Wissen Sie eigentlich noch, was sie zuletzt gegoogelt haben? Vielleicht wie Sie am schnellsten nach Hause kommen oder wann die erste Mondlandung noch mal war? Das könnten Sie eigentlich ruhig mal wissen, ganz ohne Internet. Und – ich will Sie jetzt nicht beunruhigen – aber Sie haben mit der Benutzung Ihres Smartphones oder ihres Navis laut einem gewissen Herrn Manfred Spitzer gerade ihre geistige Aufnahmefähigkeit, nun ja sagen wir: um ein Vielfaches verringert.
"Die digitalen Medien machen unterm Strich unglücklich, unglücklich."
"Das ist eigentlich der Preis, den wir zahlen, für diese Verdummung, Verdummung, die wir täglich erleben."
Zurück zur Papierlandkarte!
Das sagte der Psychiater Manfred Spitzer im Jahre 2012, als er sein Buch mit dem Titel "Digitale Demenz" herausbrachte. Den Titel hatte ich schnell wieder vergessen, aber dieses Internet hat mir wieder auf die Sprünge geholfen. Aber ist meine Merkfähigkeit jetzt verkümmert, weil ich das Internet nutze, um mich zum Beispiel über Manfred Spitzer auf Wikipedia oder auf seiner Universitätsseite zu informieren? Erinnern wir uns:
"Digitale Demenz: Geistiger Verfall aufgrund der heftigen Benutzung digitaler Medien."
Hab ich’s doch gewusst! Böse neue Technologien! Also Finger weg von diesen gefährlichen digitalen Medien und zurück zu den Papierlandkarten!
"Beschwerden, die junge Menschen vorbringen: Sie können sich nichts mehr merken, sie sind unkonzentriert, sie kriegen nichts mehr auf die Reihe, können sich nicht mal mehr entscheiden richtig."
Infos digital abspeichern und gezielt vergessen
Ja ja, diese jungen Menschen. Nichts können sie! Und Schuld tragen wie immer die Medien. Die digitalen versteht sich. Aber genau diese These wollten zwei relativ junge Forscher von der University Of California in Santa Cruz so nicht stehen lassen. Sie fanden heraus: Menschen können sich neue Informationen leichter merken, wenn sie alte digital abspeichern können.
"Wenn Informationen zuverlässig digital abrufbar sind, können wir unsere kognitiven Ressourcen neu aufteilen. Weg vom Aufrechterhalten einer bestimmten Information und stattdessen Fokussieren auf das Merken neuer Informationen."
Soll heißen: Sie suchen im Netz, wann die erste Mondlandung war, speichern die Seite als Dokument ab und müssen sich diese Information nicht mehr merken. Oder sie lassen sich wie gewohnt ganz bequem zu ihrem Zielort navigieren, dann brauchen sie sich mit Stauinfos oder Haltestellen-Plänen nicht quälen. So schaffen Sie Platz für neue Infos, die für Sie wichtiger sein könnten. Und das Beste dabei: Sie dürfen alte Informationen auch ruhig mal vergessen.
Vergessen verbessert kreatives Denken
Dieses "gezielte Vergessen" könnte laut dem Psychologen Benjamin Storm den Effekt haben, komplexe Probleme einfacher zu lösen.
"Neue Ideen oder Problemlösungen zu finden, erfordern häufig, dass wir 'außerhalb der Box' denken müssen und genau dieses Vergessen älterer Informationen hilft uns dabei."
Jetzt bin ich aber ausgerechnet im Internet auf diese erhellenden Forschungsergebnisse gestoßen. Wie dumm von mir. Hat mein Gehirn doch glatt Platz gemacht und die digitale Demenz schnell wieder vergessen.
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